Kaufentscheidung durch Adrenalin: Wie man Kunden wachrüttelt

Wer schläft, der kauft nicht. Nur: Zahlreiche Verkaufsszenarien senken den Adrenalinspiegel eher, als diesen zu erhöhen, wie ein Blick in die Gesichter der Kunden verrät – eine Gedankenlosigkeit mit fatalen Auswirkungen, sagt Florian Becker und plädiert für mehr Aufregung am POS.

Von Gastautor Florian Becker

Im Alltag unterscheiden wir gemeinhin zwischen zwei Zuständen: Jemand schläft oder jemand ist wach. Tatsächlich besteht ein feineres Kontinuum, auf dem es verschiedenste Zustände geben kann. In der Psychologie sprechen wir von allgemeiner Aktivierung, zu Englisch „Arousal.“

Adrenalin stimuliert emotionale Reaktionen

Diese reine Erregung des Nervensystems wurde schon früh experimentell beeinflusst, um Auswirkungen zu sehen – und diese sind weitreichend. So zeigte sich etwa, dass Personen, denen Substanzen injiziert wurden, die sich wie Adrenalin verhalten (Testgruppe), wesentlich emotionaler auf positive aber auch auf negative Ereignisse reagierten als Personen, denen man Kochsalzlösung gespritzt hatte (Kontrollgruppe).

Diese Erregung ist einer der stärksten Einflüsse auf das Kundenverhalten, der aber häufig nicht systematisch gesteuert wird. Die wichtigsten Forschungsergebnisse sind:

  1. Je erregter Kunden sind, desto höher ist deren Informationsverarbeitung. Das zahlt sich direkt aus: Mehr Angebote werden wahrgenommen (und haben damit erst die Chance gekauft zu werden) und Werbemaßnahmen werden besser verarbeitet.
  2. Je höher die Aktivierung, desto besser bleiben verarbeitete Informationen im Gedächtnis. Bedeutet: Marketingkommunikation bleibt im Gedächtnis der Zielgruppen verankert.
  3. Mit zunehmender Aktivierung werden Emotionen intensiver. Das rechnet sich: Ein Angebot das den Kunden schon ein wenig gefällt, gefällt dann umso besser, wird eher gekauft.
  4. Je aktivierter Kunden sind, desto eher treffen Sie Entscheidungen, auch Kaufentscheidungen. Aktivierung hängt somit auch über Entscheidungsverhalten direkt mit dem Absatz zusammen.

Aktivierung zahlt sich also direkt aus. Nicht weil Kunden, die wenig aktiviert sind, tatsächlich einschlafen würden. Sie nehmen aber weniger Angebote wahr, verarbeiten Marketing-Kommunikation nicht nachhaltig, bewerten Angebote weniger positiv und treffen letztlich seltener Kaufentscheidungen.

Wie können Kunden erregt werden?

Klar ist, dass es nicht um emotional negative Erregung geht, sondern um neutrale bzw. gerne auch positive. Wer dieses psychologische Ziel bewusst priorisiert, kommt schon mit gesundem Menschenverstand sehr weit. Es gibt allerdings einige Maßnahmen, die es lohnt, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Im persönlichen Kundenkontakt etwa: Hier haben Mitarbeiter den größten Einfluss auf die Aktivierung des Kunden, beispielsweise durch:

  • Energetische Mitarbeiter, die dieses ausstrahlen. Menschen stecken andere mit ihren Emotionen an, dafür gibt es sogar eigene Nervenzellen im Gehirn. Wehe dem also, der hier die falschen Mitarbeiter auf die Kunden los lässt. Die Personalauswahl wird zu einem wichtigen Faktor, es gilt sich die emotionale Ansteckung von Verkäufern auf Kunden nutzbar zu machen.
  • Verlegung von Terminen auf Zeitfenster mit hoher Aktivierung im Tagesverlauf. In der Psychologie spricht man von circadianer Aktivität. Die Phasen zwischen 7 und 11 Uhr und zwischen 15 bis 18 Uhr sind besonders günstig, wobei es je nach Zielgruppe Unterschiede gibt. Ältere Kunden sind beispielsweise eher am Vormittag optimal aktiviert.
  • Das Nennen des Namens von Kunden (idealerweise sogar inklusive Vornamen). Von Kindheit an hören wir auf unseren Namen. Wenn er fällt, werden wir unwillkürlich wach, fühlen uns angesprochen und reagieren mit erhöhter Erregung. Das lässt sich im Vertrieb einsetzen, indem man während eines Gesprächs öfter (aber natürlich nicht zu auffällig) den Namen des Gegenüber erwähnt.
  • Das Stellen von Fragen. Wer gefragt wird, muss reagieren und ist zwangsläufig aktiv. Nebenbei lassen sich so wichtige Informationen gewinnen und durch vertraulichere Themen Beziehungen festigen.
  • Berühren der Kunden. Studien haben gezeigt, dass Kunden, die während einer Kaufsituation berührt wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit kaufen. Die Ursache lässt sich auf allgemeine Aktivierung zurückführen, mit der wir auf Berührungen reagieren.
  • Anregende Aufgaben und Tätigkeiten. Wer den Kunden in Ruhe sitzen lässt, muss sich nicht über mangelnde Aktivierung wundern. Eine Verkaufssituation mit Aussagen wie „Kommen Sie mal mit, ich zeige Ihnen was!“, „Nehmen Sie mal das, wie gefällt Ihnen das!“ ist hier wesentlich besser für die Aktivierung.
  • Stimulanzien wie Kaffee oder geringere mengen Alkohol haben ebenfalls aktivierenden Einfluss auf Kunden. Darüber hinaus gibt es Forschungsergebnisse, die neben den aktivierenden Wirkungen von Kaffee oder einem Sekt auf positive Konsequenzen von kleinen Gefälligkeiten hinweisen, da Menschen sich verpflichtet fühlen, etwas zurück zu geben.

Gestaltung des POS mit allen Sinnen

Auch die Gestaltung des POS hat eine enorme Auswirkung auf den Aktivierungsgrad des Kunden. Hier können folgende Erkenntnis helfen:

  • Intensive Beleuchtung zieht nicht nur Insekten an, sondern auch Menschen. Kein Mensch geht gerne in eine dunkle Höhle – und Licht macht wach, die höhere Stromrechnung kann direkt mit dem Mehrertrag durch Aktivierung finanziert werden.
  • Hoher Sauerstoffgehalt. Zu wenig Sauerstoff macht schnell müde und entscheidungsunfreudig.
  • Überraschung und Neugier aktivieren Menschen. Ungewöhnliche und neuartige Gestaltungselemente und Angebote und die Möglichkeit Neues zu entdecken aktivieren.
  • Involvement und Aktivierung hängen eng zusammen. Was Kunden am Herzen liegt und ihre Motive anspricht, aktiviert diese auch. Für die Zielgruppe relevante Inhalte können über animierte Screens, Plakate oder auch in der Ausstellung platziert werden und geschickt mit den Angeboten verknüpft einen aktivierenden Kontext bilden.
  • Reize auf mehreren Sinneskanälen können den Kunden im vollen Spektrum treffen. Wer nur auf visuelle Maßnahmen setzt, verzichtet auf das Potenzial von aktivierenden Düften, Musik und Geräuschen sowie taktilen Reizen wie künstlichen Windstößen oder die Möglichkeit Dinge anzufassen.

Auch bei der Produktgestaltung, Kommunikationsmaßnahmen und Verpackungen lohnt es sich kritisch zu fragen: Tun wir hier genug, um den Kunden zu stimulieren und davon zu profitieren? Richtig eingesetzt wird allgemeine Aktivierung so zum maßgeblichen Umsatztreiber im Wettbewerb!

 

Über den Autor: Diplom-Psychologe Prof. Dr. Florian Becker ist Spezialist für Wirtschaftspsychologie und Buchautor. Er ist Gründungsmitglied der Wirtschaftspsychologischen Gesellschaft. Als Berater, Beirat und Executive-Trainer hat er langjährige Praxiserfahrung.