“Wir trennen Sport und Weltpolitik” 

Wie die Allianz die zwangsweise Umbenennung der Allianz Arena für ihre Markenkommunikation nutzt und wie sie zu Qatar Airways und Menschenrechten im Sport steht. Ein Gespräch mit Allianz-Markenchef Christian Deuringer.
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Christian Deuringer arbeitet seit über 10 Jahren bei der Allianz. (© Allianz)

Herr Deuringer, wer Sport konsumiert, kommt kaum an der Allianz vorbei. Erklären Sie gerne zunächst einmal: Wie sieht Ihre Sportmarketingstrategie aus? 

Die wenigsten Menschen wachen am Samstag auf, und denken, es ist ein großartiger Tag, um über Versicherungen nachzudenken. Über den Sport erreichen wir die Menschen in Momenten, in denen sie mit Leidenschaft dabei sind. Für uns war es daher eine glückliche Fügung, als das kongeniale Duo Hoeneß/Beckenbauer bei der Allianz mit ihrer Vision einer echten Fußballarena für München vorstellig wurde. Inzwischen sind wir nicht nur Partner des FC Bayern, sondern auch Anteilseigner, und die Allianz Arena trägt seit 2005 unseren Namen – beides zentrale Elemente unserer Markenpräsenz und unseres Sportengagements.  

Und dann kam 2017 ein Anruf aus Lausanne… 

Genau. Wir sind schon seit 2006 Partner der Paralympischen Bewegung. Das Internationale Olympische Komitee kam nun auf uns zu, ob wir uns vorstellen können, der Versicherungspartner der Olympischen und Paralympischen Bewegung zu werden. Das war die Chance, in den Olymp der weltweiten Top-Marken aufzusteigen. Die Spiele in Paris werden das größte nicht-religiöse Event der letzten Jahrzehnte sein. 

Der FC Bayern ist gerade in einer Saison, in der es nicht ganz so rund läuft. Die Nationalmannschaft hat auch zu kämpfen. Verlagert sich der Fokus da zwangsläufig weg vom Fußball? 

In den letzten Jahren war die Zusammenarbeit mit dem FC Bayern sehr erfolgreich, und eine echte Partnerschaft bewährt sich in schwierigeren Phasen. Neben diesem auch global wirksamen Fußball-Flaggschiff haben wir noch weitere Standbeine im Sportsponsoring: Schon seit vielen Jahren unterstützen wir in Deutschland Vereine, die in ihrer Region die Menschen begeistern. Das sind Local Heroes wie die Volleyball-Frauen des Allianz MTV Stuttgart oder die Handballer des SC DHfK Leipzig oder Turnierserien im Beachvolleyball. Dabei legen wir immer großen Wert auf die Kinder- und Jugendarbeit.  

Wie sieht die Olympia-Partnerschaft konkret aus? 

Die Olympia-Partnerschaft ist eine Universalantwort auf viele Fragestellungen unserer Markenstrategie und unseres Werteversprechens. Die Spiele sind global mit 206 nationalen Teams und einem zusätzlichen Refugee-Team in Paris. Sie sind divers und fördern Gleichberechtigung. Sie ermutigen zu Bewegung, Sport und einem gesunden Lebensstil. Und sie schaffen durch die verbindende Kraft des Sports Zusammenhalt und Vertrauen in die Zukunft. Zum Zeitpunkt der Entscheidung standen neben Paris die Spiele in Peking, eine aussichtsreiche Bewerbung von Milano-Cortina und Los Angeles auf der Liste. Das sind alles Märkte, die für uns eine hohe Bedeutung haben. Die Partnerschaft bietet uns also eine einzigartige Plattform, über die wir weltweit Kund*innen ansprechen und auch unsere Mitarbeitenden begeistern können. Es gab viele gute Gründe, diese Partnerschaft einzugehen.  

Nun kann man ja kaum auf allen 206 Märkten mit 206 Botschaften präsent sein. Gibt es also die eine zentrale Botschaft? 

Die Marke ist die Bugwelle und dahinter kommt das Schiff Allianz. Die Bugwelle darf ein bisschen höher und spannender sein. Wir haben mit der Marke die Möglichkeit, Konsistenz zu schaffen über die lokalen, oft historisch gewachsenen Besonderheiten im Geschäft. In die unterschiedlichen Märkte gehen wir mit einer zentralen Botschaft rein: „Get ready for the best“. Wir erzählen die Stories von Athlet*innen und wichtigen Personen der Olympischen Bewegung und ihrer Vorbereitung auf das größte Ereignis in ihrem Leben. Diese Stories werden lokal angepasst unter der globalen Marke. In Deutschland heißt der Slogan zum Beispiel „Da für dein Leben“. Mit diesem Ansatz wollen wir auf der „Road to Paris“ präsent sein: Wir sind nicht nur dafür da, Siege zu feiern, sondern auch und gerade in der Vorbereitung. 

Können Sie schon erste Erfolge in dieser Olympia-Partnerschaft vorweisen? 

Wir sehen viele positive Effekte bei Mitarbeitenden, im Business und natürlich der Marke, die Sympathie der Allianz profitiert enorm. Ganz besonders eindrücklich: Wenn unser Logo neben den Olympischen Ringen steht, sorgt das für einen Uplift von über 25 Prozent beim Thema Kaufbereitschaft. Dieser Effekt fällt in Deutschland sogar noch etwas stärker aus, obwohl man hierzulande den großen Sportinstitutionen oft mit einer gewissen Skepsis begegnet.  

Stichwort Skepsis: Bei so einer globalen Partnerschaft kommt man gar nicht umhin, auch auf Märkten mit schwieriger Menschenrechtslage aktiv zu sein. Sie haben China genannt. Blenden Sie das als Unternehmen aus? 

Wir haben uns damit natürlich schon vor Vertragsschluss beschäftigt. Wir trennen das Thema Sport und Weltpolitik – wir haben klare Werte und stehen zu diesen, beziehen aber keine politische Position. Natürlich bieten die Olympischen Spiele eine Weltbühne, auf der auch politischer Diskurs ausgetragen wird, umgekehrt leisten sie auch einen Beitrag zur Annäherung. Bei der Eröffnungsfeier für die Winterspiele in Pyeongchang sind Athleten aus Süd- und Nordkorea gemeinsam einmarschiert.   

Beim FC Bayern haben Sie nicht das letzte Wort, aber sind als Anteilseigner ja relativ nah dran: Wie stehen sie da zu viel diskutierten Partnerschaften wie der mit Qatar Airways? 

Die Partnerschaft mit Qatar Airways wurde 2023 einvernehmlich aufgelöst. Wir haben einen Sitz im Aufsichtsrat des FC Bayern und damit eine Stimme im Diskurs. Und auch ein Interesse am wirtschaftlichen Wohlergehen des Vereins. Ich bin überzeugt, dass die Entscheider eine sehr erwachsene Diskussion geführt haben. Wir bewegen uns auf der großen Weltbühne. Es gibt hier unterschiedliche Sichtweisen auf kritische Themen, die ihre Berechtigung haben, solange sie einem gewissen Werteverständnis folgen.  

Sie hätten sich also nicht gewünscht, dass der FC Bayern bei Qatar Airways früher die Reißleine zieht? 

Unter Abwägung wirtschaftlicher und anderer Aspekte haben der FC Bayern und Qatar Airways die Entscheidung sicherlich zum richtigen Zeitpunkt getroffen. 

Das Hamburger Volksparkstadion wurde dreimal umbenannt, hieß im Volksmund aber immer Volksparkstadion. Wie wichtig ist es, wie im Falle der Allianz Arena, von Anfang an den Namen des Sponsors zu tragen? 

Unsere Grundregel ist: Sei von Anfang an dabei. Dadurch wird man ganz anders wahrgenommen, auch von Fans: Man ist ein Ermöglicher, kein kommerzieller Partner. Ohne die Allianz hätte es die Allianz Arena nicht gegeben. Wenn dann auch noch echte Allianz-Expertise Teil des Kundenerlebnisses ist, dann ist es natürlich cool. Wir haben die Fluchtwege in der Allianz Arena mitentwickelt und damit einen Beitrag zur Sicherheit geleistet. 

Und trotzdem gibt es diese wenigen Momente, in denen das Stadion nicht so heißen darf, wie es eigentlich heißt, vor allem bei internationalen Wettbewerben. Was auf den ersten Blick ein Nachteil ist, nutzen sie als Marketinginstrument. 

Am Anfang war der Aufschrei groß: Kaum hat man die Arena, mussten die Buchstaben schon wieder runter. Anstatt sie irgendwo unterzustellen, haben wir den Allianz-Arena-Schriftzug auf das Haus der Kunst montiert. Und seitdem fallen uns immer wieder ganz schöne Dinge ein, wo wir die Buchstaben platzieren können. Auch für die EM haben wir Ideen. 

Wenn sie einen Wunsch für das Sportjahr 2024 hätten, welcher wäre das? 

Etwas Großes: Wirklich friedliche Sportveranstaltungen. Und noch mehr Aufmerksamkeit für die Paralympischen Spiele – Paris wird stark auf Inklusion setzen. Natürlich wünscht sich der Marketer immer auch mehr Geld, das er investieren könnte. Aber auch so können wir das Richtige und Wichtige tun. Und: Wir bedauern als Fans des FC Bayern natürlich, wenn eine Saison mal nicht so gut läuft. Auf der anderen Seite leidet der Unterhaltungswert der Bundesliga darunter nicht. Und das ist für uns als Marke natürlich auch relevant. 

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.