Ritter-Sport-Chef: „Wir wollen wissen, wo unser Kakao herkommt“

Der Schokoladenhersteller Ritter Sport intensiviert seine Beziehungen zu Kakaobauern in Afrika und wird Partner einer Kooperative in Ghana. Firmenchef Andreas Ronken erklärt, wie schwer es ist, das eigene Engagement im Bereich Nachhaltigkeit in der Markenkommunikation zu vermitteln.
Firmenchef Andreas Ronken ist für Transparenz in der Lieferkette von der Kakaofrucht bis zur Schokolade. (© Ritter Sport)

Herr Ronken, der Schritt zur Kooperation in Ghana ist schon länger angedacht – was waren die Hürden auf dem Weg zur neuen Partnerschaft?

ANDREAS RONKEN: Einen Partner zu finden, braucht immer Zeit. Wir wollten auch nicht irgendeinen haben, sondern einen, mit dem wir auf Augenhöhe arbeiten können und eine Partnerschaft, die für beide Seiten einen wirklichen Mehrwert bietet. Das bedeutet, dass wir eine gute Kakaoqualität bekommen und dass sich gleichzeitig wirksame Verbesserungen für die Bauern vor Ort einstellen.

Wer ist Ihr Partner in Ghana?

In der Kooperative Cocoa Abrabopa Association sind 6000 Kleinbauern zusammengeschlossen. Unsere Kollegen haben einige Kooperativen besucht und evaluiert. Bei einem persönlichen Besuch habe auch ich einen guten Eindruck gewonnen, wie die Kooperative organisiert ist, wie auf dem Feld gearbeitet und kommuniziert wird. Wir müssen uns aber nicht auf diesen einmaligen Eindruck verlassen: Eine Mitarbeiterin ist regelmäßig vor Ort und steht im intensiven Austausch mit der Kooperative.

Die Plantagen müssen so sein, dass wir sagen, hier stimmt die Qualität des Kakaos, er wird unter sozial und ökologisch guten Bedingungen angebaut und die Menschen, die den Kakao anbauen, bekommen einen angemessenen Preis.

Was wollen Sie mit der Zusammenarbeit erreichen?

Unser Ziel ist, durch den direkten Bezug die vollständige Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe bis zum Erzeuger zu erreichen. Der weltweite Kakaomarkt ist äußerst intransparent. Wir wollen wissen, von welchen Plantagen unser Kakao kommt und wir wollen auch Einfluss auf den Anbau und die Bedingungen vor Ort nehmen. Die Plantagen müssen so sein, dass wir sagen, hier stimmt die Qualität des Kakaos, er wird unter sozial und ökologisch guten Bedingungen angebaut und die Menschen, die den Kakao anbauen, bekommen einen angemessenen Preis. Neben der Transparenz ist die Zusammenarbeit auf Langfristigkeit angelegt – in Nicaragua bestehen die ältesten Beziehungen zu Kooperativen seit fast 30 Jahren.

Wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Generell sind die Kakaoqualitäten in Ghana schon recht hoch. Wir haben aber unsere eigenen Ansprüche und in den vergangenen Jahren auf unserer Plantage in Nicaragua viel dazugelernt. Dort verarbeiten wir den Kakao selbst – dieses Know-how bringen wir nun mit ein. Dadurch können wir die Qualität auch in der Kooperative in Ghana steigern.

Wie profitieren die Bauern vor Ort von der Zusammenarbeit und wie sehen die nächsten Schritte aus?

Wir sind dabei, Programme aufzusetzen, in denen es um Themen wie Ertragssicherung und -steigerung sowie Baumpflege geht, aber auch darum, dass sich die Gesamtsituation vor Ort verbessert. Dazu stehen wir in sehr engem Austausch mit der Kooperative. Die ersten Kakaolieferungen erwarten wir für das Jahr 2020.

Wir sollten es als Glückfall betrachten, dass die jungen Generationen sich für diese Themen interessieren – meine Mutter interessiert das nicht, für sie muss eine Schokolade einfach nur schmecken.

Ritter Sport bezeichnet sich selbst als bislang einzigen großen Tafelschokoladenhersteller, der bereits auf 100 Prozent zertifiziert nachhaltigen Kakaobezug umgestellt hat. Wird das von Ihren Kunden honoriert?

Heute mehr als noch vor drei oder fünf Jahren. Ich haben mich persönlich viel mit den Generationen X, Y und Z beschäftigt. Bei den jüngeren Generationen ist das Bewusstsein für die Herkunft der Produkte viel stärker ausgeprägt. Sie wollen wissen, wo etwas herkommt. Wir als Unternehmen müssen unsere Lieferketten transparent machen und mit unseren Kunden offen, ehrlich und auf Augenhöhe kommunizieren. Wir sollten es als Glückfall betrachten, dass die jungen Generationen sich für diese Themen interessieren – meine Mutter interessiert das nicht, für sie muss eine Schokolade einfach nur schmecken. Wir bringen Transparenz, Nachhaltigkeit und Qualität zusammen.

Und wie vermitteln Sie das Thema Nachhaltigkeit im Marketing?

Die Markenkommunikation in diesem Bereich ist eine große Herausforderung. Zertifikate sind eine gute Sache, aber sie allein lösen die Probleme nicht. Daher sehen wir sie nur als Zwischenschritt auf dem Weg zu mehr Transparenz und direktem Kontakt zum Erzeuger. Um mit unserem Engagement wirklich wahrgenommen zu werden, müssen wir viel weiter gehen. Wir stecken daher momentan viel Energie und Intelligenz in die Entwicklung der Kommunikation unserer Nachhaltigkeitsstrategie.

Worauf kommt es Ihnen dabei an?

Wir haben schon eine sehr hohe Kraft nach innen in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit, aber wir müssen sie auch kommunikativ bündeln und nach außen bringen. Dazu wollen wir mit Storytelling, also mit Nachhaltigkeitsgeschichten, die Menschen auf dem Weg mitnehmen. Es ist doch für Kunden weitaus nachvollziehbarer, direkt von einem Kakaobauern zu erfahren, was ihn antreibt. So möchten wir auch den Weg in die Bewegtbildkommunikation gehen und haben kürzlich im Rahmen einer Kampagne zu den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen mitgewirkt. Die zu Wort kommen zu lassen, die mit uns gemeinsam diesen Weg der Nachhaltigkeit gehen, möchten wir in Zukunft mit mehr Nachdruck fortsetzen. Wir werden uns noch mehr bemühen, das zu kommunizieren, was wir tun. Wir sind Schwaben, wir wollen nicht mehr kommunizieren als wir machen. Aber in der Vergangenheit haben wir eher zu wenig darüber gesprochen. Und die Konsequenz ist: Wenn die Stiftung Warentest nachhaltige Schokoladen testet, werden wir zum Beispiel gar nicht berücksichtigt.

Über die Bahnhofswerbung, die wir in Deutschland vielleicht ganz witzig finden, kann ein Engländer nicht lachen, das lässt sich auch nicht eins zu eins übersetzen.

Sie haben das Marketing im vergangenen Jahr neu ausgerichtet: Mit welchem Ziel?

Wir haben den gesamten Vermarktungsbereich mit Marketing und Vertrieb neu aufgestellt. Heute sind wir auf mehr Wachstum eingestellt und bedienen die lokalen Bedürfnisse in den einzelnen Wachstumsmärkten besser. Wir sind im Marketing dezentraler aufgestellt und steuern nicht mehr alles global aus Waldenbuch heraus.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Über die Bahnhofswerbung, die wir in Deutschland vielleicht ganz witzig finden, kann ein Engländer nicht lachen, das lässt sich auch nicht eins zu eins übersetzen. In anderen Ländern gibt es andere kulturelle Gepflogenheiten und einen anderen Humor. Wir werben gerne mit einem Augenzwinkern, dazu müssen wir das an das jeweilige Land anpassen. Dazu brauchen wir Menschen, die die Kultur und Sprache kennen und den lokalen Nerv treffen.

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(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Er hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.