„Wir machen Kundenbindungsprogramme fit für das digitale Leben“

Das Mannheimer Tech-Startup Stocard hat sich vorgenommen, mit ihrem Mobile Wallet das Portemonnaie bald vollständig zu digitalisieren. Im Interview spricht Geschäftsführer Björn Goß über die Idee dahinter und die Kundenkarte des 21. Jahrhunderts.
Stocard ist eine App, die das Kartenwirrwarr aus der Geldbörse verbannt

Stocard wurde 2011 gegründet, hat inzwischen die Acht-Millionen-Nutzer-Marke überschritten und erhielt vor kurzem vier Millionen Euro Funding. 

Wieviele Kunden-­ und Rabattkarten habt ihr noch in der Geldbörse?

Tatsächlich gibt es zwei Gruppen von Stocard­-Nutzern: Die einen haben Unmengen von Kundenkarten in ihren Geldbeuteln, Stocard nimmt ihnen diesen “Plastikballast” ab. Die anderen haben erst gar keine Kundenkarten, weil es enorm umständlich ist und die Karten nicht mehr zeitgemäß sind – wollen aber trotzdem gerne Geld sparen. Zu der zweiten Kategorie zählen auch wir: Wir hatten nie viele Kundenkarten, weil der Platz im Geldbeutel neben Führerschein und Krankenversicherungskarte ohnehin schon rar ist. Mittlerweile habe ich in meiner Stocard App 13 Karten meiner Lieblingsgeschäfte.

Ganz schön viele. Welche ist die Neueste?

Meine 13. Karte habe ich erst letzte Woche ergattert, als mich meine Freundin dazu animierte, unseren Balkon mit Pflanzen zu bestücken. Bei Pflanzen Kölle habe ich die Kundenkarte angenommen und zu Stocard hinzugefügt. Schon am selben Wochenende hat mich die App darauf aufmerksam gemacht, dass mir 33 Punkte gutgeschrieben wurden, die ich gleich beim nächsten Einkauf einsetzen kann. Dieses Gefühl, dass mein Einkauf wertgeschätzt wird, habe ich erst durch Stocard bekommen. Das ist für mich reibungslose Kundenbindung.

Ist die Generation Y nicht eine, die keine Payback­Karten/Rabattkarten mehr nutzt? Ich zum Beispiel besitze so Karten nicht.

Es stimmt, dass die jüngere Generation solche Treue­ und Bonusprogramme weniger nutzt – weil diese Plastikkarten nicht mehr zeitgemäß sind. Das wollen wir mit Stocard ändern, und die Kundenkarte in das 21. Jahrhundert holen. Als Digital Native hat man ja sein ganzes Leben auf dem Smartphone, und zwar in Echtzeit: Von Health­ und Fitness­ über News­ bis hin zu Shopping-Apps. Warum also nicht auch Kundenbindungsprogramme fit für das digitale Leben machen? Die Generation Y hat schließlich auch ein Interesse daran, beim Shoppen Geld zu sparen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Vor einigen Jahren besaß Davids Freundin noch zwei Portemonnaies: Eines mit Kundenkarten und eines ohne, zum Weggehen. Als David und ich Ende 2010 auf einem Roadtrip durch Australien waren, erzählte er mir eines Abends am Strand davon. Schon war die Idee geboren, Kundenkarten mit einer App einfach digital zu bündeln. Bereits auf dem Flug zurück nach Mannheim schmiedeten wir konkrete Pläne. Zuhause holten wir uns noch unseren dritten Mitgründer Florian ins Boot. Ein paar Monate später ging die App an den Start.

Wie sieht die Technik dahinter aus?

Wir versuchen stets, die Benutzung der App für den User so einfach wie möglich zu halten und die bestmögliche User Experience zu bieten. Um aber sowohl Händlern als auch Konsumenten komplexe Services anbieten zu können, die beispielsweise die richtige Kundenkarte am richtigen Ort vorschlagen oder Angebote der Werbetreibenden gezielt auszusteuern, bedarf es im Hintergrund jeder Menge Technik. Technologieaffinität und Innovationsgeist sind tief in der DNA unseres Unternehmens verwurzelt. Ein großer Teil unseres Teams besteht daher aus Software-­Entwicklern und Mobile-Experten, die alles inhouse entwickeln. An vorderster Front verantwortet unser CTO Florian die Entwicklung der App.

Und wer macht bei euch eigentlich was?

David (Handlos) verantwortet als Co­CEO die Bereiche Marketing und Vertrieb und ist dafür zuständig, dass wir auf der ganzen Welt eine breite Nutzerbasis aufbauen. Unser CTO Florian (Barth) ist als leidenschaftlicher “Techie” für die Entwicklung der App verantwortlich. Ich kümmere mich als Co­CEO um die Beziehungen zu unseren Händlern und Partnerunternehmen und treibe strategisch wichtige Projekte voran, wie aktuell z. B. die Integration einer Bezahlmöglichkeit.

Wie sieht die Zukunft von Stocard aus, wo wollt ihr hin?

Unsere Vision ist es, den Geldbeutel vollständig zu digitalisieren. Der Fokus lag immer schon darauf, den Mobile Shopper zu verstehen und unseren Nutzern den größtmöglichen Mehrwert zu bieten. Bisher haben wir uns deshalb – im Gegensatz zu vielen anderen Wallets – auf Mobile Loyalty, also die Digitalisierung und Verwaltung von Kundenkarten per Smartphone, konzentriert. Kürzlich haben wir eine Funktion integriert, um auch den Kundenkartenantrag digital über die App abwickeln zu können. Der umständliche Prozess, im Geschäft ein Formular auszufüllen und anschließend die Plastikkarte zugeschickt zu bekommen, erübrigt sich damit.

Bald werden wir außerdem eine Mobile Payment Funktion anbieten und somit ein komplettes Mobile Wallet realisieren. Wir möchten mit Stocard einfach ein ganz neues Einkaufserlebnis schaffen: Vom Beantragen und dem Einsatz der Kundenkarte über personalisierte Rabattangebote bis hin zur mobilen Zahlung. Die Beziehung zwischen Händler und Kunde wird dabei immer die wichtigste Rolle spielen.