Auf zur Vier-Tage-Woche 

An flexiblen Arbeitszeitmodellen führt für moderne Arbeitgeber in Zukunft kein Weg vorbei. Umstritten ist jedoch, ob die Vier-Tage-Woche ein geeignetes Instrument ist. Firmen, die es ausprobiert haben, geben eine klare Antwort.
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Mit diesem bekannten Plakat hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zum 1. Mai 1956 für die Fünf-Tage-Woche geworben. Heute geht es um die Vier-Tage-Woche. (© DGB, Montage: absatzwirtschaft )

 
Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Samstag ein normaler Arbeitstag. Erst in den späten 1960er Jahren erstritten die Gewerkschaften unter dem Motto „Samstags gehört Vati mir“ die Fünf-Tage-Woche. Nun steht die Wirtschaft an der Schwelle zu vier Tagen. Doch was bedeutet das in einer Zeit, in der immer mehr Industrien den Fachkräftemangel beklagen, und für Branchen wie die Werbeindustrie, in der Überstunden an der Tagesordnung sind?  

Kurz vor Weihnachten haben die Chefs einiger deutscher Genossenschaftsbanken die Vier-Tage-Woche als Erfolg bewertet. Sie haben den Ansatz getestet und ziehen nun eine positive Bilanz. Dazu gehört etwa die Volksbank Kaiserslautern, die 2022 eine der ersten Banken war, die mit einer verkürzten Arbeitswoche gestartet sind. Die Gründe waren vielfältig, wie Prokuristin und Personalverantwortliche Silke Dörr erläutert: Erstens die Erhöhung der zusammenhängenden Erholungszeiten zur Gesundheitsfürsorge für die Mitarbeitenden, zweitens die Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber und drittens die Anpassung der Servicezeiten der Filialen an das veränderte Kundenverhalten. „Die Einführung der Vier-Tage-Woche bietet für all diese Themen sinnvolle Lösungen“, sagt Dörr.   

Arbeitszeit von fünf auf vier Tage verteilt 

Derzeit werden vor allem Modelle diskutiert, bei denen die bisherige Wochenarbeitszeit auf weniger Tage verteilt wird. Mit diesem Ansatz arbeitet zum Beispiel Hans Schmidt Werbeverpackungen. Die 36 Stunden, die zuvor an fünf Tagen gearbeitet wurden, werden auf vier Tage aufgeteilt, indem morgens eine halbe Stunde früher angefangen wird, die Mittagspause um eine viertel Stunde gekürzt, und nachmittags eine halbe Stunde länger gearbeitet wird. Nach einem Test 2023 ist das Modell nun die Regel. „Die anfängliche Skepsis ist schnell verflogen und wir arbeiten seither immer noch in einer Vier-Tage-Woche“, sagt Geschäftsführerin Janneke Klasen, die den Ansatz schon länger in ihrer Firma ausprobieren wollte. Als „entspannter, ausgeglichener und glücklicher“, nimmt sie die Mitarbeitenden wahr. Wie bei den Banken sind auch bei Hans Schmidt die Krankentage gesunken. „Wir haben keinerlei Produktivitätsverlust – im Gegenteil ist diese gestiegen“, so Klasen. 

Ein weiterer positiver Nebeneffekt: „Durch den eingesparten Tag können wir auch Strom- und Energiekosten senken“, da nun an einem Tag die An- und Ablaufzeiten für Maschinen in der Produktion entfallen. Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Auslastung der Maschinen könnten dadurch erhöht werden und die Reinigung der Maschinen an einem Tag eingespart werden, was zu weiterer Kostensenkung beigetragen hat.  

Eine solche Umverteilung der Arbeitszeit stößt jedoch an Grenzen. „Wenn die Arbeit in vier Tagen statt in fünf geschafft werden muss, ist der Stresslevel sehr hoch. Eine solche Verteilung ist auch nicht in allen Branchen umsetzbar“, sagt Julia Beyer, Head of Onboarding der PR-Agentur Mashup Communications. 

Flexible Modelle, statt Vier-Tage-Woche

Gerade in Werbung und Marketing erfordern harte Deadlines von den Mitarbeitenden regelmäßig eine hohe Flexibilität und Überstunden. Wenn dann aber schon planmäßig zehn statt acht Stunden am Tag gearbeitet wird, fehlt der Puffer, um noch mehr zu leisten. „In Branchen, in denen es regelmäßig zu unerwarteten Überstunden kommt, sind flexible Modelle mit Arbeitszeitkonten besser geeignet als eine starre Vier-Tage-Woche“, empfiehlt daher Anja Warning, die im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Forschungsbereich Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen arbeitet.  

Warning sieht das Modell zudem mit Blick auf Vereinbarkeit von Familie und Arbeit kritisch: „Eltern jüngerer Kinder dürften häufig Probleme haben, die Betreuung ihrer Kinder für so lange Zeit sicherzustellen und wollen das vielleicht auch gar nicht.“ Statt mehr Entspannung gibt es dann schnell mehr Belastung.  

Modell 100-80-100 gewinnt an Zuspruch 

Wenig verwunderlich werden daher die Forderungen lauter, die Arbeitszeit insgesamt zu senken: „Viele, die sich für eine Vier-Tage-Woche aussprechen, meinen damit das Modell 100-80-100: 100 Prozent Gehalt, 80 Prozent Arbeit, 100-prozentige Produktivität“, sagt Beyer.   

Die Volksbank Kaiserslautern ist dem Wunsch nachgekommen und hat die Arbeitszeit mit der Einführung der Vier-Tage-Woche abgesenkt: Die Betriebsvereinbarung sieht bei vollem Lohnausgleich eine Mindestarbeitszeit von 34,5 Wochenstunden gegenüber den tariflichen 39 Wochenstunden vor. Der Freitag ist bis auf wenige Ausnahmen arbeitsfrei. „Konkrete Nachteile, insbesondere im Hinblick auf die Produktivität, verzeichnen wir nicht. Im Gegenteil“, erklärt Dörr. Man habe zum Beispiel bestehende Prozesse auf den Prüfstand gestellt und gestrafft.  

Das funktioniert nicht überall. IAB-Wissenschaftlerin Warning weist darauf hin, dass zum Beispiel die Nicht-Erreichbarkeit an einem Freitag ein Problem werden kann. Gerade wenn der Load bei den bestehenden Mitarbeitenden schon hoch ist, kann eine Absenkung der Zeit auch dazu führen, dass mehr Personal eingestellt werden müsste, um die entfallenen Stunden zu kompensieren. In der aktuellen konjunkturell schwierigen Lage nicht für jede Firma ein gangbarer Weg. 

Bewerber*innen schätzen Aussicht auf längeres Wochenende  

Zweifelsohne hilft eine Vier-Tage-Woche jedoch vielen Unternehmen, sich als Arbeitgeber zu positionieren. Angesichts des Fachkräftemangels tun sich viele Firmen schwer, passendes Personal zu finden. Die Aussicht auf ein längeres Wochenende bewerten potenzielle Mitarbeitende häufig positiv. „Für unser Haus nehmen wir wahr, dass die Regelung beim Recruiting einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darstellt“, sagt Silke Dörr von der Volksbank Kaiserslautern. Die Einführung der Vier-Tage-Woche habe zum einen zu einer Erhöhung der Gesamt-Mitarbeiterzahl geführt, zum andere auch zu einer Zunahme der Bewerberzahlen auf Stellenausschreibungen. Auch Janneke Klasen von Hans Schmidt Werbeverpackungen sieht hier positive Effekte: „Aus Marketingperspektive ist unsere verkürzte Arbeitswoche mit Sicherheit ein Pluspunkt.“ 

Augen auf bei der Modell-Wahl

Doch was für den einen passt, kann eben für den anderen ein Nachteil sein. IAB-Forscherin Warning rät Arbeitgebern daher dazu, herauszufinden, welche Beschäftigten welche Interessen haben. „Für manche kann ein gutes Gleitzeitmodell besser sein als eine Vier-Tage-Woche. Beides im Angebot zu haben, ist natürlich sehr attraktiv und gibt potenziellen neuen Fachkräften das klare Signal, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen Verhandlungsspielraum besteht.“ Zudem würde es zeigen, dass die Interessen der Belegschaft möglichst gut berücksichtigt würden. 

Dass große Flexibilität der Schlüssel zum Erfolg ist, glaubt auch Julia Beyer von Mashup Communications. Die Agentur arbeitet mit einer großen Vielfalt an Modellen, die sich nach den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden richtet. Das birgt jedoch auch Probleme. Wenn zum Beispiel der eine früh anfängt und früh aufhört und der andere ein Spät-Arbeiter ist. „Wir mussten in unserem flexiblen Modell die Strukturen anpassen, zum Beispiel mit einem Kalendersystem, das die Flexibilität für andere sichtbar macht“, erklärt Beyer.  

Zudem sei wichtig, mehr in Aufgaben als in Stunden zu denken. Denn wenn Mitarbeitende den Eindruck haben, der eine Kollege ist ständig erreichbar, der andere nicht, kann es zu Unzufriedenheit kommen, weil eine ungleiche Arbeitslastverteilung vermutet wird. Man müsse sich daher auch wohlgesonnen sein und Vertrauen haben.  

Dass flexibleren Modellen die Zukunft gehört, dazu gibt es einen breiten Konsens. Eben gerade, weil durch den demografischen Wandel immer mehr Mitarbeitende fehlen. Warning: „Die Jüngeren, die am Arbeitsmarkt nachkommen, sind heute in einer ganz anderen Verhandlungsposition als noch ihre Eltern. Gerade die gut Qualifizierten können sich ihre Jobs aussuchen und selbstverständlich schauen sie danach, ob ihnen die Rahmenbedingungen gefallen.“ 

Juliane Paperlein (pap) ist Fachjournalistin und Moderatorin, war Ressortleiterin bei Horizont und Leiterin der Unternehmenskommunikation der AGF Videoforschung. Es sind vor allem die wirtschaftlichen Zusammenhänge in der bunten und niemals langweiligen Marketing- und Medienwelt, die sie interessieren, und sie ist sehr froh darüber, sich von Frankfurt aus mit immer neuen Themen beschäftigen zu können.