„Jede Flasche, die in der Umwelt landet, ist eine zu viel“ 

Recycelbare PET-Flaschen sind begehrt, denn das Material wird immer teurer. Coca-Cola fordert ein Erstzugriffsrecht. Warum, erklärt Florian von Salzen, Geschäftsführer Commercial von Coca-Cola Europacific Partners Deutschland, im Interview.
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„Die Nutzung von recyceltem Einweg-PET statt neuem Plastik spart Erdöl und verhindert, dass das Material in weniger nachhaltige Verwendungen abfließt", sagt Florian von Salzen. (© WBG)

Herr von Salzen, Sie kritisieren, dass sich Deutschland eine Downcycling-Abwärtsspirale mit erheblichen Umweltnachteilen leiste, und fordern ein Erstzugriffsrecht auf recycelbare PET-Einwegflaschen. Warum? 

Von Salzen: Deutschland hat zwar eine beeindruckende Rücklaufquote von über 97 Prozent bei Getränkeverpackungen, aber nur 45 Prozent von recyceltem Einweg-PET fließt zurück in die Produktion neuer Einweggetränkeverpackungen. Der Rest wird in Produkten außerhalb der Getränkeindustrie verwendet, was wir als Downcycling bezeichnen. Dieses Downcycling verhindert, dass Einweg-PET in einem Kreislauf bleibt, und damit auch, dass neues Plastik und CO2 eingespart werden können.  

Sie fordern daher einen Flasche-zu-Flasche-Kreislauf. 

Die Nutzung von recyceltem Einweg-PET statt neuem Plastik spart Erdöl und verhindert, dass das Material in weniger nachhaltige Verwendungen abfließt. Eine von uns beauftragte Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung und der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung zeigt außerdem: Durch kontinuierliches Recycling von Flaschen zu Flaschen würde das recycelte PET länger im Kreislauf verbleiben, was die thermische Verwertung reduziert. Diese Praxis würde es ermöglichen, jährlich bis zu 214.000 Tonnen neues Plastik zu sparen und bis zu 60.000 Tonnen CO2-Emissionen zu vermeiden, also bis zu 50 Prozent weniger CO2-Emissionen. 

Zur Wahrheit gehört auch: PET ist ein begehrter Stoff in der Wirtschaft, der immer teurer wird, Coca-Cola steht im Wettbewerb mit anderen Branchen wie der Textilindustrie. Ist Ihr Argument der Nachhaltigkeit nicht vorgeschoben? 

Coca-Cola verfolgt aktiv Nachhaltigkeitsziele und hat beispielsweise bei seinen PET-Einwegflaschen bereits einen signifikanten Fortschritt erzielt: Der Anteil recycelten PETs über das gesamte Portfolio in Deutschland liegt aktuell bei fast 50 Prozent. Trotz der höheren Kosten für recycelte Materialien bleiben wir unserem Engagement für Umweltschutz treu, ohne Druck einer gesetzlichen Quote.  

Das ist doch vorteilhaft, Coca-Cola spart durch die Verwendung von recyceltem Material Geld. Wie viel würde Coca-Cola durch das Erstzugriffsrecht einsparen?  

Eine genaue Summe lässt sich nicht vorhersagen, da die Preise für recyceltes Material stark vom Markt und Faktoren wie dem Ölpreis abhängen. Zukünftige Technologien könnten die Kostenstruktur ebenfalls verändern, indem sie es ermöglichen, aus minderwertigem Plastik wieder hochwertiges, lebensmitteltaugliches Material herzustellen. Aktuell investieren wir jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag in den Kauf von recyceltem Material für unsere Flaschen, womit bereits alle PET-Einwegflaschen bis zu einer Größe von 0,5 Litern auf recyceltes PET umgestellt werden konnten.  

Umweltorganisationen argumentieren, dass Mehrwegflaschen deutlich besser sind für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft als Einwegpfandflaschen. Warum reduziert Coca-Cola seine Einweg-Produktion nicht? 

Wir sind der Ansicht, dass sowohl Mehrweg- als auch Einwegverpackungen ihre Berechtigung im Markt haben. Es ist eben nicht per se so, dass Mehrweg immer besser als Einweg ist. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Gewicht der Verpackungen, den Transportdistanzen und ob der Kauf- und Rückgabeort identisch sind. Es geht darum, beide Verpackungsarten so ökologisch wie möglich zu gestalten.  

Das sieht die Europäische Kommission anders. In der geplanten EU-Verpackungsverordnung sollen Vertreiber und Erzeuger von Getränken ab 2030 Mehrwegquoten auferlegt werden. Sind solche Regelungen nicht effektivere Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit als selbstauferlegte Quoten? 

Nein, wir glauben nicht, dass starre Quoten der richtige Weg sind. Wir haben bereits einen signifikanten Mehrweganteil erreicht und wir sehen, dass Konsument*innen Getränke in der Verpackung kaufen, die am besten zum jeweiligen Verzehranlass passt. Die richtige Verpackung hängt von vielen Faktoren ab, und wir glauben, dass sowohl Mehrweg- als auch Einwegverpackungen ihre Berechtigung haben. 

Wer sollte Ihrer Meinung nach denn sonst die Verantwortung für die Einhaltung von Mehrwegquoten tragen?  

Die Situation im Markt ist komplex, mit vielen Akteuren, darunter Hersteller*innen und Händler*innen, in unterschiedlichen Rollen. Eine pauschale Zuweisung der Verantwortung für Mehrwegquoten ist nicht zielführend. Stattdessen sollten alle Beteiligten gemeinsam nach den besten Lösungen suchen. 

Sind die höheren Kosten für Mehrwegsysteme gerechtfertigt, um eine nachhaltigere Wirtschaft zu fördern?  

Wir sind fest davon überzeugt, dass Mehrwegsysteme auch künftig eine zentrale Rolle spielen werden, und haben dies durch erhebliche Investitionen in Mehrweg von insgesamt 250 Millionen Euro in den Jahren 2018 bis 2022 unter Beweis gestellt. Im letzten Jahr haben wir 170 Millionen Euro in Deutschland investiert und planen für dieses Jahr weitere 100 Millionen Euro. Diese Mittel wurden unter anderem für die Erweiterung unseres Pools an Mehrwegkisten und -flaschen, sowie für den Aufbau neuer Mehrweganlagen in Lüneburg und Bad Neuenahr verwendet, um den steigenden Bedarf an Glas-Mehrwegverpackungen zu decken. Unsere Investitionen zeigen, dass wir bereit sind, in die Infrastruktur und Technologien zu investieren, die notwendig sind, um Mehrwegsysteme weiter voranzutreiben und zu optimieren. 

Coca-Cola gilt, wegen der Plastikproduktion, als einer der größten Umweltverschmutzer, steht aber im Dow Jones Sustainability Index ganz oben. Wie passt das zusammen? 

In Deutschland ist das Problem des Plastikmülls nicht so ausgeprägt wie in anderen Regionen, insbesondere in Asien. Dennoch: Jede Flasche, die in der Umwelt landet, ist eine zu viel, und das gesamte Coca-Cola-System ist aktiv dabei, Lösungen zu finden. 2018 hat Coca-Cola die globale Initiative „World Without Waste“ ins Leben gerufen, mit dem Ziel, bis 2030 jede verkaufte Flasche oder Dose zu recyceln oder einzusammeln. In Deutschland erreichen wir bereits eine Rücklaufquote von fast 98 Prozent. International arbeiten wir daran, Pfandsysteme und Recyclingmaßnahmen zu verbessern, um unser Engagement für eine saubere Umwelt weltweit umzusetzen. 

Welche Maßnahmen beinhaltet das Engagement? 

Bis 2030 wollen wir unseren CO2-Fußabdruck um 30 Prozent im Vergleich zu 2019 senken. Wir fokussieren uns dabei auf die Optimierung unserer Verpackungen, sowohl bei Mehrweg- als auch bei Einweglösungen, und planen, den Anteil recycelten Materials weiter zu erhöhen. Darüber hinaus engagieren wir uns für gesellschaftliche Belange, fördern Diversität und arbeiten an der Reduzierung unseres Wasserverbrauchs.  

Wie geht Coca-Cola vor, um seine Klimaziele zu erreichen? 

Wir wissen, dass etwa ein Drittel unseres CO2-Fußadbrucks in Deutschland unsere Verpackungen ausmachen, ein weiteres Drittel die Zutaten für unsere Getränke. Deshalb setzen wir verstärkt auf die Verwendung recycelten Materials für unsere Einwegverpackungen und wir reduzieren den Zuckergehalt in unseren Getränken. Darüber hinaus basiert unser Ansatz stark auf Innovation und wissenschaftlicher Forschung.  

Über unseren Investitionsfonds CCEP Ventures haben wir im letzten Jahr über 600 Projekte von Startups, Universitäten und Forschungseinrichtungen geprüft, um innovative Lösungen für die CO2-Reduzierung zu fördern. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit mit einem Start-up und einer Universität, um CO2 direkt aus der Luft zu filtern und daraus Zucker für unsere Getränke zu gewinnen oder auch Kunststoffe, die wir in unseren Verpackungen verwenden können. Ohne den Einsatz von Wissenschaft und Innovation wird es nur schwer möglich sein, unsere Klimaziele zu erreichen. 

Welchen Anteil daran hat der in der Kritik stehende Handel mit CO-2-Zertifikaten?  

Unser strategischer Ansatz fokussiert sich zunächst auf die Reduktion und dann auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen. Bis 2030 zielen wir darauf ab, unseren CO2-Fußabdruck um 30 Prozent im Vergleich zu 2019 zu verringern. Ein Beispiel für unsere Bemühungen ist der Produktionsstandort in Genshagen, Deutschland, der bereits klimaneutral zertifiziert wurde, indem wir operative Maßnahmen wie die Reduktion des Blasdrucks an Flaschenblasmaschinen umgesetzt haben. Zusätzlich kompensieren wir den verbleibenden CO2-Ausstoß durch den Erwerb von Zertifikaten.  

Für eine menschenfreundlichere und nachhaltigere Produktionsweise soll das EU-Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) sorgen. Deutschland wird sich bei der Abstimmung auf Druck der FDP enthalten. Wie würde sich das Gesetz auf Coca-Cola auswirken? 

Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – auch Grundlage des LkSG – sind seit vielen Jahren maßgeblich für uns. Innerhalb des Coca-Cola Systems haben wir frühzeitig Prozess- und Auditierungsrichtlinien eingeführt und klare Regeln mit unseren Lieferpartnern vereinbart. Trotz dieser sehr guten Ausgangssituation bringt das LkSG aber auch für uns einen erhöhten bürokratischen Aufwand mit sich. Das sehen wir noch verstärkt für kleinere und mittelständische Unternehmen in unserer Lieferkette, die möglicherweise mit dem bürokratischen Aufwand kämpfen.  

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.