New Work ist nachhaltig

New Work ist in aller Munde. Doch die Neuorganisation der Arbeit soll nicht nur persönliche Sinnstiftung sein, meint unser Kolumnist Jan Dirk Kemming. Darüber hinaus ist sie ein starkes Momentum für die Nachhaltigkeitsagenda.
Jan Dirk Kemming: "Nachhaltigkeit gehört oben auf die HR-Agenda verantwortungsvoller Arbeitgeber." (© privat)

Etwas mehr als ein Jahr nach dem Tod des Visionärs Frithjof Bergmann wird sein bahnbrechendes Werk „New Work New Culture“ noch immer intensiv diskutiert. Vor allem die Selbstbestimmtheit der Arbeit als persönliches Freiheitsmotiv ist in aller Munde. Deutlich weniger beleuchtet, aber sehr lohnend erscheint die Perspektive, seinen Ansatz von New Work auch als Nachhaltigkeitskonzept zu betrachten.

Bergmann hatte schon 2004 unter anderem diese drei „Tsunamis“ als Ziele von New Work identifiziert: „close the gap between poverty and wealth (1st tsunami), stop/reduce climate change (2nd tsunami), stop wasting natural resources (3rd tsunami)“. Die Neuorganisation der Arbeit muss also nach Bergmann auch als Antwort auf zentrale Herausforderungen der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit gedacht werden.

Ein Ansatz könnte in Bergmanns Vorstellung von einer sinnhaften Dreiteilung menschlicher Arbeitszeit bestehen: Er schlägt vor, ein Drittel der Erwerbsarbeit zu widmen, ein weiteres der Arbeit, „die man wirklich, wirklich will“, und das übrige Drittel dem „High-Tech-Self-Providing“. Unter Letzterem versteht Bergmann:

  • Rise of intelligent use of decentralised high-innovative technologies for small spaces/regions; new companies, less giant companies
  • Transformation from industrial to community production in a smaller space
  • Increase of local production (food, furniture, energy, accommodations, etc.)

Ob zum Beispiel mit Blick auf Remote Work, das Comeback der Nachbarschaftshilfe, den Stellenwert von Reparaturcafés in Zirkularitäts-Konzepten, die Relokalisierung von Hightech-Produktion als Antwort auf globale Lieferkettenprobleme, die Renaissance des privaten Obst-/Gemüseanbaus oder die aktuelle Diskussion zur Hyperlokalisierung der Energieproduktion – Bergmanns prophetischer Gedanke des Self-Providing hat Hochkonjunktur in Nachhaltigkeitskreisen.

Das nachhaltige Potenzial von New Work: Eine stärkere Dezentralisierung selbstmotivierter Arbeit erhöht eine gerechtere geografische Verteilung von Kompetenz und Technologie, senkt mobilitätsbedingte Emissionen, verbessert Diversität und reduziert Diskriminierung sowie Gesundheitsrisiken und deren soziale Folgen.

New Work bedeutet nicht nur sinnstiftende Arbeitsplätze, sondern bietet zugleich neue Ansätze für hochdringliche Transformationsaufgaben der globalen Nachhaltigkeitsagenda und alle 17 Sustainable Development Goals der UN. Entsprechend gehört Nachhaltigkeit oben auf die HR-Agenda verantwortungsvoller Arbeitgeber.

Jan Dirk Kemming ist Head of Sustainability Consulting bei Weber Shandwick und unterrichtet auch Studierende an der Hochschule Fresenius in Medienmanagement und Kommunikation.