Podcast-Vermarktung: „Es gibt noch wenig Standardisierung“

Marcus Englert, Gründer und Investor des Münchner Start-ups Julep, ordnet im Interview den Markt der Podcast-Werbung ein, spricht über die Rolle von Spotify und berichtet von Umsatzzuwächsen während der Corona-Krise.
Julep
Julep-Gründer Englert über Podcast-Werbung: "Wenn ihr selbst vermarkten möchtet, tut das. Jeder Euro von uns ist ein Zusatzerlös." (© Julep)

Herr Englert, wie fiel die Entscheidung zur Gründung von Julep?

MARCUS ENGLERT: Ich könnte ja jetzt sagen, dass wir eine aufwendige Studie aufgesetzt haben. Haben wir nicht. Wir haben mit Marktteilnehmern gesprochen und uns Zahlen geholt, soweit sie verfügbar waren: Wie groß ist der Markt in den USA, wie wächst er, kann das in Deutschland ähnlich laufen? Danach waren wir sicher, dass wir eine Lücke gefunden haben.

Das Feld ist wettbewerbsinten­siv. Sehen Sie große Player wie Spotify als Partner oder als Konkurrenten?

Sowohl als auch. Der Podcast-Markt wird nicht von einem Anbieter bestimmt, es gibt neben Spotify auch Apple Music und Deezer, um nur einige zu nennen. Für jemanden wie uns, der einen klaren Fokus auf das Mid-Tail-Segment hat, ist noch Platz. Generell sehe ich Konkurrenz nicht so kritisch in einem Markt, der wächst. Für uns ist wichtig, dass Podcaster über große Plattformen ihre Reichweite steigern können, die wir dann vermarkten. Insofern ist Spotify ein wichtiger Partner für uns.

Die schwedische Firma Acast positioniert sich ähnlich wie Julep.

Eine gute Idee hat immer Wettbewerb! Der Markt ist sehr dynamisch, und ich kann nicht ausschließen, dass wir morgen Konkurrenten haben werden, die wir heute noch gar nicht kennen. Das macht uns keine Sorge. Wir sind ein erfahrenes und schnelles Team, haben eine tolle Technik und gute Leute.

Aber viel Zeit bleibt Ihnen nicht.

Wir müssen schnell sein, aber unsere Ausgangsposition ist gut. Wir haben trotz Corona beachtliche Umsatzzuwächse verzeichnet. Es gibt auch noch relativ wenig Standardisierung in diesem Bereich. Die Technologie zur Vermarktung ist ganz am Anfang, so wie bei Video vor zwölf Jahren. Mich erinnert das an Smartclip. Die haben sich seinerzeit als unabhängiger Videovermarkter etabliert, gegen alle großen, auch zum Beispiel gegen eine Seven One Media. Der Markt hat das erlaubt.

Ist Smartclip ein Vorbild für Julep?

Eher eine Analogie. Die haben es gut gemacht. Aber wir schauen jetzt nicht jeden Tag, wie Smartclip vorgegangen ist.

Gibt es Podcaster, die werbefrei bleiben möchten?

Ja, die gibt’s. Aber es sind wenige. Ich vergleiche das gern mit Influencern: Fast alle wollen Geld verdienen, aber viele tun es nicht, weil sie zu klein sind oder nicht wissen, wie sie es anpacken sollen. Bei uns sind Podcaster Teil eines Netzwerks. Deshalb reagieren die meisten sehr aufgeschlossen. Auch weil wir keine Exklusivität verlangen. Wir sagen: Wenn ihr selbst vermarkten möchtet, tut das. Jeder Euro von uns ist ein Zusatzerlös.

Wie sehen Ihre Wachstumspläne aus?

Wir wollen innerhalb der nächsten zwölf Monate auf 1000 Podcasts kommen. Zum Vergleich: Heute liegen wir bei 150 Podcasts, angefangen haben wir mit 30. Im Werbemarkt zielen wir kurzfristig auf ein monatlich sechsstelliges Buchungsvolumen. Wir sind unter dem Label Julep Studios auch in die Produktion eingestiegen und entwickeln eigene Podcasts. Das ist eine zusätzliche Erlösquelle und diversifiziert unser Geschäft. Der dritte Bereich ist das Hosting, was technisch klingen mag, aber auch strategisch wichtig ist, weil man dadurch Zugriff auf Daten für Vermarktung und Produktion bekommt. Dieses Dreigestirn bildet die Grundlage für unser Wachstum.

Auch international?

Ja, das ist übertragbar. Wir sehen England als wichtigen Markt, auch weil wir glauben, dass es gegebenenfalls die ­Basis für Amerika ist. Frankreich und Skandinavien sind ebenfalls spannend.

Wie schnell können Sie expandieren?

Ich hätte mir gewünscht, dass wir noch in diesem Jahr anfangen. Durch Corona ist das erste Halbjahr 2021 realistischer.

Bei der Facebook-Konkurrenz StudiVZ oder dem Maker-Shop Dawanda haben wir gesehen, wie schwer es ist, sich gegen die Dominanz der US-Konkurrenz zu behaupten.

Es ist traurig zu sehen, wie schwer es für deutsche Unternehmen ist, eine globale Skalierung hinzukriegen. Aber das waren alles B-to-C-Beispiele. Wir sind ein B-to-B-Geschäft. Das funktioniert besser mit lokaler Verankerung, gerade beim Native Advertising, wo es auf gewachsene Kontakte ankommt und auf kulturelle Feinheiten.

Und wenn sich der Hype um Podcasts abschwächt?

Ein Start-up ist immer eine Wette. Wir beobachten die Entwicklung in den USA. Dort gibt es schätzungsweise 800.000 Podcasts, der Werbemarkt beläuft sich auf 900 Millionen Dollar. Deutschland dürfte der Entwicklung um zwei bis drei Jahre hinterher sein. Da haben wir also noch ziemlich viel Luft.

Julep ist erst im Februar gestartet. Ein erfahrener Investor wie Sie macht sich sicher trotzdem schon Gedanken über einen Exit?

Ein Exit kann grundsätzlich in drei Richtungen gehen. Erstens ein Börsengang – der ist aber momentan nicht unser Ziel. Internationale Marktpartner könnten sich ebenso für uns interessieren wie Tech-Konzerne, die im Audio-Umfeld eine aktive Rolle spielen, oder Medienhäuser, die sich für Werbetechnologie interessieren. Nicht falsch verstehen: Wir reden mit keinem, das ist viel zu früh. Vielleicht sind wir eines Tages auch selbst der Kopf eines internationalen Podcast-Netzwerks. Das würde mir gefallen.

Einen ausführlichen Artikel über das Geschäftsmodell von Julep lesen Sie in der aktuellen Print-Ausgabe der absatzwirtschaft, die Sie hier bestellen können.

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.