Vaude-Chefin: „Vorwärts zur Natur!“

Die absatzwirtschaft und der Deutsche Marketing Verband (DMV) haben Ende Mai fünf Unternehmen mit dem Marken-Award 2019 ausgezeichnet. Wir haben nach der Preisverleihung mit den Gewinnern gesprochen. Heute: Antje von Dewitz, Geschäftsführerin Vaude Sport, über Flugreisen, Konsumverzicht und genervte Lieferanten
Erfolgreiche Idealistin: Antje von Dewitz schraubt die Anforderungen an nachhaltige Produktion immer höher. (© Vaude)

Frau von Dewitz, Vaude Sport hat den hauseigenen Parkplatz abgeschafft, um den Mitarbeitern das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel schmackhafter zu machen. Wie kommen Sie persönlich zur Arbeit?
Antje von Dewitz: Mit dem Fahrrad. Da hat man doch schon morgens eine echte Outdoor-­Erfahrung.

Gibt es denn „Nachhaltigkeits-Sünden“, die Sie sich trotz der Arbeit für Vaude Sport leisten?
Mein Mann ist Metzger und organisiert gleichzeitig als Hausmann unseren Haushalt – da kann ich nicht auf vegetarische Ernährung pochen. Ansonsten leben wir schon ziemlich konsequent. Allerdings unternehmen wir alle paar Jahre eine Flugreise als Familie. Das finde ich ein zwiespältiges Thema. Einerseits will man seinen Kindern die Welt zeigen, andererseits Umweltbelastungen vermeiden. Aber die Kinder monieren mittlerweile selbst, dass Fliegen der Umwelt schadet.

Wofür steht die Marke Vaude in erster Linie?
Für Berg-Erlebnisse, für die Sehnsucht nach der Natur als Kraftquelle und für einen Wir-Gedanken. Diese Ausrichtung verstehen wir nicht als Rückbesinnung. Die Marschrichtung heißt eher: Vorwärts zur Natur!

Das Unternehmen hat sich auf die Fahne geschrieben, die gesamte Prozesskette nachhaltig zu gestalten. In welchen Abschnitten ist das einfacher, wo schwieriger?
Es gibt Produktbereiche, in denen man nur begrenzt auf nachhaltige Materialien umschalten kann, zum Beispiel bei Schuhen mit sehr belastbaren Sohlen oder bei Zelten, die eine lange und intensive Sonneneinstrahlung verkraften müssen. Gleichzeitig schrauben wir unsere Ansprüche auch immer höher. Wir wollen künftig bei der Bekleidung zu 50 Prozent recycelte oder biobasierte Stoffe verwenden. Zudem ist es nicht einfach, unsere Standards bei allen Produzenten und Lieferanten durchzusetzen.

Haben Sie deswegen schon Kooperationen beendet?
Natürlich. Und man hat sich auch von uns getrennt, weil wir in dieser Hinsicht zu nervig waren.

Vaude-Produkte sollen besonders haltbar und zur Not auch reparierbar sein. Ist es als Unternehmen klug, Kunden vom Wiederkauf abzuhalten?
Wenn man wirklich verantwortungsvoll wirtschaften will, ja. Es ist tatsächlich wünschenswert, dass unsere Kunden weniger konsumieren. Und wir sprechen Zielgruppen an, die ­genau das wollen und eine entsprechende Erwar­tungshaltung an uns haben. Im Übrigen lassen sich rund um die Reparaturservices auch neue Geschäftsmodelle aufbauen.

Wie hoch ist der Aufpreis, den Ihre Kunden für nachhaltig hergestellte Produkte zu zahlen bereit sind?
Wir gehen von fünf bis acht Prozent aus, laut Marktforschung mit steigender Tendenz. Wenn wir besonders innovative Produkte bieten, wie etwa Jacken aus Holzfaser-Fleece, können es auch 20 Prozent sein.

Welche anderen Marken, die ebenfalls für Nachhaltigkeit stehen, finden Sie besonders inspirierend?
Vor allem Rapunzel Naturkost: ein echtes Pionierunternehmen, das unmittelbar aus der ökologischen Landwirtschaft kommt und seit Jahrzehnten konsequent seinen Weg geht – sehr sympathisch!  

absatzwirtschaft Archiv: Artikel zum Marken-Award

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.