Programmatic Advertising: Der Druck aus dem Markt fehlt

Vor eineinhalb Jahren legte der Bundesverband digitale Wirtschaft (BVDW) ein Prüfzertifikat auf, in dem die Arbeitsprozesse der Programmatic-Agenturen durchleuchtet werden. Die Resonanz ist bescheiden, sagt Siamac Rahnavard, stellvertretender Vorsitzender der Fokusgruppe Programmatic Advertising beim BVDW. Es scheint, als verlangen die Advertiser nicht nach mehr Transparenz.

Was ist Inhalt des „Qualitätszertifikats“, zu was verpflichten sich die Antragsteller und wie läuft die Zertifizierung ab?
Siamac Rahnavard: Der Agentur werden Fragen gestellt, welche sowohl die technische als auch die personelle Infrastruktur beleuchten. Es werden Nachweise über Verträge mit Technologieanbietern verlangt und die Hintergründe der einzelnen Mitarbeiter beleuchtet. Letzteres ist nur den Mitarbeitern des Verbandes zugänglich. Die Cases, die zusätzlich eingereicht werden müssen, werden hauptsächlich auf qualitative Faktoren geprüft, die mindestens den aktuellen Marktstandards entsprechen müssen. Dabei wird insbesondere darauf geachtet, ob der Weg nachvollziehbar ist. Einfach nur zu behaupten, dass man programmatische Expertise hat, reicht also nicht aus. Die Prüfer bilden übrigens das gesamte Spektrum ab – also vom Werbetreibenden über Agenturkollegen bis hin zu technischen Dienstleistern und Datenanbietern – um eine möglichst umfassende Beurteilung der Leistungen vornehmen zu können.


Ein umfassendes Glossar zum Thema Programmatic Advertising finden Sie hier.


Wie ist die Resonanz bisher?
Die Resonanz ist meines Erachtens noch zu gering, wenn man die Anzahl der Bewerber ins Verhältnis zu den Agenturen setzt, die sich nach außen mit programmatischer Expertise brüsten.

Woran kann das liegen? Hat der BVDW die Zertifizierung zu wenig beworben oder ist der Bedarf nach einer solchen Selbstverpflichtung gar nicht so hoch?
Meines Erachtens fehlt nach wie vor der Druck aus dem Markt. Alle Marktteilnehmer mit programmatischem Hintergrund müssten das Zertifikat einfordern, zumal es sich auch um eine vertrauensbildende Maßnahme handelt. Und mit mehr Vertrauen steigen in der Regel auch die Investments.

Tim Ringel, der Chef von Reprise Digital, sagt, dass für ihn erstaunlicherweise Transparenz noch nie ein Türöffner bei Pitches war. Wollen die Advertiser doch nicht so viel Transparenz, wie gerne behauptet wird?
Das kann ich nicht bestätigen. Schon gar nicht im Kontext von Programmatic Advertising, zumal alles, was mit Daten zu tun hat, nur mittelmäßigen Erfolg zeigt, wenn es in einem intransparenten Umfeld stattfindet.

Ist die ganze Transparenzdebatte, die auch immer wieder vom OWM angeheizt wird, in Wahrheit nur der Versuch, die Preise zu drücken?
Das mag im Einzelfall zutreffen. Aber die langjährige Erfahrung im programmatischen Umfeld zeigt, dass das Misstrauen nicht unbegründet ist. Die Debatte um Transparenz sollte sich aber nicht nur um Media drehen, sondern auch um die Mechanik. Ist die verstanden, so ist nicht mehr viel Raum gegeben, um sich auf Kosten und zu Lasten der Werbetreibenden zu bereichern.