Die Aussage von Aegis Media Global CEO Jerry Buhlmann ist geplatzt

Die für heute im Ruzicka-Prozess angesetzte und mit Hochspannung erwartete Aussage von Aegis Media Global CEO Jerry Buhlmann ist kurzfristig geplatzt. Der 48-jährige Buhlmann hätte per Videoschaltung vom Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk als Zeuge vernommen werden sollen.

Zudem hätte sich Buhlmann den Fragen von Ruzickas Verteidiger Marcus Traut stellen müssen. Dem Vernehmen nach war Buhlmann nicht bereit, für seine Aussage in einem Londoner Gerichtsgebäude zu erscheinen. Dort unterliegt die Aussage eines Auslandszeugen genauen Vorgaben: Demnach werden sowohl im Vernehmungszimmer, in dem sich der Zeuge befindet, als auch im Sitzungssaal Bildschirme und Kameras installiert. Während eine Kamera Gesicht und Oberkörper des Zeugen filmt, überwacht eine weitere Kamera das Vernehmungszimmer, um Beeinträchtigungen, etwa durch Hinweisgeber und sonstige Personen, auszuschließen.

Diese Übersichtsaufnahme wird per Bild-im-Bild-Technik auf den Bildschirmen im Sitzungssaal eingeblendet. Dort wird sichergestellt, dass die Videobilder sowohl durch das Gericht, als auch durch Staatsanwaltschaft, Verteidigung samt Angeklagten und die Öffentlichkeit sichtbar sind. Schließlich wird auf den Bildschirm im Vernehmungszimmer das Bild von Kopf und Oberkörper des jeweils Fragenden projiziert. Da die Gerichtssprache deutsch ist, ist zudem ein beeideter Dolmetscher erforderlich.

Buhlmann habe stattdessen darauf bestanden, aus einem Konferenzraum im Headquarter von Aegis Media in der Londoner Parker Street in das Wiesbadener Landgericht zugeschaltet zu werden. Dies sei bei einer amtlichen Zeugenvernehmung jedoch nicht üblich, da die obigen Vorgaben nicht überwacht werden können. Auch alle Zeugen die bisher per Videokonferenz ausgesagt haben, saßen in einem Gericht an ihrem Wohnort. Buhlmann war zudem nicht bereit für seine Aussage zeitnah nach Wiesbaden zu kommen. Erstaunlich, da in Wiesbaden auch das Headquarter von Aegis Media für Zentraleuropa und Südafrika ansässig ist.

Buhlmann hat seit Jahresmitte die Position des Global CEO bei Aegis Media inne. Zuvor war er gemeinsam mit Aleksander Ruzicka für die Region EMEA, Europe, Middle East and Africa, zuständig. Beide Media-Manager sollen sich bereits im Jahr 2005 einen erbitterten Machtkampf um den Chefsessel bei Aegis Media geliefert haben. Nach dem plötzlichen Abgang von Mainardo de Nardis als Global CEO hat Buhlmann dieses Ziel vor wenigen Monaten erreicht. Ruzicka wird nach einer Anzeige von Aegis Media aus dem Jahr 2005 der Prozess gemacht. Er sitzt seit fast 2 Jahren in U-Haft. Ihm wird Untreue vorgeworfen.

Aegis Media behauptet einen Schaden in Höhe von 51,2 Millionen Euro. Daher kommt der Aussage von Buhlmann für die Wahrheitsfindung und Sachaufklärung große Bedeutung zu. Kernpunkt: wusste er von den Verdachtsmomenten und den Anzeigen gegen Ruzicka? Ruzickas Nachfolger als CEO für Zentraleuropa und Südafrika, Andreas Bölte, hatte bereits Anfang August im Ruzicka-Prozess ausgesagt. Bölte sagte aus, dass er das Londoner Aegis Media Headquarter erst ein Jahr nach den Hausdurchsuchungen, nämlich im Herbst 2007 darüber informiert hat, dass er und Ex-Finanzchef Ihlefeld hinter den anonymen Anzeigen gegen Ruzicka steckten.

Bölte habe auf eigene Faust und ohne Rückendeckung der Londoner Konzernzentrale Ende des Jahres 2004 begonnen gegen seinen damaligen Vorgesetzten Ruzicka zu recherchieren, eine Wirtschaftsdetektei eingeschaltet und schließlich zwei Strafanzeigen gestellt. Als Buhlmann am Tag nach den Hausdurchsuchungen, am 13.September 2006, selbst nach Wiesbaden kam, sei er über die Vorgänge geschockt gewesen, so Bölte.

Am selben Tag verließ Aleksander Ruzicka das Unternehmen und Andreas Bölte nahm am 14.September 2006 seine Position ein. Ruzickas Verteidiger Traut hatte Jerry Buhlmann nach Böltes Aussage als Zeugen benannt. Es sei lebensfremd, so Traut, dass ein neuer Mitarbeiter in einem Unternehmen ohne Absprache mit der Konzernzentrale umfangreiche Recherchen anstellt und die Behörden einschaltet. Insbesondere dann nicht wenn durch Ruzickas Abgang der Weg zu Führungspositonen für Jerry Buhlmann und Andreas Bölte frei geworden ist.

Der Ruzicka-Prozess ist bis zum 20.Oktober unterbrochen. Mit einem Urteil ist nicht mehr in diesem Jahr zu rechnen. Da Gericht und Verteidigung jedoch an einer Aussage von Jerry Buhlmann festhalten, könnte er erneut formell nach Wiesbaden geladen werden. Das Europäische Rechtshilfeübereinkommen (EuRhÜbk) regelt die verbindliche Ladung von Zeugen auch zwischen Deutschland und Großbritannien. Da auch Aegis Media ein großes Interesse an Buhlmanns Aussage hat, ist damit nach der Prozesspause zu rechnen.
mz