Diepholz goes Ebay – wie erfolgsversprechend ist die verlängerte Ladentheke ins Netz?

Seit vergangener Woche verbindet das niedersächsische Diepholz den lokalen Handel mit dem E-Commerce. Dafür schlossen 29 stationäre Händler der Stadt innerhalb des Projekts „Die Digitale Innenstadt“ eine Partnerschaft mit dem Online-Marktplatz Bay.
Seit vergangener Woche hat Diepholz eine eigene Präsenz auf dem weltweiten Online-Marktplatz Ebay

Das Prinzip: Die teilnehmenden Händler bieten ihre Produkte nicht nur über die klassische Produktsuche bei Ebay an, sondern auch über eine eigens für das Projekt konzipierte Einstiegsseite. Auf dieser sind alle Händler mit Porträtfotos, inklusive ihrer Rubrik wie Spielzeug oder Fashion, zu sehen. Hervorgehoben wird zudem ein Händler der Woche.

Warum das Ganze?

Ziel des Projekts ist laut Ebay die Stärkung des lokalen Einzelhandels, indem man den Händlern vor Ort helfe, am
 Onlinewachstum zu partizipieren. Kunden hätten den Vorteil, sich online ausgewählte Ware wie gewohnt nach Hause schicken zu lassen oder im Ladengeschäft abzuholen, wo sie die Ware dann auch bar bezahlen können. Die Fördermaßnahmen sind Bestandteil des im April vom Handelsverband Deutschland (HDE) und eBay ausgerufenen Städte-Wettbewerbs „Die digitale Innenstadt“, aus dem Diepholz im Juli als Gewinner hervorging. Zu dem Preis gehört die Anbindung der Händler und ihrer Sortimente an Ebay, eine eigene Ebay-Präsenz sowie kostenloses WLAN vor Ort in den teilnehmenden Ladengeschäften. Zudem unterstützt Ebay beim Start in den E-Commerce wie mit Workshops und Webinaren. So seien die Ladenbesitzer rasch in der Lage gewesen, ihre Sortimente eigenständig bei Ebay einzustellen. Zudem stellen die Logistikunternehmen DHL und Hermes den Diepholzer Händlern Versandcoupons und Verpackungsmaterial zur Verfügung.

Mönchengladbach dient als Vorbild

Diepholz ist das Nachfolgeprojekt zum Pilotprojekt „Mönchengladbach bei Ebay“, das im Herbst 2015 startete und Ende Juni 2016 offiziell. Die Schlussbilanz fiel laut Ebay positiv aus: Die insgesamt 79 lokalen Einzelhändler verkauften mehr als 87.500 Artikel im Gesamtwert von über 3,2 Millionen Euro und lieferten in 84 Länder. Der Großteil der teilnehmenden Händler betreibt seinen Shop bei Ebay weiter. Ein Abbild vom Pilotprojekt ist Diepholz allerdings nicht: „In Diepholz bieten wir zum Beispiel zukünftig kostenloses WLAN an, damit Händler noch mehr vom Online-Traffic profitieren und auch die Käufer beim Shopping die Möglichkeit haben, das passende Geschäft vor Ort für ihre Wunschprodukte zu finden. Die Diepholz-Seite wurde zudem im neuen Look & Feel gestaltet, das auf der global überarbeiteten Markenstrategie von eBay basiert“, so eine Sprecherin von Ebay.

Wie gelungen ist die Online-Präsenz?

In erster Linie wünschen sich die Bürger von einem Stadtportal diverse Informationsangebote und zwar über Events in der Stadt, lokale Nachrichten, Gastronomie, Dienstleistungen und vieles mehr. Das ergibt eine Bürgerbefragung* des Beratungsunternehmens Elaboratum** im Rahmen des Modellprojektes „Digitale Einkaufsstadt Bayern“. „Handel ist somit nur ein Informationsbedarf von vielen. Die ausschließliche Darstellung der Händler einer Stadt, entspricht nicht genau den Anforderungen. Es sollten regionale Events (Informationsmehrwert), City-Card beziehungsweise Loyalitätsprogramme etc. erschlossen werden, die mit digitalen Stadtplattformen zu verbinden sind“, sagt Professor Klaus Gutknecht, der Elaboratum 2010 mitgründete. Der Ansatz für Diepholz sei daher als Hilfe zur Verbesserung der Online-Sichtbarkeit des lokalen Handels einzustufen. Dennoch hält Gutknecht eine Kooperation mit Ebay für stationäre Händler für grundsätzlich sinnvoll. „Gerade für kleinere Händler stellt die Nutzung des Angebotes einen positiven Einstieg in das Thema Online-Verkauf und Online-Sichtbarkeit dar. Die Händler erhalten einen praktikablen Zugang zu einer breiteren Kundschaft und können Erfahrungen sammeln.“

Allerdings werde eine solche virtuelle Aggregation noch relativ wenig von den Bürgern als Anlaufstelle genutzt, das würden auch Erfahrungen mit anderen Projekten, wie beispielsweise Fürstenfeldbruck zeigen. Erforderlich seine daher auch Anstrengungen in der Online-Vermarktung, was für viele Stadtportale noch viel zu kurz komme. „Ferner ist das koordinierte Handeln der Stadtakteure wie des Stadtmarketings, der Händler oder Stadtverwaltung erforderlich, damit die Bürger die Nutzung in Betracht ziehen. Ferner sind weitere Mehrwerte zu entwickeln. Wir stehen hier noch relativ weit am Anfang. Wenn Händler stark im Preiswettbewerb befindliche Produkte online in einer Plattform darstellen, ist das sicher auch mit Nachteilen verbunden. Allerdings haben nicht wenige Händler Produkte im Sortiment, die nicht so gut mit Wettbewerbsprodukten vergleichbar sind. Die Preisfrage steht immer am Anfang bei der Entscheidung, welche Produkte man online darstellen möchte“, so Gutknecht.

Vom Onlinekuchen mitessen

Ausschließlich Vorteile in einer Kooperation mit Ebay sieht Gerrit Heinemann, Leiter eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein. „Da ein Umerziehen der Konsumenten ohnehin nicht mehr möglich ist – immer mehr kaufen eben gerne online – bietet eine Kooperation für die Händler die Chance, vom stark wachsenden Onlinekuchen mitzuessen.“ Vor allem die geringen Investitionskosten sprächen für eine Anbindung an den Marktplatz: „Würden die Händler aus eigener Kraft einen Online-Shop aufbauen, würden mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern. Das kann ihnen bei Ebay als etablierten Marktplatz nicht passieren.“ Doch setzen sich die Händler nicht einer zu starken Konkurrenz aus, wenn sie ihre Ladenpreise mit denen der Online-Konkurrenz vergleichbar machen? Laut Heinemann ganz klar, Nein: „Ein Anschluss an Ebay hat nicht höhere Konkurrenz, sondern höhere Frequenz zur Folge. Jeden Tag stürmen bildlich gesprochen 17 Millionen aktive Käufer aus Deutschland und 165 Millionen weltweit über den virtuellen Marktplatz. Eine Frequenz, von der Händler in ihrer Einkaufsstraße nur träumen können.“

 

* mit n=rd. 1.000

** in Zusammenarbeit mit BBE und cima