Das Coronavirus und die Folgen für die Wirtschaft

Das Coronavirus breitet sich immer schneller in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aus. Die Maßnahmen Pekings sind drastisch. Das könnte die Weltwirtschaft und damit auch die deutsche Konjunktur empfindlich treffen.
Corona
Das Coronavirus und die Folgen: "Was in China heute passiert, hat größere Bedeutung für die Welt als früher." (© Imago)

Airlines fliegen nicht mehr nach China, die Bänder von VW und BMW in dem Land stehen derzeit still, Apple schließt dort vorübergehend seine Geschäfte: Die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen der neuartigen Lungenkrankheit wächst. „Mit der weiteren Ausbreitung des Coronavirus innerhalb Chinas und darüber hinaus in Asien werden auch die wirtschaftlichen Kosten zunehmen“, sagt DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Zwar lassen sich die konjunkturellen Folgen nach Ansicht von Ökonomen derzeit nicht beziffern. Doch dürften sie heftiger ausfallen als bei der Infektionskrankheit Sars vor 17 Jahren, die ebenfalls in China ausgebrochen war.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Landes ist seitdem immens gewachsen. Die mittlerweile zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist ein wichtiger Exportmarkt für „Made in Germany“. Zugleich produzieren deutsche Industriefirmen dort, Hersteller beziehen Teile aus dem Land für ihre Produktion. „Was in China heute passiert, hat größere Bedeutung für die Welt als früher“, fasst Ökonom Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank zusammen.

Wirtschaftliche Folgen des Coronavirus‘ schlimmer als bei der Sars-Epedemie

Nach Einschätzung des Ifo-Konjunkturexperten Timo Wollmershäuser dürften „die wirtschaftlichen Folgen stärker ausfallen als bei der Sars-Epedemie“. Sars habe China damals etwa ein Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts gekostet. In den deutschen Zahlen habe sich das praktisch nicht niedergeschlagen. „Seitdem ist die wirtschaftliche Bedeutung des Landes gewachsen, die Infektionszahlen sind höher und die chinesische Regierung reagiert härter.“

Peking kämpft mit drastischen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus. In der Krisenregion in Zentralchina sind 45 Millionen Menschen in mehreren Städten von der Außenwelt abgeschnitten, indem die Verkehrsverbindungen gekappt wurden. Auch andere Städte in der Volksrepublik haben Überlandverbindungen mit Bussen ausgesetzt sowie die Zahl der Flüge und Züge reduziert.

Das Virus trifft die chinesische Wirtschaft – wie auch die Weltwirtschaft insgesamt – ausgerechnet in einer Schwächephase. „Je länger der Ausnahmezustand – sprich: das Reiseverbot in China – anhält und je weiter sich das Virus ausbreitet, desto gravierender werden die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sein“, analysieren Volkswirte der Commerzbank. Keine guten Perspektiven also für die exportorientierte deutsche Wirtschaft.

Ähnlich sieht das der Außenhandelsverband BGA. „Sollte sich die Lage weiter zuspitzen, wird dies auch negative Konsequenzen nicht mehr nur für die chinesische Wirtschaft, sondern den Welthandel haben“, sagt BGA-Präsident Holger Bingmann. „Die Unterbrechung von Flugverbindungen, die Schließung von Betrieben oder auch das Ausbleiben von Touristen zeigen schon jetzt Wirkung.“

Die Sorge gilt auch den Lieferbeziehungen zwischen Unternehmen. „Sollten die Produktionsstopps in der chinesischen Industrie länger anhalten, wären auch die internationalen Lieferketten bedroht“, erläutert Klaus-Jürgen Gern vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Die Bedeutung Chinas als Lieferant für die übrige Welt ist erheblich“.

Stillstand könnte Fahrzeugbau, Textilbranche und Elektronik treffen

Ein längerer Stillstand könnte vor allem Lieferketten in der Chemie, im Fahrzeugbau, in der Textilbranche und der Elektronik unterbrechen, warnen Ökonomen der Allianz. Hersteller auch in Deutschland bekämen benötigte Teile nicht mehr, sie müssten Alternativen finden oder ihre Produktion herunterfahren.

Zugleich ist China ein wichtiger Exportmarkt für deutsche Produkte. Mittlerweile gehen der Commerzbank zufolge gut sieben Prozent der deutschen Ausfuhren in das Land – hauptsächlich Autos und Autoteile sowie Maschinen. Allein die deutschen Autobauer machen Fratzscher zufolge ein Drittel ihrer Gewinne in China. Umgekehrt importiert Deutschland insbesondere Datenverarbeitungsgeräte sowie elektrische Ausrüstungen.

Bislang scheinen sich die Folgen in Grenzen zu halten. Wegen der Feiertage rund um das chinesische Neujahrsfest – in diesem Jahr am 25. Januar – war die Produktion ohnehin eingeschränkt. „Der aktuelle Ausbruch des Coronavirus hat zum jetzigen Zeitpunkt nur regional begrenzte Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb von DB Schenker“, sagt beispielsweise eine Sprecherin der Deutschen Bahn.

„Die größte wirtschaftliche Sorge ist die Panikmache, die wir in Einzelfällen auch in Europa sehen.“

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

Spediteure beklagen aber, dass durch die Maßnahmen der chinesischen Behörden Zollabfertigungen länger dauerten. Zudem entfielen Frachtkapazitäten in Passagierflugzeugen, weil zahlreiche Airlines China vorerst nicht mehr anfliegen. Derzeit könnten Spediteure dies unter anderem durch Umbuchungen noch teilweise ausgleichen, allerdings zu höheren Frachtkosten für den Verlader, erklärt der Bundesverband Spedition und Logistik.

Aus Sicht von DIW-Präsident Fratzscher ist die größte wirtschaftliche Sorge „die Panikmache, die wir in Einzelfällen auch in Europa sehen“. Die Angst vor dem Unbekannten führe bei Konsumenten und Unternehmen – vor allem in China, aber auch global – zu übertrieben starken Reaktionen. Allerdings komme das Coronavirus auch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, „da die Risiken in der Weltwirtschaft durch Handelskonflikte, Brexit, schwache Banken und geopolitische Konflikte ohnehin schon ungewöhnlich hoch sind“.

Das Coronavirus hat mittlerweile Konsequenzen für diverse international agierende Konzerne. Eine Auswahl:

Adidas schließt wegen Coronavirus vorübergehend Shops in China

Der Sportartikelhersteller Adidas schließt in China wegen des Coronavirus vorübergehend viele seiner eigenen Geschäfte. Das bestätigte der Dax-Konzern am Mittwoch auf Anfrage. Darüber hinaus würden ähnliche Entwicklungen innerhalb des Franchise-Geschäfts beobachtet, heißt es. Das belaste das China-Geschäft. Allerdings ist wes laut Adidas noch zu früh, um die Auswirkungen zu beurteilen.

Der Konzern verweist darauf, dass er die Richtlinien der örtlichen Behörden umsetze. Für den Standort Shanghai bedeute das zum Beispiel, dass die Betriebsruhe aufgrund des Chinesischen Neujahrsfests bis einschließlich 9. Februar verlängert werde. Für Reisen nach China benötigten Mitarbeiter zudem bis auf weiteres eine Ausnahmegenehmigung. Auch US-Konkurrent Nike hat viele seiner chinesischen Läden geschlossen.

LG sagt Auftritt bei Mobilfunk-Messe MWC wegen Coronavirus ab

Der südkoreanische Elektronikkonzern LG wird wegen des neuen Coronavirus nicht auf der Mobilfunk-Messe Mobile World Congress in Barcelona vertreten sein. „LG Electronics hat beschlossen, von seiner Teilnahme am Mobile World Congress 2020 Ende diesen Monats abzusehen“, erklärte der Konzern am Mittwoch. Das Unternehmen folge mit Blick auf die Sicherheit seiner Mitarbeiter und der Öffentlichkeit der Empfehlung vieler Gesundheitsexperten, im Moment auf unnötige internationale Reisen zu verzichten, heißt es in der Erklärung weiter.

Der MWC gilt als die weltweit wichtigste Veranstaltung der Mobilfunkbranche. Im vergangenen Jahr zählte die Messe über 100.000 Besucher und mehr als 2400 Aussteller. Auf der Fachmesse sind auch große chinesische Konzerne wie Huawei, Lenovo und LTE vertreten. Außerdem stellen dort etliche kleinere Firmen aus China aus. Auf der Website des Veranstalters werden 50 Aussteller aus der Volksrepublik aufgeführt.

Airbus stoppt vorläufig Endmontage in China

Der Flugzeugbauer Airbus hat in Reaktion auf den Coronavirus den Bau von Passagierflugzeugen in China gestoppt. Die A320-Endmontagelinie im Airbus-Werk Tianjin sei geschlossen, teilte der Luftfahrt- und Rüstungskonzern am Mittwoch in Toulouse mit. Wo dies machbar sei, ermögliche man den Mitarbeitern, per Computer von zu Hause aus zu arbeiten. Ziel sei, dass die Beschäftigten nicht zu den Airbus-Standorten fahren müssten.

Die von Chinas Behörden verhängten Reisebeschränkungen behindern die Abläufe bei Airbus. Neben der Produktion sind auch die Auslieferungspläne in Gefahr. Der Hersteller will wenn nötig Alternativen prüfen, um die Auswirkungen zu begrenzen. Airbus fertigt in Tianjin vor allem Mittelstreckenjets der A320-Reihe für den chinesischen Markt.

Nike warnt vor Folgen des Coronavirus für China-Geschäft

Der weltgrößte Sportartikelhersteller Nike stellt seine Aktionäre auf Geschäftseinbußen in China wegen der Coronavirus-Epidemie ein. Es sei mit «erheblichen Auswirkungen» zu rechnen, teilte der Konzern am Dienstag nach US-Börsenschluss mit. So habe Nike rund die Hälfte der eigenen Geschäfte in China geschlossen. In den übrigen Läden in China gälten zum Teil kürzere Öffnungszeiten, außerdem kämen weniger Kunden. Anleger reagierten leicht nervös – die Aktie fiel nachbörslich zunächst um mehr als drei Prozent, erholte sich allerdings rasch wieder etwas. Weitere Informationen will Nike beim nächsten Quartalsbericht am 21. März bekanntgeben.

Hyundai setzt in Südkorea teilweise Produktion aus

Wegen der Coronavirus-Epidemie in China werden für den südkoreanischen Autohersteller Hyundai und seine kleinere Schwester Kia die Zulieferteile zunehmend knapp. Bei Hyundai Motor werde von diesem Freitag an der größte Teil des Betriebs in den sieben Werken in Südkorea still stehen, sagte ein Sprecher des südkoreanischen Branchenführers am Mittwoch. Eine Ausnahme sei die Busproduktion im Nutzfahrzeug-Werk in Jeonju. Auch im Ausland sollen die Fabriken weiter betrieben werden. Bei Kia Motors sei die Fertigung zurückgefahren worden, doch die Produktion solle vorerst weiter laufen.

Die einheimische Produktion bei Hyundai soll zunächst bis zum nächsten Dienstag ausgesetzt werden. Der VW-Rivale musste bereits seit Dienstag drei Linien stoppen, einschließlich der Produktion von Fahrzeugen seiner Nobelmarke Genesis im Hauptwerk von Ulsan. Hyundai hatte erklärt, mit der Gewerkschaft über eine vorläufige Stilllegung weiterer Produktionsstraßen in Ulsan zu sprechen.

„Das Unternehmen prüft verschiedene Maßnahmen einschließlich der Suche nach alternativen Zulieferern in anderen Regionen, um die Störung des Betriebs klein zu halten“, hieß es in einer Mitteilung. Der Sprecher nannte Zulieferer in Südkorea und in Südostasien, die in Frage kämen. Das Unternehmen, das zusammen mit Kia fünftgrößter Autohersteller der Welt ist, hängt zum großen Teil von Zulieferteilen aus China ab.

he/dpa