Dynamic Pricing: Kein Wert für alle

Mithilfe von Big Data und Algorithmen können Händler ihre Preise heute in Echtzeit anpassen. Verbraucherschützern geht das mitunter zu weit. Und Unternehmen müssen sich der Frage stellen: Was ist mein Produkt noch wert, wenn der Preis austauschbar wird?

Wie weit fortgeschritten das Szenario bereits ist, zeigt die Verbreitung von Dynamic Pricing im Netz. Wer Flüge buchen oder Elektroartikel erwerben will, wird Teilnehmer eines zähen Preiskampfes. Preise variieren manchmal im Minutentakt abhängig von Kriterien wie Tages- und Jahreszeit oder Wettbewerbssituation. Eine repräsentative Befragung des Instituts für Verbraucherschutz Conpolicy im Auftrag des NRW-Verbraucherschutzministeriums fand unlängst heraus: Knapp ein Drittel der Befragten hat schon einmal erlebt, dass Freunden oder Bekannten im Internet ein gleiches Produkt zu einem anderen Preis angezeigt wurde als ihnen selbst.

Dabei bedienen sich Unternehmen immer häufiger auch persönlicher Informationen wie Einkaufs- und Surfverhalten oder Standort der Nutzer, ermittelt über die IP-Adresse. Wer zum wiederholten Mal in einem bestimmten Onlineshop einkauft, zahlt unter Umständen mehr als Neukunden, die über eine Anzeige in den Shop gelangen. Und wer einen Flug buchen will, zahlt von einem Internetcafé im rauen Berlin-Neukölln aus weniger als von einem Computer im schicken Berlin-Schöneberg.

Aufsehen erregt hat mit solchen Praktiken Amazon: Bis zu achtmal am Tag drehe der Versandriese an der Preisschraube, am Valentinstag 2015 waren es Medienberichten zufolge bis zu eine Million Änderungen – je nach Konkurrenzsituation, Abverkauf und Tageszeit. Die Preise schwanken um bis zu 240 Prozent, berichtet das Preismonitoring-Unternehmen Minderest.

Die Kriterien zur Preisanpassung werden dabei immer individueller: Laut SWR-Sendung „Marktcheck“ zählen die Endgeräte der Nutzer dazu: Wer eine Waschmaschine vom PC aus bestellte, sollte zehn Euro weniger zahlen als Kunden, die dafür mobile Geräte verwendeten. Apple-Nutzern seien zudem höhere Preise angeboten worden als Nutzern anderer Marken. Amazon dementierte diese Erkenntnisse zwar, doch das Misstrauen bleibt – insbesondere da das Unternehmen solche Experimente bereits vor 16 Jahren einräumen musste: Damals hatte der Versandriese Filmpreise vom verwendeten Browser abhängig gemacht.

Der Supermarkt der Zukunft weiß genau, was sein Kunde will

Ginge es nach dem Technologiekonzern Cisco, könnten sich in Zukunft auch stationäre Händler solcher Mechanismen bedienen. In seiner Vision steht der Supermarkt der Zukunft in ständigem Austausch mit dem Kunden. Sensoren und Kameras an Regalen, Türen und Kassen messen dabei Gesichtsausdrücke und Bewegungen und kommunizieren mit den Smartphones der Menschen. Auf diese Weise weiß der Supermarkt genau, wie oft ein Kunde den Laden aufsucht, welche Produkte ihn interessieren, welche er am Ende kauft – und was ihm diese wert sind.

Wenn auch die Wirklichkeit von dieser Vision noch mehrere Schritte entfernt scheint, so stellen zumindest große Handelsketten die Weichen: Rewe etwa, Media-Saturn und einige Edeka-Läden haben bereits elektronische Preisschilder eingeführt. Sie sehen aus wie ihre analogen Vorgänger, weil sie aus demselben Material hergestellt wurden wie E-Reader. Der Zeitaufwand für Preisänderungen wird dadurch um ein Vielfaches minimiert. Mitarbeiter hätten so mehr Zeit für die Kundenberatung, begründet das eine Sprecherin von Media-Saturn, Kunden könnten ihrerseits über mobile Geräte mehr Informationen über einzelne Produkte abrufen, erklärt Rewe.

Eine Verbindung zur dynamischen Preisauszeichnung weisen die meisten von sich. Eine Sprecherin von Media-Saturn fügt jedoch hinzu: „Wenn Preisanpassungen notwendig sind, so werden diese außerhalb der Ladenöffnungszeiten umgesetzt.“