Der Handelsverband Deutschland (HDE) verschärft seine Kritik am chinesischen Online-Händler Temu – und geht nun juristisch gegen das Unternehmen vor. Wie der Verband mitteilt, wurde eine Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht. Im Kern geht es um Preisvorgaben, die Temu offenbar systematisch gegenüber Händlern durchsetzt, die über die Plattform verkaufen.
„Temu entzieht Geschäftspartnern die Preissetzungshoheit“
„Die Vorwürfe gründen darauf, dass Temu den Geschäftspartnern, die Waren über die Plattform verkaufen, die Preissetzungshoheit entzieht“, teilte der HDE mit. Konkret schreibe Temu den dort verkaufenden Händlern vor, dass deren Preise „maximal 85 Prozent dessen betragen dürfen, was sie für ein vergleichbares Produkt auf anderen Plattformen erzielen würden“. Darüber hinaus, so der Verband, „behält sich Temu gegenüber den Verkäufern zugleich auch vor, selbst über die Höhe der finalen Verkaufspreise zu entscheiden.“
Aus Sicht des HDE ist dieses Vorgehen nicht nur wettbewerbsrechtlich fragwürdig, sondern rechtswidrig. Der Verband sieht darin einen Verstoß gegen das Kartellrecht und hat deshalb eine Beschwerde bei der zuständigen Behörde eingereicht.
Mängel bei Sicherheit und Transparenz
Doch damit nicht genug. Der HDE kritisiert Temu auch wegen gravierender Mängel bei Produktsicherheit und Verbraucherschutz. Zahlreiche Testkäufe hätten gezeigt, dass viele Produkte auf Temu häufig nicht den Produktsicherheitsvorschriften entsprächen. Die Haltung des Verbandes ist klar: „Wer hierzulande Waren anbietet und verkauft, muss sich auch an unsere Regeln und Gesetze halten.“
Die Vorwürfe betreffen damit nicht nur einzelne Händler, sondern die Funktionsweise der Plattform selbst und die Frage, wie sich Plattformen der Verantwortung für die angebotene Ware entziehen können. Die Kritik reiht sich ein in eine breitere Debatte um Anbieter wie Shein oder Wish, die mit ähnlich Praktiken aufgefallen waren.
Der HDE kritisiert das Vorgehen solcher Shoppingportale seit Langem. Im Visier stehen dabei nicht nur Preisvorgaben, sondern auch problematische Praktiken wie falsche Rabattaktionen, gefälschte Bewertungen sowie fehlende und irreführende Informationen zu Rechtsansprüchen der Verbrauchenden.
Temu hingegen zeigt sich zuversichtlich bezüglich der Anschuldigungen. Gegenüber der absatzwirtschaft erklärte das Unternehmen: „Wir halten uns an die geltenden Gesetze und Vorschriften in den Märkten, in denen wir tätig sind. Wir setzen uns für eine gute Zusammenarbeit mit allen Akteuren und ein positives Erlebnis für unsere Nutzerinnen und Nutzer ein. Wir sind zuversichtlich, dass alle damit verbundenen Bedenken erfolgreich gelöst werden können.“
Temu: Wettbewerbsverzerrung mit Ansage
Sowohl die Bundesregierung als auch die EU haben angekündigt, Plattformen wie Temu künftig schärfer kontrollieren zu wollen. Neue gesetzliche Rahmen wie der Digital Services Act (DSA) und der Digital Markets Act (DMA) sollen Plattformen verpflichten, Verantwortung für den Handel über ihre Systeme zu übernehmen, auch wenn sie formal nicht selbst Verkäufer sind.
Die Vorwürfe des HDE treffen einen wunden Punkt des digitalen Handels: Plattformen, die mit aggressiver Preisstrategie und wenig Transparenz bestehende Standards unterlaufen und damit einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Für Anbieter mit Sitz in der EU, die sich an geltendes Recht halten müssen, wird es zunehmend schwer, mitzuhalten. Der Verband sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung zulasten regelkonformer Unternehmen und ein Risiko für den fairen Handel.
Ob das Bundeskartellamt im Fall Temu einschreitet, wird sich zeigen. Die Behörde kann Maßnahmen ergreifen, wenn etwa marktbeherrschende Unternehmen ihre Stellung missbrauchen oder unzulässige Preisbindungen vorliegen. Solche Verfahren sind allerdings komplex und dauern oft Monate.
Gleichzeitig wächst der politische Druck, digitale Marktplätze stärker in die Pflicht zu nehmen. Die Beschwerde gegen Temu dürfte deshalb über den konkreten Fall hinaus Signalwirkung entfalten und zeigen, ob das Wettbewerbsrecht in der internationalen Plattformökonomie noch greift.
Mit Material der dpa.
