Wollen Verbraucher wirklich online einkaufen?

Viele Einzelhändler haben ein viel zu optimistisches Bild davon, wie sich Verbraucher nach der Corona-Pandemie verhalten werden. Darum bereiten sie sich falsch vor – und drohen noch weiter an Relevanz zu verlieren.
Amazon
So sehr sich die Einzelhändler darüber ärgern: Amazon zieht auch aus den Covid-Erfahrungen bessere Schlüsse als sie selbst. (© Amazon)

Covid-19 hat die Entwicklung hin zu Onlineshopping enorm beschleunigt. Inzwischen, so die meisten Studien, wird sich dieser Trend in der Post-Corona-Zeit nur bedingt zurückentwickeln. Und schlimmer noch für den stationären Handel: Er wird sich wahrscheinlich weiter beschleunigen, denn die Einzelhändler planen ihre Zukunft unter falschen Annahmen.

Kundenverhalten verändert sich in der Pandemie

59 Prozent der Verbraucher sagen beispielsweise, dass sie es vorziehen, in der Vorweihnachtszeit online einzukaufen. Gleichzeitig glauben nur 30 Prozent der leitenden Angestellten des Einzelhandels, dass die Verbraucher sich ohne Lockdown und Pandemie-Risiken anders verhalten würden. Sie gehen davon aus, dass die Verbraucher zurückkommen. Tatsächlich haben sich ihre Kunden in vielen Bereichen weiter entfernt als sie annehmen.

Und auch als es um die Kategorien ging, die in dieser Weihnachtssaison besonders gefragt sind, lag der Einzelhandel falsch. So glauben nach wie vor 100 Prozent, dass Schönheitsprodukte gefragt sind. Ebenso beliebt seien Produkte rund ums Wohnen (97 Prozent), handwerkliche Produkte (95 Prozent) und Luxusartikel (97 Prozent). Tatsächlich gaben 29 Prozent der Verbraucher an, keine Schönheitsprodukte zu kaufen. 28 Prozent planen nicht, Produkte, die das Wohnen schöner machen, zu verschenken. 33 Prozent meiden handwerkliche Artikel und 39 Prozent Waren aus dem Luxussegment.

Welche Produkte werden online bestellt?

Ebenso liegen die Vertreter des Einzelhandels falsch dabei, welche Produkte online bestellt werden und welche im Laden gekauft werden. Drei Beispiele:

  • Während nur 16 Prozent der Einzelhändler glauben, dass Verbraucher Kleidung online kaufen, planen genau das 31 Prozent.
  • Bei Schuhen sind es 25 Prozent, während nur elf Prozent der Einzelhändler dies kommen sehen.
  • Bei Schönheitsprodukten ist dies andersherum. Ein Viertel der Verbraucher will in ein Geschäft gehen, 41 Prozent der Händler glauben aber, dass die Kunden lieber online Cremes, Schminke und Co. bestellen.

Die Branche hat die Intensität nicht verstanden

Der Verbraucher hat sich nachhaltig in seinem Konsumverhalten verändert. Die Branche hat die Intensität aber nicht verstanden. Über die Corona-Zeit hat der stationäre Einzelhandel seine Beziehung zum Kunden enorm verschlechtert. Das ist dramatisch angesichts der regulatorisch bedingten Umsatzeinbußen und dem Trend zu E-Commerce, der bereits weit vor dem Ausbruch des Coronavirus die Einnahmen des Handels stark verringert hat. All das zeugt von düsteren Zeiten für den Einzelhandel. Denn: Wer seine Kunden nicht kennt, kann sie nicht adäquat bedienen.

Tatsache ist, dass sich die Verbraucher trotz Impfstoff in Sichtweite an die Einfachheit des Onlinehandels gewöhnt haben. Sie werden also nicht wieder in die Läden eilen, nur weil es als sicher gilt. Dies bedeutet nicht, dass Kunden sich kein Store-Erlebnis wünschen. Es bedeutet nur, dass sie sich tatsächlich für viele Produkte eine Online-First-Erfahrung wünschen.

Einzelhändler sollten Sondereffekte herausrechnen

Zugegeben: Das Kundenverhalten aus dem Jahr 2020 zu interpretieren, ist schwer. Selbst Amazon hat damit zu kämpfen, trotz der vielen Daten, die Kunden auf der Plattform lassen. Schließlich basiert der Algorithmus, mit dem Amazon Kaufvorschläge anzeigt, auf früheren Einkäufen. Zwar haben sich die Kundenvorlieben im Jahr 2020 verändert, Bestellungen von Toilettenpapier oder Desinfektionstüchern werden langfristig aber weniger relevant und verderben damit den Algorithmus.

Amazon arbeitet intensiv daran, diese Sondereffekte herauszurechnen. Genau das sollten Einzelhändler auch endlich tun. Einzelhandelsführungskräfte müssen dabei aber erst verstehen, was Kunden wirklich wollen. Dann müssen sie beginnen, Online- und In-Store-Erlebnisse zu schaffen, die mit den Erwartungen der Verbraucher und der Lust auf Shopping-Erlebnisse an beiden Orten übereinstimmen.