Dynamic Pricing: Kein Wert für alle

Mithilfe von Big Data und Algorithmen können Händler ihre Preise heute in Echtzeit anpassen. Verbraucherschützern geht das mitunter zu weit. Und Unternehmen müssen sich der Frage stellen: Was ist mein Produkt noch wert, wenn der Preis austauschbar wird?

Wenn der Preis austauschbar wird, was ist ein Produkt dann noch wert?

Dynamische Preise aufgrund des Kundenprofils können derweil schnell zum Problem für Händler werden. So schreiben die Autoren: „Wenn die Kunden das Gefühl haben, dass ihre persönlichen Daten für die Preisbildung, missbraucht werden, kann das Kundenvertrauen als größter Firmenasset verloren gehen. Der Schaden ist dann weit aus größer als der Nutzen.“

Auch die Produkte und Marken können an Wert verlieren, sagt Dirk Ziems, Managing Partner beim Marktforschungsunternehmen Concept M: „Je stärker der Preis schwankt, desto weniger weiß der Kunde noch, was das Produkt ihm selbst wert ist.“

Ob online oder offline, produkt- oder kundenindividuell, in ihrer Gesamtheit führe die zunehmende Unübersichtlichkeit der Preisgestaltung zu einer Verunsicherung des Kunden. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt unser Wirtschaftssystem. „Die Idee eines gleichen Preises ist hierzulande mit dem Sozialismus gestorben“, sagt Martin Schmidt-Kessel, Professor für Verbraucherrecht an der Universität Bayreuth.  „Preise waren schon immer Verhandlungssache“, sagt auch Dirk Ziems.

Verbraucher- und Datenschützer raten daher zur „digitalen Selbstverteidigung“: alternativen Suchmaschinen, Browser-Plug-ins, die Tracking und Cookies verraten, oder Preisvergleich-Apps. Abhilfe schaffen mittlerweile eine ganze Reihe Preisvergleichswebsites in allen Branchen von Reisen bis hin zu Versicherungen. Mithilfe von Apps lassen sich auch stationär Preise vergleichen: „Sparpionier“ etwa zeigt beim Supermarktbesuch alle Preisaktionen der Wettbewerber in der Umgebung an. Mit „barcoo“ können Konsumenten den Barcode eines Produktes scannen und erhalten sowohl Produktinformationen als auch einen Preisvergleich mit Konkurrenten.

„Es ist ein Wettrüsten: Algorithmen zur Preissteuerung auf der einen – Preiswecker und Schnäppchen-Apps auf der anderen Seite“, sagt Markenpsychologe Ziems. Dadurch verstärke man beim Kunden das Misstrauen gegenüber Anbietern und erziehe ihn zum Zocker. Durch den zunehmenden Wettbewerb ist ein Ende dieser Entwicklung nicht in Sicht. Gestärkt gehen laut Ziems am Ende jene aus dem Kampf hervor, die in all dem Chaos neue Stabilität schaffen: „Es kann sein, dass gerade die großen Marken zu Gewinnern werden, weil sie Orientierung stiften.“ Denn wo Preise austauschbar werden, achten Konsumenten womöglich stärker auf den allgemein anerkannten Wert eines Produkts. Oscar Wilde wäre entzückt.

Lesen Sie mehr zu den rechtlichen Bedingungen von Pricing in diesem Artikel und weitere Beiträge zum Thema in der Ausgabe o4/2016 der absatzwirtschaft.