Datengetriebenes Marketing: von Treibern und Getriebenen

Das Hype-Thema Big Data hat längst auch die gesamte Marketingbranche erfasst. Der Begriff sagt jedoch nichts darüber aus, wie ein Unternehmen diese Daten überhaupt nutzt. Im Kern geht es ohnehin weniger um gesammelte Daten, sondern um den Mehrwert, den diese für den Endnutzer bieten können. Das Sammeln der Daten ist also nur der erste Schritt um den Kunden zu verstehen und gleichzeitig die eigenen Prozesse zu durchleuchten und effizienter zu gestalten.

Von Gastautor Jochen Schlosser, Chief Strategy Officer bei Adform

Die datengetriebene Marketingwelt ist das Ergebnis des Paradigmenwechsels, der sich in den letzten Jahren vollzogen hat. Die Entwicklung ging weg vom kontextuellen Targeting und hin zu einem User-zentrischen Weltbild. Die Besonderheit der automatisierten, digitalen Kommunikation liegt darin, dass Qualitätssicherung und individuelle Nutzeransprache manuell kaum mehr möglich sind. Zumindest nicht in der Frequenz, in der Unternehmen heute digital kommunizieren.

Der datengetriebene Ansatz gibt Unternehmen die Kontrolle zurück, indem persönliche Empfehlungen ausgesprochen werden können, wiederkehrende Nutzer oder bekannte Nutzer erkannt werden und gleichzeitig automatisierte Kontrollmechanismen greifen.

Quellen der Macht

Die Grundlage für Empfehlungen, Einblicke in Präferenzen oder detailliertes Targeting schlummern dabei in den Datenbanken der Unternehmen. Im Zuge des datengetriebenen Marketings werden insbesondere 1st-Party-Daten von Werbungtreibenden verstärkt aktiviert und für den Einkauf, die Personalisierung und die Analyse genutzt. Das ist der richtige Ansatz, denn die eigenen Daten sind (zumeist) die besten. Im Rahmen der Datennutzung stellen sich einige Fragen: Wie kontrolliere ich meine Datenflüsse? Welche Technologiepartner nehme ich mit an Bord? Wie hebele ich meine Daten über die gesamte Wertschöpfungskette? Wenn das mit Hilfe der eigenen Daten nicht möglich ist, sollte es dringend geändert werden.

Von riesigen, allumfassenden Big-Data-Projekten ist dabei eher abzuraten, auch wenn die unendlichen Möglichkeiten und und entsprechende Cases aus dem Markt dazu verleiten. Wird über Jahre im stillen Kämmerlein eine riesige Datenpipeline aufgebaut, um diese dann mit einer großen Architektur zu verbinden, dann führt das eher zu Frust als zu Nutzen. Und dann ist auch das Silodenken, das wir alle rügen, schwer aufzubrechen.

Unternehmen sollten sich nicht übernehmen, sondern im Rahmen der Möglichkeiten im Zweifel kleinere, inkrementelle Schritte gehen, um so auch die Mitarbeiter zu inspirieren und Erfahrungen zu sammeln. Dazu braucht es crossfunktionale Teams, die nicht nur aus Datencracks bestehen und kurzfristige Erfolge, die motivierend wirken. Im Anschluss sollte man sich nach und nach auch an größere Projekte wagen. Immer in dem Bewusstsein, dass ein Scheitern für eine fruchtbare Entwicklung deutlich fördernder ist als Stillstand.

Normale Daten und normale Menschen

Die Diskussionen am Markt zeigen ganz deutlich, dass sich werbungtreibende Unternehmen zusehends Gedanken über den Wert ihrer Daten und die eigene Datenhoheit machen. Datengetriebenes Marketing ist kein reines Tech- oder Agenturthema mehr, sondern ist längst beim Advertiser angekommen. Derzeit entwickelt sich rund um Daten eine neue Unternehmenskultur. Die Themen Datenerhebung und -Nutzung werden nicht mehr nur als Sonderthemen wahrgenommen. Entsprechend sollte das Thema Big-Data und positive Datenkultur nicht in eine gesonderte Innovations- oder Datenabteilung geschoben werden.

Die nächste Entwicklungsstufe sollte umfassen, den „normalen“ Mitarbeiter für das Thema Daten zu begeistern, also Mitarbeiter, die nicht programmieren müssen und auch sich auch nicht zwingend mit Big Data beschäftigen. Daten sind nicht immer Big oder Smart und sind dementsprechend auch nicht ausschließlich ein Thema für Experten. Im Gegenteil, jeder Mitarbeiter wird sich in Zukunft mit dem Thema Daten beschäftigen müssen. Für das gesamte Unternehmen bis hin zum Management muss klar sein, dass der Umgang mit Daten für jeden einzelnen Mitarbeiter auf der Agenda steht. Was die Branche hinter sich lassen muss, ist die Vorstellung „Wir stellen jetzt einen Datenexperten ein und dann läuft das von alleine!“.

Zum Autor: Jochen Schlosser ist Chief Strategy Officer bei Adform. Seit über zehn Jahren ist er einer der führenden Köpfe für Datenthemen und -strategien am Markt und hatte führende Positionen in unterschiedlichen Branchen (Pharma, Finanzen und natürlich Marketing) inne. Als promovierter Informatiker – mit Nebenfach Psychologie – spricht, schreibt und tweeted er zudem über alles Digitale und dessen Auswirkungen auf unser tägliches Leben.