Fünf Fragen an Peter Rohlmann 

Peter Rohlmann ist Experte für Merchandising im Spitzensport. Im Interview erklärt er, wieso ein 100-Millionen-Transfer wie der von Harry Kane seinen Kaufpreis nie durch Trikotverkäufe einbringen kann.
Merchandise: Peter Rohlmann
Seit über 20 Jahren beraten Peter Rohlmann und seine Agentur PR Marketing Unternehmen in Wirtschaft und Sport bei strategischen Marketing-Fragen. (© PR-Marketing)

Für viele Fußballfans gehört es zum Stadionbesuch dazu, das Trikot des eigenen Herzensvereins zu tragen. Dafür geben sie stattliche Summen aus. Im Durchschnitt kostet ein Clubtrikot für Erwachsene 85,50 Euro, eines für Kinder 65,50 Euro. Kommen Spielernamen, Rückennummer und Logo der Liga hinzu, steigt der Preis in den dreistelligen Bereich (rund 102 Euro).  

Wir haben mit dem Merchandising-Experten Peter Rohlmann über kommerzielle und emotionale Aspekte rund ums Fan-Trikot gesprochen. 
 
Herr Rohlmann, welchen Stellenwert hat der Verkauf von Trikots für die Fußball-Bundesligisten?  

Trikots gehören im Fanartikelgeschäft zu den gefragtesten Produkten, sind also die Topkategorie beim Umsatz. Der Anteil am gesamten Merchandising-Umsatz schwankt jedoch von Club zu Club und hängt teilweise auch an Extrakampagnen (Sondertrikots). Grundsätzlich gilt, je liganiedriger ein Club spielt, desto höher der Trikotanteil am Umsatz. Dies hängt unter anderem auch damit zusammen, dass die sogenannten großen Clubs ein viel größeres Sortiment haben und internationale Zielgruppen bedienen. Allein der Absatz von Clubtrikots der 1. Bundesliga bewegt sich seit einigen Jahren um 2,7 Millionen Stück, lag aber in der Saison 2010/11 noch um mehr als eine Million unter den derzeitigen Verkaufsmengen.  

Allerdings bleibt der Einnahmeanteil von Merchandising im deutschen Topfußball weiter im mittleren einstelligen Bereich, zuletzt circa bei 6 Prozent der Gesamteinnahmen, weil einfach andere Vermarktungsrechte wie Medienverträge oder Sponsoring exorbitant gestiegen sind.  

Ist das Merchandising-Geschäft dann also gar nicht so wichtig für die Clubs? 

Beim Merchandising ist zu beachten, dass hier Markenführung und Fanbindung zentrale Zielkriterien sind, die zwar quantitativ nicht so durchschlagen, aber qualitativ erst die Voraussetzungen für höhere Einnahmenbereiche wie Medien- und Sponsoring-Vermarktung schaffen. 

Ist es denkbar, dass ein hochkarätiger Spielertransfer wie Harry Kane, für den der FC Bayern 100 Millionen ausgegeben haben soll, seine Transferkosten allein durch die Trikotverkäufe wieder einbringt? 

Die Geschichte der Finanzierung eines Starfußballers durch zusätzliche Trikotverkäufe ist ein Märchen und schon mehrfach widerlegt worden. Zum einen darf man nur den (eher kleinen) Gewinn aus dem Verkauf und nicht den Ladenpreis zugrunde legen. Das sind für einen Fußballclub beim Eigenverkauf 6 bis 10 Prozent vom Einzelpreis, beim Fremdverkauf allein die Lizenzgebühr von 5 bis 6 Prozent. Zum anderen entstehen Kannibalisierungseffekte, das heißt, wer jetzt ein Harry-Kane-Trikot erwirbt, kauft kein Serge-Gnabry- oder sonstiges Bayernspieler-Shirt mehr. Signifikantere Finanzierungseffekte können sich jedoch zum Beispiel aus zusätzlichen Sponsoringvereinbarungen durch den Star oder höhere Freundschaftsspielgagen mit dem Star ergeben.  
 

Sie sprechen von „Märchen“, dennoch gibt es solche Berichte nach internationalen Top-Transfers immer wieder, etwa als Cristiano Ronaldo von Real Madrid zu Juventus Turin oder Lionel Messi von Barcelona zu Paris wechselte. Sie wurden zum Teil sogar von Vereinsseite lanciert oder zumindest nicht dementiert. Ist bei diesen Ausnahmespielern vielleicht doch etwas dran? 

Gerade die Wechsel dieser Stars haben eindeutig bewiesen, dass Merchandising keine teuren Fußball-Transfers refinanzieren kann. Die von Ihnen angesprochenen Vereinsberichte sind Legenden, die auf Schein-Begründungen oder Notargumenten beruhen. Das dient beispielsweise zur Beruhigung von Leuten, die die Vereinsfinanzen ohnehin als kritisch ansehen und solche Toptransfers für viel zu risikoreich halten, zum Beweis und Hervorheben der eigenen Cleverness eines Clubmanagers oder zur Beruhigung der mitbetroffenen (und manchmal neidisch dreinblickenden) bisherigen Leistungsträger im Team. 

 
US-Sportarten werden auch in Deutschland immer beliebter. Im Zuge von deren Auslandsvermarktung dürfte auch der Trikotabsatz von NFL- oder NBA-Teams und -Spielern im deutschen Markt stark ansteigen. Bedroht das die Geschäfte der hiesigen Vereine? 

Diese Befürchtung besteht im Hinblick auf die nahe Zukunft sicher nicht. Zum einen sind Football-Jerseys noch teurer als Fußballtrikots – dürften also häufig jenseits der Kaufpreisschwelle von Interessierten bleiben. Zum anderen ist der europäische Fußball Teil unserer hiesigen Kultur und Gesellschaft, weshalb es andere Teamsportarten – auch die großen US-Sportarten – schwer haben werden, hier einen Machtwechsel einzuleiten. Dennoch werden die Fanartikelumsätze im American Football auch in Deutschland steigen, allerdings nicht das Fußballmerchandising in Deutschland entscheidend schwächen können. 

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Der Familienvater hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.