Wenn Deichmann Streit anfängt, wird es ungemütlich – zum Glück ist alles meistens nur Spaß. So machte sich das Social-Media-Team des Schuhriesen mit grünen Flixbus-Schuhen an den Füßen Ende 2024 auf in die Konzernzentrale des Busunternehmens („Wir stürmen jetzt euren Firmensitz“).
Der Grund für die Rage: „Ihr antwortet auf keine Nachricht und keinen Kommentar von uns. Was denkt ihr, wer ihr seid?“ Das zugehörige TikTok-Video ging viral, die Antwort von Flixbus ließ nicht lange auf sich warten: „Nice Schuhe, wo habt ihr die her?“ „Vom Sperrmüll“, konterte Deichmann – und dann ging es erst richtig los. Es mischten sich zahlreiche Marken ein, Obi, die Deutsche Bahn, Lidl, Toom, Settele und die Vox-Sendung First Dates („Kommt auf ein Date in unser Restaurant, um den Beef zu schlichten.“) Brand Beef pur, Viralität vorprogrammiert.
Brand Beef im echten Leben
Deichmann ging im Februar aber noch einen Schritt weiter. Die Social-Media-Verantwortlichen forderten andere Marken nicht nur auf TikTok und anderen sozialen Plattformen zum Kampf auf, sondern auch im echten Leben bei einem selbst einberufenen „Beat the Brand“-Battle in Köln. Neben Deichmann trafen sich dort Teams aus Mitarbeitenden von Oreo, Kleinanzeigen, Aldi Süd, Condor und Glückspilz zu einem Wettbewerb um den Titel der führenden Social-Brand im realen Leben. Es gab Geschicklichkeitsaufgaben, Quiz-Formate und andere Spiele.
Kleinanzeigen gewann, und neben 300 Zuschauerinnen und Zuschauern vor Ort verfolgten auf TikTok, Twitch, Instagram und YouTube bis zu 25.000 Userinnen und User das Live-Format. „Das hat es uns ermöglicht, die Community direkt einzubinden und eine hohe Aufmerksamkeit für unsere Marke zu generieren“, sagt Lukas Kaiser, Vice President Global Brand Competence Center bei Deichmann. „Die Kombination aus Gamification, Social Media und Live-Interaktion hat das Event zu einem einzigartigen Erlebnis gemacht – mit positiven Auswirkungen auf Engagement und letztlich auch Verkaufszahlen im Onlineshop.“
Deichmann gelingt es, Social First zu leben, und das als Marke mit mehr als 110 Jahren Geschichte. Wie kam es zu dem Shift? „Die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert – insbesondere jüngere Zielgruppen konsumieren Inhalte verstärkt über Social Media. Als Marke wollen wir dort präsent sein, wo unsere Kundinnen und Kunden sind. Die Aktivitäten auf Social-Media-Kanälen bieten uns die Möglichkeit, nicht nur Messages zu senden, sondern aktiv mit unserer Community in den Dialog zu treten. Diese direkte Interaktion schafft Nähe, Vertrauen und eine starke Markenbindung – das ist über klassische Kanäle nicht so intensiv möglich“, so Kaiser.
Social Media ist mehr als die Nutzung von Plattformen
Social Media ist inzwischen zentraler Bestandteil des Marketingmix, mit dem die Marke im digitalen Raum erlebbar gemacht wird – und das in der Sprache der Community. Für Deichmann bedeute Social Media „weit mehr als nur die Nutzung von Plattformen“. Es gehe darum, Inhalte zu kreieren, die interaktiv, unterhaltsam und teilbar sind. “Das bedeutet auch, mutig zu sein, neue Formate auszuprobieren und unsere Kommunikation immer wieder an die sich schnell verändernden Bedürfnisse und Trends anzupassen“, sagt Kaiser.

Klassische Kanäle spielen nach wie vor eine Rolle, allerdings mit anderen Zielen, erklärt der VP Global Brand Competence Center: „Während Social Media vor allem für Interaktion, Community-Building und Engagement steht, hilft klassische Werbung dabei, Reichweite und Markenbekanntheit weiter zu stärken. Wir setzen auf eine sinnvolle Verzahnung beider Bereiche – Social treibt die Community und Kreativität, klassische Werbung sorgt für eine breite Wahrnehmung.“
Kreativität bewies das Unternehmen auch im April 2024: Nachdem der Wunsch der TikTok-User geäußert wurde, brachte der Schuhhändler Sneakers im Paw-Patrol-Design auf den Markt, für Erwachsene. Ergebnis: rund drei Millionen Videoaufrufe, 17.000 Kommentare, 87.000 Likes, 6725 Saves und noch mehr Nachfragen.
Bereits 2018 rief Deichmann einen eigenen Influencer-Club ins Leben, um langfristige Partnerschaften mit Influencern aufzubauen und authentische Inhalte zu generieren. Dieser Club bot Influencern Zugang zu einem umfangreichen Netzwerk und zu zahlreichen Kooperationsmöglichkeiten. „Unsere Kampagnen mit Creatorn und Influencern sind ein zentraler Bestandteil unserer Social-Strategie. Durch ihre Authentizität und Nähe zur Zielgruppe entsteht eine viel engere Verbindung zur Marke als durch klassische Werbeformate“, so Kaiser.
Relevante Themen setzen
Die Erfolgsmessung zeigt, dass das gelingt: Deichmann analysiert unter anderem Completed Views sowie das Engagement, um den Impact unserer Kampagnen zu verstehen. „Besonders wichtig ist für uns aber auch das qualitative Feedback unserer Community – wenn Inhalte viral gehen oder aktiv diskutiert werden, ist das ein klares Zeichen, dass wir relevante Themen setzen. Die positiven Entwicklungen in unserer Markenwahrnehmung und die direkte Umsatzwirkung einzelner Aktionen bestätigen, dass wir den richtigen Weg gehen.“
Und das ziemlich schlagfertig: Im Zwist mit Flixbus erlaubte sich ein User die Nachfrage: „Was hat Deichmann mit Flixbus zu tun?“ Die Antwort kam umgehend: „Gottseidank nichts, haha.“