Lobbying statt Marketing: Wie Pepsi und Coca-Cola mit Millionenspenden NGOs kauften

Um Verbraucher langfristig an ihre Marke zu binden, nahmen die Getränkeriesen Pepsi und Coca-Cola Einfluss auf die US-Gesundheitspolitik und griffen tief in den Geldtopf, um rund 100 Gesundheitsorganisationen mit Sponsoring zu “unterstützen“.
Pepsi und Coca-Cola erkaufen sich seit Jahren wohlwollende Stimmen – auch aus den Reihen der NGOs

Imageschaden?

Diese Aufdeckungen klingen im ersten Moment skandalös und müssten den Limonanden-Herstellern schaden, oder nicht? Fragt man Markenexperte Professor Karsten Kilian, dann eher nicht, denn weder die beiden Marken noch die Kunden seien aktuell bereit für einen Strategiewechsel, sprich für einen Verzicht auf die „leckere Brause“ und mehr Getränke mit weniger Zucker. Sonst würden die Absatzzahlen spürbar zurückgehen. „Ich gehe deshalb davon aus, dass sich der Skandal nur marginal auf das Image der beiden Marken auswirken wird. Wer Genussmittel verkauft, von dem wird nicht unbedingt erwartet, ein Heiliger zu sein.“ Viel mehr als die versuchte und offensichtlich gelungene Einflussnahme über Spenden irritiere Kilian, dass mehrere Gesundheitsorganisationen das Geld nicht brüsk abgelehnt, sondern angenommen haben. „Hier scheint es offensichtlich auf beiden Seiten mit der Moral nicht weit her zu sein. Meines Erachtens dürfte deshalb die Reputation der NGOs stärker leiden als der gute Ruf von Coca-Cola und Pepsi. Als Non-Profit-Organisationen sind sie dem Gemeinwohl verpflichtet, Coca-Coca und Pepsi zuallererst ihren Aktionären – und die wollen eine zuckersüße Rendite für ihr Geld sehen.“

Debatte so groß wie um Nikotin

Im Gegensatz zu Kilian schätzt Andreas Pogoda, Gesellschafter von Brandmeyer Markenberatung, die Situation für die beiden Marken kritischer ein. Denn die Frage, ob Zucker gesund sei oder nicht, berge ähnlichen Sprengstoff wie die Frage, ob Nikotin gesundheitsgefährdend ist oder nicht. „Es ist vorstellbar, dass NGOs an die Debatte anknüpfen und sie weiterdrehen. Sie würden sich dann ein Kräftemessen mit verschiedensten Akteuren wie Herstellern, Lobbyisten, Wissenschaftlern und Politikern liefern. Dieser ‚Meinungskampf um die richtige Ernährung‘ erhält in unserer aufgeklärten Welt viel Aufmerksamkeit, da wir statt traditionellen Vorgaben zu folgen, selbst darüber entscheiden wollen, was richtig ist. „Auch mit der Entscheidung darüber, was wir essen und trinken, verorten wir uns und grenzen uns ab.“ Pepsi und Cola als „Ikonen des Zuckerwassers“ könnten somit bei vielen Verbrauchern weiter in Ungnade fallen.

Getränke-Lobby schönt Tatsachen

Eines ist aber klar: Die Getränkehersteller sollten sich ihrer Macht nicht zu sicher sein. So sieht es beispielsweise in Philadelphia finster für sie aus. Konnten sie hier 2010 noch mit einer zehn-Millionen-Dollar-Spende für das Kinderkrankenhaus eine geplante Steuer verhindern, führte Philadelphia nun als erster Staat eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein – mit der Klage, die Steuer sei illegal, konnte die Industrie dieses Mal nichts erreichen. Vier US-Städte planen laut NYT derzeit ebenfalls ein Verbot, gegen das Pepsi und Coca-Cola mit Kampagnen auffahren. Pepsi reagierte nach dem Bericht bereits prompt mit der Ankündigung, den Zuckergehalt seiner Getränke und den Fettgehalt seiner Speisen künftig senken zu wollen.

Letztendlich sieht Lange vor allem aber die Reputation der NGOs gefährdet: „Besonders problematisch ist es, wenn Politik und Öffentlichkeit in die Irre geführt werden, weil die finanzielle Beteiligung der Unternehmen intransparent bleibt. Gerade Nichtregierungsorganisationen müssen sich sehr kritisch die Frage stellen, ob sie sich mit der Annahme großzügiger Spenden aus der Industrie nicht in schwer lösbare Interessenkonflikte manövrieren. Aus dem Glaubwürdigkeitsgewinn der Unternehmen kann dann schnell ein Glaubwürdigkeitsverlust bei den Organisationen werden“.