Visuelle Positionierung: Was nun, Uncle Ben’s und Aunt Jemima?

Im Zuge der Anti-Rassismus-Debatte haben sich die US-Lebensmittelmarken Uncle Ben's und Aunt Jemima entschieden, ihre etablierten Markenlogos zu ändern. Das stellt die beiden Hersteller vor eine schwierige Aufgabe: Ein Markenmotiv kann den großen Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.
Die Optik dieser Produkte kann vom Kunden als rassistisch empfunden werden. Nun haben sich die Hersteller für ein Redesign entschieden. (© Imago)

Am 18. Juni dieses Jahres lautete eine Headline auf „Zeit Online“: „Rassismusdebatte: Uncle Ben’s und Aunt Jemima ändern Markenlogo“. Damit stehen die Verantwortlichen beider Marken vor einer enormen Herausforderung, weil man nicht nur die visuelle Positionierung der Marke ändern muss, sondern weil diese auch direkt mit dem Markennamen verbunden war. Erschwerend kommt hinzu, dass die jeweiligen Abbildungen zudem der visuelle Anker am Point of Sale waren und noch sind. Das heißt: Der Wiedererkennungswert beruhte und beruht aktuell immer noch auf den beiden abgebildeten Figuren.

Wie gefährlich aus Markensicht hier visuelle Veränderungen sein können, zeigte vor einigen Jahren das Beispiel Tropicana in den USA. Über Jahrzehnte war die visuelle Positionierung dieser Marke auf der Verpackung und in der Werbung eine Orange, in der ein Strohhalm steckte. Damit verstärkte man die verbale Positionierung, dass Tropicana aus frischgepressten Orangen und nicht aus Konzentrat gemacht ist. Im Zuge eines Verpackungsredesigns wurde die Orange mit Strohhalm als „altmodisch“ empfunden und entfernt. Das hatte zwei Folgen: Der Umsatz brach um 20 Prozent ein und die Orange mit Strohhalm feierte ein Comeback.

Der Ansichtskarten-Test

So gesehen wird es weder für Uncle Ben’s noch für Aunt Jemima genügen, dass man einfach die Bilder dieser beiden Figuren entfernt. Man wird sich zudem massiv Gedanken machen müssen, wie man diese beiden speziell auch am Point of Sale durch eine neue, ebenbürtige visuelle Positionierung ersetzen kann. Dabei können Marken generell vom Tourismus lernen.

So haben starke Tourismusmarken in der Regel auch ein starkes Bild, das vor allem für Ansichtskarten geeignet ist: Sie sehen ein Bild der Freiheitsstatue vor der Skyline und Sie denken an New York. Sie sehen ein Bild der Towerbridge und Sie denken an London. Sie sehen ein Bild vom Eifelturm und Sie denken an Paris. Sie sehen das Bild eine Pyramide und Sie denken an Ägypten. Sie sehen ein Bild mit weißen Häusern und blauen Fensterrahmen in mediterraner Stimmung und Sie denken an Santorin.

Apple und McDonald’s würden sich leicht tun

Wie aber sieht es bei Marken aus? Wie viele Marken sind wirklich visuell so stark positioniert, dass man diese – ohne verbale Unterstützung – sofort mit einem Bild auf einer Art „Markenansichtskarte“ richtig zuordnen könnte? Für Uncle Ben’s und Aunt Jemima wäre das aktuell noch einfach.

Aber auch für Apple wäre es keine große Herausforderung. Es wäre etwa der angebissene weiße Apfel auf schwarzem Hintergrund. Wie würde es aber für Samsung, Huawei, Oppo oder OnePlus bei Smartphones aussehen? Für McDonald’s wäre es einfach, eine Ansichtskarte mit den goldenen Bögen zu entwickeln, für Burger King wäre das sicher viel schwieriger. Oder nehmen Sie das Rote Kreuz! Hier wäre es extrem einfach. Ganz anders sieht die Situation aus, wenn man an den Arbeiter-Samariter-Bund, die Johanniter oder die Malteser denkt. So sieht man in der Regel auf den „ersten Blick“ auch nur Rot-Kreuz-Fahrzeuge, weil sich die Designs zu ähnlich sind. Oder nehmen Sie die vier großen Sportartikelmarken Nike, Adidas, Puma und Reebok. Für die ersten drei wäre es sehr einfach, diese Karte zu entwerfen. Wie aber sieht das aktuelle Logo von Reebok aus?

Auf den wichtigsten Kontaktpunkt fokussieren

So verkaufen sich heute viele Marken alleine deshalb unter Wert, weil sie am Markt visuell zu wenig wahrgenommen werden. Zudem gilt: Man sollte unbedingt darauf achten, dass der visuelle Fokus der Marke an möglichst vielen Kundenkontaktpunkten funktioniert. So gesehen ist die Limette von Corona genial. Sie ist nicht nur das Schlüsselbild der Marke in der Werbung, sondern auch Verstärker der Marke in der Gastronomie. Das „Gewässer“ von Krombacher mag in der Werbung genial sein, es hat aber keine Kraft am Point of Sale, weder im Handel noch in der Gastronomie.

Oder nehmen Sie Flixbus! Wie sieht das Logo dieser Marke aus? Die Antwort auf diese Frage ist zweitrangig, denn auf einer Markenansichtskarte und in der Wahrnehmung der Kunden sind die grünen Busse selbst die visuelle Positionierung. Aus dieser Warte betrachtet kommt jeweils eine Markenmonsteraufgabe auf Uncle Ben’s und Aunt Jemima zu, wenn man das gelernte Schlüsselbild, das sowohl am Point of Sale als auch in der Werbung funktioniert, aufgrund der aktuell anhaltenden Anti-Rassismus-Proteste in den USA ersetzen will beziehungsweise muss.

Frage dazu: Wie sieht die visuelle Positionierung Ihrer Marke aus? Wie einfach wäre es, eine Markenansichtskarte für Ihre Marke zu erstellen, die ohne verbale Erklärung funktioniert? Nur genau dieses eine Markenmotiv kann den großen Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.