Was man kennt, das liebt man: Warum Imagewerbung Vertrauen schafft

Christian Montag, Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm, sprach vergangene Woche auf dem Münchner Neuromarketing-Kongress über biopsychologische Grundlagen des Vertrauens: Welche Faktoren beeinflussen das Gehirn? Die absatzwirtschaft hat ihn gefragt, was Marketer daraus für die Praxis lernen können.

Herr Professor Montag, gibt es Menschen, die von Natur aus leichter vertrauen als andere?
Christian Montag:
Die Psychologie diskutiert seit Langem über die Verhaltensanteile von Genetik und Umwelt. Zwillingsstudien zeigen, dass zirka 20 Prozent der Unterschiede im Vertrauensverhalten genetische Ursachen haben. Auch Hormone spielen eine wichtige Rolle. Neurowissenschaftler haben vor allem das Neuropeptid Oxytocin untersucht. Einige Studien zeigen, dass Oxytocin soziale Fähigkeiten verbessert, zum Beispiel die Gabe, aus Gesichtern Emotionen herauszulesen.

Im Internet kann man oxytocinhaltige Körpersprays bestellen, die angeblich bewirken, dass einem das ganze Umfeld vertraut. Eine Geheimwaffe für den Direktvertrieb?
Diese Sprays funktionieren nicht, das Produkt ist reiner Unfug. Eine Dosis, die Verhalten beeinflussen könnte, müsste ziemlich hoch sein – und bei einem Spray, das auf andere Menschen zielt, verflüchtigt sich die Konzentration sofort. Hingegen ist die menschliche Umarmung ein wichtiger Faktor: Wenn es uns schlecht geht hilft die Berührung den Traurigkeitsschaltkreis zu regulieren, weil Oxytocin ausgeschüttet wird. Allerdings ist Oxytocin nur ein Botenstoff von vielen. Dopamin ist an der Vertrauensbildung ebenso beteiligt wie die Hormone der Stressachse…

…wer gestresst ist, vertraut weniger?
Einige Forschungsarbeiten legen das nahe.

Erreicht ein Marketer gestresste Kunden schlechter, weil sie einer Botschaft von vornherein skeptischer gegenüberstehen?
Von der Grundlagenforschung zum praktischen Marketing ist es ein weiter Weg. Was ich sagen kann: Personen, die mit etwas Fremden konfrontiert werden, verhalten sich erst einmal vorsichtig. Vereinfacht ausgedrückt wird in solchen Situationen ihre Alarmanlage im Gehirn aktiviert, damit sie nicht zu schnell vertrauen und sich dadurch möglicherweise gefährden. Übertragen auf die Kundenansprache heißt das: Es ist sehr wichtig, dass sich ein Kunde aufgehoben fühlt. Dabei spielt auch die Außenwirkung eine zentrale Rolle. Ein unprofessioneller Webauftritt beispielsweise, dessen Links nicht funktionieren, baut kein Vertrauen in das Unternehmen auf.

Und gegenüber einer gänzlich unbekannten Marke wird man misstrauischer sein als gegenüber einer, von der man schon mal gehört hat?
Es gibt in der Sozialpsychologie den „Mere-Exposure-Effect“: Je häufiger ich einer Sache begegne, desto sympathischer ist sie mir – vollkommen unabhängig davon, um was es sich handelt. Da geht so weit, dass Menschen, denen eine alphabetische Liste vorgelegt wird, das Initial ihres Vornamens besser bewerten als die übrigen Buchstaben – weil uns unser Vorname von Kindesbeinen an vertraut ist. Das heißt auch: Wenn ich jemandem zum dritten oder vierten Mal begegne, habe ich mit ihm eine Lerngeschichte. Oxytocin wird im Vertrauensfall wahrscheinlich ausgeschüttet, die Alarmanlage im Gehirn bleibt aus.

In der Automobilindustrie oder der Pharmabranche sehen wir, wie dramatisch schnell Vertrauen verspielt werden kann und welche Kosten das mit sich bringt.“

Übertragen auf Marken, ein Plädoyer für Imagekampagnen.
Vertrauenswürdigkeit wird im Sinne eines Persönlichkeitspsychologen durch Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit definiert. Das muss eine Marke auch transportieren. Kampagnen allein reichen dafür nicht. Ein authentisches Unternehmen zeigt seine Vertrauenswürdigkeit auf allen Ebenen und gegenüber allen Stakeholdern. Das ist anstrengend und aufwändig, wird aber langfristig belohnt. In Deutschland haben wir leider eine ganze Reihe negativer Beispiele, etwa in der Automobilindustrie oder der Pharmabranche. Da sehen wir, wie dramatisch schnell Vertrauen verspielt werden kann und welche Kosten das mit sich bringt.

Das klingt alles sehr solide. Wenn wir uns die Trends im Innovationsbereich anschauen, passiert aber doch das Gegenteil: Wichtig ist vor allem, dass es schnell geht.
Ich bin nicht sicher, ob das generell noch ein globaler Trend ist. Das alte Credo von Facebook – „Move fast and break things“ – kann in dieser Form keine Gültigkeit mehr haben. Wir haben gesehen, dass bei sehr schnellen Aktionen vieles unüberlegt passiert und auch mal das Falsche zu Bruch geht. Im Web sehen wir heute die unerwünschten Nebenwirkungen, von Wahlkampfmanipulation durch Microtargeting bis zu der Tatsache, dass Menschen viel zu viel Zeit online verbringen. Ich sehe schon Gegenbewegungen, auch bei Tech-Unternehmen. Das zeigen Initiativen wie „Time well spent“ und die Bildschirmzeit-Funktion von Apple, die einem Nutzer zeigt, wie lange er online ist. Es sind Signale dafür, dass mehr darüber nachgedacht werden muss, welche gesellschaftlichen Folgen Innovation hat.

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.