Coworking: Wie Homeoffice – aber nicht zu Hause 

Im vergangenen Jahr haben einige große Unternehmen begonnen, ihre Mitarbeitenden aus dem Homeoffice zurück ins Büro zu holen. Auch Coworking Spaces als Alternative für mobiles Arbeiten stehen derzeit unter Druck. Ein Blick auf die Branche.
Coworking Spaces wie das Schiller40 in Wolfsburg sind ein Teil der New-Work-Bewegung, die selbstbestimmtes, erfüllendes Arbeiten in offenen, zugänglichen Communities ermöglicht.
Coworking Spaces wie das Schiller40 in Wolfsburg sind ein Teil der New-Work-Bewegung, die selbstbestimmtes, erfüllendes Arbeiten in offenen, zugänglichen Communities ermöglicht. (© Thomas Riedel)

Wenn der Bundesverband Coworking Spaces Deutschland (BVCS) seine Mitglieder zur jährlichen Coworking-Konferenz zusammenruft, dann feiert die Branche sich auch ein bisschen selbst. Im Oktober 2024 im Kölner Mediapark war das nicht anders: Der Moderator, der sich als die Barbara Schöneberger der Coworking-Szene bezeichnet, bemühte sich redlich, gute Laune zu verbreiten. Doch sein Präsident und Vorstand des BVCS, Tobias Kollewe, machte in seiner Keynote erst mal Realtalk: Eine große Konsolidierungsphase stehe an, so der Verbandschef. Bereits im vergangenen Jahr hätten 200 Spaces geschlossen.  

Das kann Christian Cordes bestätigen. Er ist selbst Betreiber des Coworking Spaces Schiller40 für Kultur und Kreativwirtschaft in Wolfsburg und Vorstand des anderen deutschen Coworking-Verbandes, der German Coworking Federation. Auch Cordes sieht eine Marktbereinigung auf die Branche zukommen. Ob diese allerdings so drastisch ausfallen wird, wie sein Kollege Kollewe während der Keynote dargestellt hat, mag er nicht beziffern.  

Verbände uneinig über Anzahl der Standorte 

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2023 ist Coworking als Form des mobilen Arbeitens noch wenig verbreitet. Lediglich 11 Prozent der Arbeitgeber ermöglichen das Arbeiten in einer betriebsfremden Bürogemeinschaft. Trotzdem hat die Branche Jahre des Wachstums hinter sich.  

Laut einer Erhebung des BVCS habe sich die Anzahl der Spaces seit 2020 auf 1852 Standorte verdoppelt. Diese Zahlen sieht der Vorstand der German Coworking Federation kritisch. Cordes fehlt es an Wissenschaftlichkeit bei der Erhebung. Erklären kann BVCS-Präsident Kollewe die Zahlen dann so: „Die entscheidende Frage ist doch: Was ist Coworking? Wer definiert das?“ So rutschen dann beim BVCS auch sogenannte Serviced Offices mit rein, eine umstrittene Form des Coworkings, bei dem der Community-Gedanke nicht ganz so wichtig ist wie Repräsentativität der Immobilie. Die Definition von Coworking und der Blick auf die Branche waren auch 2018 zwei Gründe, die letztendlich dazu führten, dass es heute zwei Coworking-Verbände mit jeweils rund 200 Mitgliedern gibt. 

Fördergelder für Coworking laufen aus 

Einig sind sich die beiden Verbandsvertreter über einen der Hauptgründe der aktuellen Konsolidierungsphase: Fördergelder laufen aus, die zum Beispiel zur resilienten Stadtentwicklung geflossen sind. Leerstand in deutschen Kleinstädten ist eine Tatsache. Eine Anschlussfinanzierung aufgrund der Haushaltslage von Land und Kommunen oft schwierig.  

Kollewes Äußerung auf der „Zukunft Coworking“, wie die Konferenz heißt, verwundert umso mehr, als das er Anfang des vergangenen Jahres noch auf der Webseite des Verbandes betonte: „Die Zahl der Coworking Spaces steigt seit fünf Jahren kontinuierlich an und wir rechnen fest mit einer Fortsetzung dieser Entwicklung.“ Kollewe ist selbst Geschäftsführer und Gründer der Cowork AG, der unter anderem die Coworking-Kette Worqs gehört. 15 Spaces betreibt Worqs bundesweit, weitere sind in Planung. Spaces, die Schwierigkeiten haben, profitieren vom Know-how des Worqs-Netzwerkes. 

Coworking trotzt der Corona-Pandemie 

Profitiert hat Coworking selbst in den letzten Jahren während der Corona-Pandemie. Als Teil der New-Work-Bewegung, die selbstbestimmtes, erfüllendes Arbeiten in offenen, zugänglichen Communities ermöglicht, litt die Branche zwar und es gab einige Schließungen. Dennoch: Der Trend zum Homeoffice nutzte auch den Coworking-Betreibern. Manche Spaces wie das Unicorn Workspaces mit Niederlassungen in fünf deutschen Städten und Lissabon ließen sich einiges einfallen und gingen sogar so weit, Tische und Stühle ins Homeoffice von Mieter*innen zu liefern, damit sie dort vergleichbare Arbeitsbedingungen vorfanden.  

Die Coworking-Kette Work-Inn setzte während der Pandemie zwar ihre Expansionspläne aus. In der Folge avancierte der Betreiber allerdings mit 14 Filialen zum größten Anbieter in Nordrhein-Westfalen. Durch die Fusion mit SleevesUp!, angekündigt im Juli des vergangenen Jahres, gehört Work-Inn nun nach eigenen Aussagen zu Deutschlands größten Coworking-Space-Anbietern.  

Coworking in der Hotellobby 

Die Vielfalt der Branche zeigt sich auch im Erdgeschoss des Numa Artol Hotels in Düsseldorf-Pempelfort: Seit August letzten Jahres befindet sich an der Stelle, an der eigentlich eine Hotellobby sein sollte, ein heller und modern eingerichteter Space der Firma Denizen Coworking. Die Numa Hotelkette hat ihre Prozesse so weit digitalisiert, dass für die Hotelgäste alles digital über die App läuft: Buchung, Check-in – und eben auch der Zugriff auf den Coworking Space im Hause. Der steht freilich auch für Nicht-Hotel-Gäste zur Verfügung, die sich dort einen Tagespass oder einen längerfristigen Schreibtisch buchen können.  

Denizen Coworking macht die Hotellobby wie hier im Düsseldorfer Numa Artol zum Coworking Space. (© Thomas Riedel)
Denizen Coworking macht die Hotellobby wie hier im Düsseldorfer Numa Artol zum Coworking Space. (© Thomas Riedel)

Coworking in Hotels ist an sich nichts Neues, dient es schon seit Jahren dazu, die tagsüber leerstehenden Hotellobbys aufzuwerten. Denizen versucht das Konzept nun zu skalieren. Der Space in Düsseldorf ist bereits der dritte, den das Start-up betreibt. Das Team dahinter sind Michael End, ehemaliger Geschäftsführer von 25hours Hotels, und weitere Tech-Mitgründer aus dem SnapShot-Umfeld. 

Coworking im früheren Kaufhof-Gebäude 

Wie vielfältig Coworking sein kann, zeigte sich dann auch auf der BVCS-Verbandstagung. Dort stellte Maximilian Kutzner aus Fulda das „Karl Konzeptkaufhaus“ vor. Das seit 2020 leerstehende frühere Galeria-Kaufhof-Gebäude wurde durch ein Mischkonzept neu belebt. Dazu gehören ein Pop-up-Shop, Veranstaltungsflächen, Ausstellungsflächen und ein Coworking Space. In diesem könne es gar nicht genug Teambüros geben, sagt der Betreiber. Die Nachfrage nach flexiblen Coworking-Plätzen im „Open Space“, wie sich die traditionelle Coworking-Fläche für die Community nennt, sei dagegen rückläufig, so Kutzner.  

Diesen Trend sehen auch die Verbände. Grund dafür: Während die Corona-Pandemie das Homeoffice brachte, etablierte sie auch die Nutzung von digitalen Kommunikations-Tools wie Zoom oder Teams. Und die wollen nicht in Großraumbüros, sondern in Ruhe durchgeführt werden. Die Nachfrage nach „Telefonzellen“, Besprechungsräumen oder gleich eigenen Büros stieg damit an und Coworking-Betreiber versuchten dafür Lösungen zu finden.  

Vorteile: Stabiles Internet und weniger Pendelzeit 

Worauf kann die Coworking-Branche sich nun in Zukunft einstellen? Tobias Kollewe sieht immer mehr Unternehmenskunden in Coworking Spaces gehen, sei es mit einzelnen Mitarbeitenden oder ganzen Teams. Schon heute bieten Spaces klare Vorteile, insbesondere für die ländliche Bevölkerung: stabiles Internet und weniger Pendelzeit. Dabei geht es auch um Arbeitssicherheit, denn der heimische Küchentisch oder das Sofa bieten eher selten ein ergonomisch optimales Arbeitsumfeld.  

Damit das wieder zu einem Trend werden kann, müssten sich Unternehmen professionalisieren, führt Kollewe an. Cordes hält insbesondere die Novellierung der Arbeitsstättenverordnung für wichtig. Zusammen mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung arbeitet die German Coworking Federation aktuell daran, wie rechtssicheres Coworken für Unternehmen aussehen kann. Dabei geht es unter anderem um Brandschutz, Evakuierungshelfer oder Ersthelfer-Regelungen. Dazu soll es Mitte des Jahres erste Ergebnisse geben.  

Und was können Unternehmen tun, wenn Mitarbeitende nach der Möglichkeit fragen, in einem Coworking Space zu arbeiten? Christian Cordes hat diese Tipps: „Eine gute Umfeldanalyse machen und zusammen mit der Community Möglichkeiten ausloten. Und: kein Zwang. Leute nicht in einen Space schicken, den sie nicht wollen.“ 

(tr, Jahrgang 1981) ist freier Journalist aus Köln. Als Kind der 90er wuchs er mit Ace of Base, Hero Quest und Game Boy auf und bastelte früh Webseiten für andere, nahm Podcasts auf und sagte das Smartphone-Zeitalter voraus, während er über WAP auf dem Accompli 007 E-Mails verschickte. Heute berichtet der Vater einer Teenager-Tochter über Tech- und New-Work-Trends in Text und Ton. Aktuelle Podcasts: "Future Future" und "Der Metaverse Podcast".