Podcast-Advertising wird programmatisch

Werbung in Podcasts ist oft noch Handarbeit. Doch die daten­gestützte Vermarktung schreitet voran. ­Wie Adserver und Datenplattformen Kampagnen effizienter machen.
Die technischen Grundlagen für Programmatic Podcast-Advertising sind bereits vorhanden. (© Stocksy)

Kürzlich musste der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) seine Prognose der Online-Audio-Werbe­umsätze für 2021 auf 90 Millionen Euro nach oben korrigieren: Wesentlichen Anteil daran hatte das Podcast-Advertising, das dazu rund 30 Millionen Euro beisteuerte. Für dieses Jahr prognostiziert der Verband 39 Millionen Euro Umsatz für die Podcast-Werbung. Die Summe erscheint im Vergleich zu anderen Kanälen noch klein, aber das Wachstum ist steil. Bewahrheitet sich die Prognose, wäre dies ein Umsatzanstieg von 30 Prozent. Ein zunehmendes Angebot und neue technologische Möglichkeiten treiben die Zahlen nach oben – und steigern die Attraktivität für die Werbevermarktung und den Media­einkauf gleichermaßen. Durch Bündelung der Angebote entstehen interessante Reichweiten für Werbetreibende; Automatisierungen machen die Vermarktung lukrativer.

Noch ist das sogenannte Host-Read Ad im Podcast-Bereich dominierend – ein Werbeformat, bei dem der Spot vom Podcast-Host persönlich eingesprochen wird. Hohe Authentizität ist damit garantiert. Doch dieses Format ist aufwendig. Umfassende Briefings und Absprachen sind erforderlich. Außerdem werden Host-Read Ads zum großen Teil fest in die jeweilige Podcast-­Folge integriert. Der Nachteil dieser „Baked-in Ads“ ist, dass sie für immer im Podcast verbleiben. Wer alte Podcast-Folgen hört, hört unter Umständen auch Werbung längst vergangener Marken oder für nicht mehr erhältliche Produkte.

Mit Marketing Tech hingegen lässt sich das gesamte Podcast-Advertising effizienter und flexibler gestalten. Insbesondere dem Programmatic Advertising wird im Podcast-Bereich eine große Zukunft vorausgesagt. Andere Kanäle wie Online-Display-Ad­ver­tising oder Digital Out-of-Home (DOOH) haben diese Automa­tisierungswelle bereits weitgehend hinter sich oder befinden sich mittendrin. Podcast-Advertising steht am Anfang.

Die technischen Grundlagen für Programmatic Podcast-Advertising sind bereits vorhanden. „Durch Dynamic Ad Insertion (DAI) ist programmatisches Einspielen von Podcast Ads möglich“, sagt Tina Jürgens, Geschäftsführerin des Podcast-Full-Service-Netzwerkes zebra-audio.net. Mit DAI können Audiospots dynamisch in Inhalte eingefügt und jederzeit ausgetauscht werden, unabhängig davon, ob es sich um aktuelle oder alte Folgen handelt. Ebenso existieren die entsprechenden Supply ­Side Platforms (SSP) und Demand ­Side Platforms (DSP). „Diese können relativ unkompliziert an die Adserver angeschlossen werden“, sagt Jürgens. Folgerichtig gibt es bereits Anbieter, die programmatisch arbeiten. Das Prinzip von Einbuchung und Ausliefe­rung ist dem Ablauf in anderen Kanälen ähnlich – der Unterschied besteht lediglich darin, dass hier Audio-Inventar angeboten und Audio-Formate ausgeliefert werden.

Vodafone nutzt dynamische Podcast Ads

Wie Marketing Tech in der Praxis eingesetzt werden kann, zeigt eine Vodafone-­Kam­pagne, die über den Audiovermarkter RMS lanciert wurde. Darin wurden dyna­mische Podcast Ads eingesetzt, die sich in Echtzeit in der Kreation an den Nutzer anpassten. Vodafone nutzte – unterstützt von RMS-Experten – für die Kreation den „Spot Creator“. Diese Self-Service-Plattform von RMS bildet den gesamten Gestaltungsworkflow von Podcast Ads webbasiert ab und ermöglicht es, verschiedene Varianten eines Spots zu erstellen. Ausgespielt wurde unter anderem ein Pre-Roll-Presenter-Spot, dessen Soundbett zu dem jeweiligen Podcast-Umfeld passte. Weitere Spots unterschieden zwischen Bestandskund*innen und Kund*innen von Wettbewerbern. Insgesamt wurden 26 verschiedene Podcast-Ad-Varianten eingesetzt, die dynamisch generiert wurden.

„Ein Dynamic Podcast Ad ist das beste Pendant zu einem Host-­Read Ad“, sagt Katharina Zeschke, Leiterin Business Development bei RMS. Die Technik ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass für eine Kampagne je nach Podcast-Umfeld und Zielgruppe in­di­viduelle Audio-Snippets produziert werden, die dann über den Adserver in Echtzeit individuell zu ganzen Spots zusammengesetzt und skalierbar ausgespielt werden. Laut einer Umfrage im Nachgang der Vodafone-Kampagne bemerkten 41 Prozent der Befrag­ten, dass sich der Spot dynamisch an das Genre anpasste. Bei der Hälfte von ihnen hat dies dazu geführt, dass sie Vodafone als Anbieter in Betracht ziehen. „Je personalisierter ein Spot ist, des­to besser funktioniert er im Podcast-Umfeld“, sagt Zeschke. Für die zielgruppen­genaue Auslieferung kann RMS eine haus­eige­ne Data Manage­ment Platform für Au­dio (Audio DMP) hinzuziehen. Neben eige­nen Daten greift die Audio DMP auch auf die Ergebnisse einer Podcast-Studie des Vermarkters zu, die mit 5000 detailliert be­frag­ten Podcast-Nutzer*innen zahlreiche Insights für die automatisierte Vermarktung liefert.

Das gesamte RMS-Inventar ist bereits programmatisch buchbar. Allerdings hält der andauernde Fokus auf Host-Read Ads im Podcast-Bereich viele Advertiser noch vom automatisierten Mediakauf ab. „Podcast-Advertising wird häufig mit den aufwen­digen Host-Read Ads gleichgesetzt, deren Einsatz sich meist nur in wenigen Top-Podcasts lohnt“, sagt Zeschke. Außerdem hätten Marketer für programmatische Einbuchungen bisher häufig nur Radio­spots verfügbar – was für den Audiovermarkter ein Grund war, den „Spot Creator“ zu entwickeln, mit dem diese Radio­spots für die Podcast-Umfelder adaptiert werden können. Bisher machen programmatische Einbuchungen bei RMS im Podcast-Bereich erst einen Anteil von rund zehn Prozent aus – 90 Prozent sind klassische IO-Buchungen. Die Auslieferung hingegen erfolgt zu 100 Prozent via Adserver, also vollständig automatisiert.

Noch besteht Aufklärungsbedarf

Auch aus Sicht von Jürgens ist es ein Knackpunkt, dass die Entwicklung der passenden Werbemittel noch nicht weit genug fort­geschritten und standardisiert ist. „Um den Bereich Program­matic Advertising im Podcast weiter auszubauen, sollten bei der Produktion von Werbemitteln im Online-Audio-Bereich podcast­native Werbemittel mitgedacht und mitproduziert werden“, so Jürgens. Doch es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Kinderkrankheiten im gesamten Markt überwunden sind.

Die Fokusgruppe Digital Audio im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) schätzt die zukünftige Entwicklung von Podcast-Umsätzen im DACH-Raum vielversprechend ein. „Eine dynamische Ad Insertion kann zu einer signifikanten Forcierung programmatischer Umsätze führen, da mit dynamischer Werbeaussteuerung in der Regel eine Konnektivität zu programmatischen Vermarktungssystemen einhergeht“, erläutert Thomas Kabke-Sommer, Geschäftsführer von Crossplan Deutschland und Mitglied der Fokusgruppe Digital Audio. Aus seiner Sicht müssen Podcasts wie alle anderen digitalen Inhalte einfach, effizient sowie skalierbar gebucht werden können. Die Branche scheint diesbezüglich also auf einem guten Weg. Auch Zeschke ist optimistisch. Sie prognostiziert: „Programmatic wird weiter wachsen.“

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.