Citroën im Interview: eine Auswertung der Zitrön-Kampagne

Citroën hat für seine Zitrön-Kampagne viel Aufmerksamkeit bekommen. Im Interview mit absatzwirtschaft zieht Scott Wiltgen, Head of Marketing Communications des Automobilherstellers, ein exklusives Fazit.
Zitrön
Zitrön: "Die Kampagne war auf Awareness und Viralität ausgelegt." (© Citroën)

Herr Wiltgen, die #Zitrön-Kampagne hat gefühlt für ziemlich viel Aufsehen gesorgt. Können Sie das Gefühl mit harten Fakten bestätigen?

SCOTT WILTGEN: Absolut, wir sind total zufrieden mit der Resonanz auf die Kampagne. Wir haben schon jetzt über 75 Presse-Artikel von im Prinzip allen großen Medien von der „Welt“ bis zur „F.A.Z.“ gezählt und es sogar in die Nachrichten bei n-TV geschafft. Am ersten Tag der Kampagne hatten wir zudem im Vergleich zu einem Durchschnittstag einen Zuwachs von 500 Prozent bei der Anzahl unserer Website-Besucher.

Welche KPIs haben Sie in den sozialen Netzwerken gemessen?

Exemplarisch stehen im Youtube-Video rund 2500 Likes weniger als 80 Dislikes gegenüber – und dies bei aktuell mehr als 180.000 Views unseres ersten Kampagnenvideos. Und das Video ist ja noch nicht einmal in einem klassischen Werbeformat von 30 oder 60 Sekunden Länge, sondern wir reden von 4:35 Minuten. Es ist einfach phänomenal für uns, dass sich so viele Menschen die Zeit genommen haben, sich knapp fünf Minuten mit der Marke Citroën zu beschäftigen. Und das, ohne dass wir dafür Geld in Media investieren mussten. Bei Twitter waren wir am vergangenen Montag mit #Zitrön für mehrere Stunden auf Platz eins der Trending Topics, also den meist genutzten Hashtags. Das Gleiche gilt für die deutschen Google-Search-Ergebnisse.

Wir haben uns bewusst gegen eine Hochglanz-Produktion entschieden und wollten eher ‚Stromberg-mäßig‘ daherkommen.“

Die Länge des Videos und die Professionalität der Umsetzung der Kampagne kosten aber ja auch Geld. Können Sie das Budget für die Kampagne mit einer groben finanziellen Hausnummer einordnen?

Wir haben uns bei der Kampagne bewusst gegen eine absolute Hochglanz-Produktion entschieden, die uns sicher eine Summe in Millionenhöhe gekostet hätte. Stattdessen wollten wir – salopp formuliert – eher „Stromberg-mäßig“ und bodenständig daherkommen. Wir haben vor diesem Hintergrund ganz grob lediglich einen niedrigen sechsstelligen Euro-Betrag in die Kampagne investiert. Das Ergebnis kann sich schon jetzt sehen lassen: Allein die Werbeäquivalenzwerte, die sich über die reine Presse-Berichterstattung ergeben haben, sind drei Mal höher als die Summe, die wir in die Produktion investiert haben. Die Social-Media-Reichweiten und -Interaktionen kommen sogar noch on top.

Sie haben sich bei der Umsetzung auf die Social-Media-Kanäle Facebook, Instagram, LinkedIn, Snapchat, Twitter, Youtube sowie auf die eigene Homepage beschränkt. Was war ausschlaggebend für diesen digitalen Ansatz?

Die Kampagne war darauf ausgelegt, Awareness und Viralität zu schaffen – dafür sind die genannten Kanäle optimal. Die meisten Interaktionen kamen dabei erwartungsgemäß über Facebook und Twitter, wo unser Social-Media-Team entsprechend auch fleißig kommentiert hat. Interessanterweise haben auch nicht nur Endkunden mit uns kommuniziert, sondern es sind insgesamt sogar auch über 40 andere Marken auf den kommunikativen Zug aufgesprungen. Das war natürlich super für uns, da wir von deren Reichweiten zusätzlich profitieren konnten. Eine solche Viralität in kurzer Zeit wäre in Printmedien oder im TV schlichtweg utopisch gewesen – vor allem mit unserem vergleichsweise geringen Mitteleinsatz.

Wie werden Sie die #Zitrön-Kampagne nun kurzfristig weiterführen?

Die Kampagne ist klar strukturiert und in drei Phasen gegliedert, wobei wir uns bei der Veröffentlichung der jeweiligen Phase abhängig vom Feedback aus den sozialen Netzwerken flexibel halten. Die zweite Phase begann am Mittwochabend mit der Video-Botschaft unseres Geschäftsführers Wolfgang Schlimme, in der die vermeintliche Umbenennung aufgelöst wurde. Auch das Logo ist seitdem wieder das alte – allerdings übergangsweise zusätzlich ergänzt durch den Markennamen in Lautschrift.

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Und wie geht es danach weiter?

In der kommenden Woche folgt schließlich die dritte und letzte Phase, die unter unserem Gewinnspiel-Motto „Oui are french“ läuft. Dabei starten wir zum Beispiel Aussprache-Wettbewerbe rund um französische Sprichwörter. Das Ganze wird durch Influencer und Testimonials unterstützt, die in kleinen Episoden und einer Art Sprachschule die Kniffe der französischen Sprache erklären werden. Wir sind gespannt, wie viele Menschen in Deutschland am Ende der Kampagne tatsächlich den Namen Citroën richtig aussprechen können (lacht).

Bei allem Humor und der Selbstironie der Kampagne: Erschwert die schwierige Aussprache des Namens Citroën manchmal auch die Kommunikation der Marke?

Nein, der Markenname ist zwar schwer auszusprechen, aber es auf keinen Fall so, dass wir dadurch Kunden verlieren würden. Unsere aktuellen Zahlen sprechen da für sich: Im ersten Halbjahr 2019 konnte Citroën in Deutschland mit insgesamt 38.571 Zulassungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum eine Steigerung um 10,2 Prozent erzielen, während der Gesamtmarkt lediglich um 1,3 Prozent zunahm. Und ehrlich gesagt sprechen teilweise auch unsere eigenen Mitarbeiter den Markennamen nicht perfekt aus. Und das ist auch völlig okay so! Wir können und wollen schließlich niemanden dazu zwingen, unseren speziellen Namen völlig korrekt aussprechen zu müssen. Das nehmen wir ganz gelassen so hin, wie es ist.

Vita: Scott Wiltgen

Scott Wiltgen ist seit September 2018 Head of Marketing Communications bei Citroën Deutschland. Zuvor hatte der 29-jährige Luxemburger seit 2015 für Opel gearbeitet, zuletzt als International Brand Manager.

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Citroën hat sich zum 100-jährigen Firmenjubiläum in „Zitrön“ umbenannt. Oder doch nicht? So oder so: Die Kommunikationskampagne hat der französischen Automobilmarke viel Aufmerksamkeit verschafft – nicht nur bei Kunden, auch bei anderen Marken. Lesen Sie hier, wie die Kampagne im Internet angenommen wurde.

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.