Herr Rashedi, DeepSeek hat bereits für einen historischen Kurssturz bei Nvidia und Meta gesorgt. Ist die Sorge berechtigt, dass KI-gestützte Marketingstrategien bald maßgeblich von chinesischen Akteuren geprägt werden?
DeepSeek ist in der Tat ein spannendes Modell, aber ich sehe nicht zwangsläufig eine riesige Abhängigkeit von China. DeepSeek ist als Open-Source-Variante angelegt, wobei nicht alle Details, wie etwa der Quellcode und die Trainingsdaten, wirklich offengelegt werden. Die europäische Open-Source-Community könnte das Modell für eigene Zwecke adaptieren. Zudem zeigt sich in Tests, dass mögliche Zensurmechanismen eher über die API greifen als über das lokal laufende Modell. Das heißt, Unternehmen könnten Deepseek nutzen, ohne sich direkt einer geopolitischen Abhängigkeit auszusetzen.
DeepSeek wird damit beworben, dass es kosteneffizienter als GPT-Modelle sei. Ist das nur ein Marketingversprechen oder steckt da Substanz dahinter?
Tatsächlich hat Deepseek einige innovative Ansätze, wie das 8-Bit-Training, das den Speicherbedarf und die Kosten erheblich reduziert. Lange Zeit galt: Weniger Bits bedeuten weniger Genauigkeit. Aber die ersten Benchmarks zeigen, dass Deepseek trotz geringerer Ressourcen mit Konkurrenzmodellen mithalten kann. In puncto Kosten liegt Deepseek deutlich unter OpenAI. OpenAI verlangt rund 2 bis 2,50 US-Dollar pro Million Ausgabe-Token, während Deepseek bei 0,014 US-Dollar liegt. Das macht die Technologie vor allem für kleinere Unternehmen erschwinglich, die bislang aufgrund hoher Kosten von der Nutzung fortschrittlicher KI-Modelle ausgeschlossen waren.
Sind westliche Unternehmen bereits dabei, DeepSeek in ihre Workflows zu integrieren?
Ja, es gibt bereits Unternehmen, die DeepSeek testen. Ein prominentes Beispiel ist Merck. Deren Chief Data Officer hat auf LinkedIn gezeigt, dass DeepSeek als eine von mehreren KI-Optionen in den internen Workflow integriert wird. Entscheidend ist dabei, dass DeepSeek lokal betrieben wird, um das Risiko von Datenabflüssen zu minimieren.
Aber was ist mit Datenschutz und Compliance? Wäre ein Einsatz von DeepSeek DSGVO-konform?
Das hängt von der Implementierung ab. Theoretisch kann man mit einer geeigneten Architektur die meisten Datenschutzbedenken ausräumen, indem man DeepSeek lokal betreibt. Unternehmen müssen sicherstellen, dass keine sensiblen Daten an externe Server übermittelt werden. In Italien hat die Datenschutzbehörde die Nutzung von Deepseek bereits eingeschränkt und die App aus digitalen Stores entfernen lassen. Das zeigt, dass das Thema sehr sensibel ist.
Kritiker befürchten, dass DeepSeek, ähnlich wie TikTok, politisch sensiblen Content zensiert. Sehen Sie das als reale Gefahr?
In meinen Tests habe ich festgestellt, dass das Zensurverhalten zwischen lokal laufender Software und der API-Version unterschiedlich ist. Beim lokalen Betrieb sind Antworten zu geopolitisch sensiblen Themen oft neutraler. Diese Tendenz zur Kontrolle ist allerdings nicht nur ein chinesisches Phänomen. Auch westliche Modelle wie ChatGPT haben Bias-Mechanismen eingebaut, nur eben mit einer anderen ideologischen Prägung. Unternehmen sollten sich daher bewusst sein, welche Inhalte sie von welcher KI generieren lassen.
Könnte DeepSeek langfristig ChatGPT, Google Gemini oder Claude herausfordern?
Wettbewerb ist grundsätzlich gut, und DeepSeek zeigt, dass neue Akteure das Spielfeld aufmischen können. Ob sich das Modell als langfristige Alternative durchsetzt, hängt von der Akzeptanz und der Weiterentwicklung ab. Die Open-Source-Natur könnte dafür sorgen, dass es in verschiedene Richtungen weiterentwickelt wird, was seine Anpassungsfähigkeit erhöht.
Sollte Europa eine eigene Alternative zu DeepSeek und ChatGPT entwickeln oder auf strategische Partnerschaften setzen?
Ich bin ein Verfechter davon, dass man Technologie versteht und selbst entwickeln sollte, anstatt sich allein auf externe Lösungen zu verlassen. Europa sollte eigene Modelle vorantreiben, vor allem, wenn die chinesische KI wirklich so günstig ist, wie behauptet wird. Allerdings gibt es Berichte, dass die tatsächlichen Trainingskosten von DeepSeek weit höher liegen als die offiziell kommunizierten Zahlen.
Wie wird sich KI auf den Arbeitsmarkt auswirken? Wird DeepSeek Jobs ersetzen?
Automatisierung durch KI bedeutet, dass einige repetitive Aufgaben wegfallen, aber das heißt nicht automatisch, dass massenhaft Jobs verschwinden. Vielmehr verschieben sich die Anforderungen. Unternehmen, die heute KI nicht nutzen, werden langfristig nicht wettbewerbsfähig sein. Gleichzeitig entstehen neue Rollen, etwa für KI-Spezialisten oder Datenarchitekten. Entscheidend ist, dass Unternehmen frühzeitig Weiterbildungsmaßnahmen ergreifen, um ihre Mitarbeiter auf diese Transformation vorzubereiten.
Gerade der deutsche Mittelstand hinkt in puncto Digitalisierung und Daten-Know-how hinterher. Ist der in Sachen KI konkurrenzfähig?
Leider nein. Viele Mittelständler haben noch immer keine durchdachte Datenstrategie. Wer seine Daten nicht systematisch verwaltet, kann KI nicht effektiv einsetzen. Das sieht man daran, dass viele Unternehmen ihre IT-Systeme nicht einmal reibungslos migrieren können. Zugegebenermaßen muss auch erwähnt werden, dass Mittelständler keine großen IT-Projekte gewöhnt sind. Fest steht jedoch: Ohne eine solide Dateninfrastruktur wird KI für sie kaum sinnvoll nutzbar sein.
Was würden Sie als Experte Unternehmen raten?
Unternehmen sollten sich dringend mit KI-Modellen auseinandersetzen, nicht jedoch zwangsläufig mit DeepSeek und diesbezüglich nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Wer aber nicht testet, wird den Anschluss verlieren. Gleichzeitig müssen wir aufhören, KI als Mysterium zu betrachten. Es geht darum, das Wissen über KI-Technologien in die Breite zu tragen und nicht nur als etwas für IT-Experten zu sehen.
Was heißt das genau für Unternehmen?
Unternehmen, die keine solide Dateninfrastruktur haben, sollten sich auf Large Language Model konzentrieren, um Prozesse durch AI Agents zu automatisieren, wie zum Beispiel den Customer Service. Unternehmen mit einer mittleren Dateninfrastruktur sollten mindestens die ersten Schritte mit KI auf den eigenen Daten gehen, um einen AI-gesteuerten Nachfrageprozess aufzubauen und so den Bestellprozess zu optimieren. Und Unternehmen mit einer soliden Dateninfrastruktur rate ich, die ersten Schritte auf Basis einer Aufwand-Nutzen-Matrix zu priorisieren. Denn die Aufwendungen sind grenzenlos und sollten stets einen messbaren Nutzen für das Unternehmen haben.