Deutschland steht an einem Scheideweg. Die vorgezogene Bundestagswahl ist mehr als eine Neuwahl – sie ist eine Richtungsentscheidung. Die politischen Erschütterungen der letzten Wochen zeigen, wie fragil die demokratische Ordnung ist. Friedrich Merz und die CDU haben mit den Stimmen der AfD einen Antrag zur Migrationspolitik durchgesetzt – ein Tabubruch, der die Grenzen des demokratischen Konsenses testet. Er verdeutlicht, wie sehr populistische und extremistische Strömungen in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Auch wenn der Antrag mittlerweile gescheitert ist, ist die Richtung vorgegeben: Menschenfeindlichkeit und verbale Entgleisungen sind wieder Teil des politischen Alltags – und abermals Wahlkampfthema der Mitte-Parteien.
Doch nicht nur in Deutschland verschieben sich die politischen Koordinaten. In den USA hat Donald Trump erneut das Ruder übernommen, und mit ihm kehrt ein Kurs zurück, der Diversity, Gleichstellung und soziale Verantwortung nicht als Stärke, sondern als Bedrohung ansieht. Weltkonzerne ziehen sich aus DEI-Programmen zurück – nicht einmal aus staatlichem Zwang, sondern freiwillig. Ein Schulterschluss mit dem politischen Klima, das auf Polarisierung setzt, während soziale Verantwortung als Marketinginstrument abgelegt wird wie eine ausgediente Werbekampagne.
Was hat das mit Werbung zu tun? Alles.
Marken haben eine Wahl: Sie können in Medien investieren, die für Pluralismus und faktenbasierte Berichterstattung stehen, oder sie können den bequemen Weg wählen und ihre Werbegelder in Plattformen stecken, die Desinformation und Hetze befeuern.
Unternehmen, die jahrelang von Diversity und Haltung profitiert haben, dürfen jetzt nicht kneifen. Wer Marktmacht hat, hat auch Verantwortung. Wer durch Purpose-Strategien Kunden gebunden hat, muss sich jetzt fragen: War das echte Haltung – oder nur ein Verkaufstrick? Andererseits sollen Unternehmen, die gegen demokratische Werte sind, Flagge zeigen und sich bekennen. Auch das ist Haltung (so wie im Fall Böttcher AG und der ominösen AfD-Parteispende).
Brand Safety bedeutet heute nicht nur, dass eine Marke neben den „richtigen“ Inhalten erscheint, sondern dass sie aktiv in (soziale) Medien investiert, die mit demokratischen Werten in Einklang stehen. Agenturen und Unternehmen tragen eine Verantwortung für den medialen Diskurs, der Demokratie ermöglicht – oder untergräbt.
Haltung: Die Werbewirtschaft kann sich nicht neutral verhalten
Die Bundestagswahl 2025 ist ein Wendepunkt. Die Werbewirtschaft kann sich nicht neutral verhalten. Es ist Zeit für klare Entscheidungen: für unabhängige Medien. Für demokratische Werte, für Haltung.
Wir wollen deshalb im Wahlmonat genau hinschauen und uns den Themen Value Media und Value Advertising widmen. Wie engagieren sich Marken in Bezug auf Nachhaltigkeit, Diversität und Social Responsibility? Was kommt dabei in der Bevölkerung an? Wie misst man den Nachhaltigkeitsbeitrag von Medien? Welche Bedeutung kommt Marken im demokratischen Diskurs zu?
Diese und weitere Fragen wollen wir in den nächsten Wochen beantworten.