„Das Geld folgt der Aufmerksamkeit“

Alexander Bard will aufrütteln. Dabei spricht der liebenswerte Schwede gerne darüber, dass wir heute in einer Aufmerksamkeits-Ökonomie leben. Das Geld folgt nicht mehr Produktionsmitteln, sondern Unternehmen, die es verstehen, Attention oder Aufmerksamkeiten zu erzeugen, wie Google, Facebook oder Spotify.
Alexander Bard meint: Die Ökonomie basiert nicht auf Kapitalismus, sondern auf Aufmerksamkeit

Aber auch intelligente Kommunikation wird den Informationsoverload noch einmal richtig befeuern. Und das macht die Gesellschaft noch einmal gegenwartsorientierter, weil alle im Hier und Jetzt leben. Verliert die Menschheit hier sowohl etwas vom kollektiven Gedächtnis als auch beim Blick in die Zukunft?

Ja, wenn man heute einen Science Fiktion in Hollywood machen würde, würde man über die Dinge schreiben, de heute schon da sind, da sich mittlerweile aufgrund der Informationsfülle so viel Parallelwelten entwickelt haben, die simultan und synchron laufen, dass man über etwas schreiben würde, was wahrscheinlich schon da ist. Die Zukunft kommt also viel schneller auf uns zu als je bevor, weil sehr viel mehr Informationen und intelligente Maschinen vorhanden sind. Also ja, wir haben einen starken Sog auf das Heute, so dass die Zukunft in der Gegenwart aufgeht, genauso wie unsere Vergangenheit und unsere Erinnerung.

Kommen wir in ein Zeitalter der vergessenen Informationen?

Ich spreche gerne vom Tod des Indivdualismus zugunsten des Dividuals. Menschen sind heute und zukünftig miteinander in sehr komplexen Netzwerken verknüpft. Es geht nicht um die eigene Selbstverwirklichung, sondern was man selbst im Kollektiv beisteuern kann, so wie früher, als Menschen in Stämmen zusammenlebten. So ist es auch mit den Informationen. Heute braucht nicht jeder einzelne das exakte Wissen um einzelne Dinge. Wikipedia hat mehr Wissen, als wir jemals haben können und es ist immer in unseren Smartphones. Das heißt, man muss die Informationen nicht verarbeiten, sondern man braucht den Zugang dazu – man braucht eine ständige Verbindung zu seinem Smartphone. Das heißt, wir brauchen zu einem Vertrauen zu anderen Menschen und zu unserem Netzwerk und zum anderen brauchen wir in Zukunft ein ganz anderes Set von Kompetenzen und Fähigkeiten.

Das heißt, wir müssen unsere ganze Erziehung insbesondere auch in der Schule ändern. Haben Sie eine Idee, wie man dies schulen kann?

Ja natürlich. Die Schule versucht heute noch Kinder zu Fabrikarbeiter auszubilden. Das Erziehungsmodell ist hier noch aus dem 1800 Jahrhundert. Die Kinder werden noch über Stein-, Bronze- und die Eisenzeit unterrichtet. Wir sollten sie stattdessen in gesprochener, geschriebener und gedruckter Sprache unterrichten. Denn der Schlüssel in Zukunft ist, Medien und Kommunikation zu verstehen. Es wird mehr Sound, Video und Kommunikation geben als jemals zuvor. Die Nummer-1-Fähigkeit ist daher soziale Intelligenz. Wie kann man sich in konstruktiver Weise mit anderen Menschen austauschen. Sowohl das Ausbilden des Zuhörens und dass man es schafft, dass andere einem Zuhören. Und dann die beste Idee zu nehmen und diese Weiterzuentwickeln. Soziale Intelligenz heißt auch Online attraktiv für andere zu sein. Du kannst dann 5000 Facebook-Freunde haben. Wenn Du ungeschickt bist, hast Du eben nur 20 Facebook-Freunde. Wenn Du sozial intelligent bist, kannst Du 100.000 Twitter-Follower haben, wenn social clumsy bist, dann nur 14. Es wird eine Klasse von sozial geübten geben, die ihr Smartphone und die Möglichkeiten mit großer Leichtigkeit nutzen und sie werden sehr erfolgreiche Blogger oder Podcaster sein. Genauso gibt es Menschen, die das beängstigend finden und nicht klar kommen werden und da muss die Schule ansetzen. Die Schule sollte die Schwächsten in der Gesellschaft unterstützen. Jedes Kind muss mit einem Computer ausgerüstet sein und in sozialer Kompetenz geschult werden. Schon 1998 haben wir in Schweden gesagt, dass jedes Kind einen Computer haben sollte. Aber sie haben immer noch nicht alle Computer – abgesehen von den reichen Kindern, die natürlich einen haben. Und das ist das Problem. Die reichen Kinder bekommen ein Smartphone, wenn sie fünf Jahre alt sind, die armen bekommen ein Computer mit 13, wenn sie Glück haben.

Sie sprechen im Zusammenhang mit den neuen Fähigkeiten auch von der Ethics of interactivity. Was bedeutet das?

Es geht nicht darum, Dinge zu liken oder sich jeweils was Gutes zu tun, sondern um einen fairen offenen Umfang miteinander. Insofern sind Plattformen nicht dazu da, um zur Selbstdarstellung zu dienen, sondern um sich wirklich mit anderen Menschen zu verbinden, Freunde zu finden, zu kommunizieren und gemeinsame Dinge zu entwickeln. Wenn das passiert, sind die Plattformen wirklich gereift.

Und es gibt Regeln, deren Einhaltung erwartet wird: Jeder spricht für sich, jeder ist verantwortlich für seine Meinung, jeder ist in der Lage seine Meinung zu ändern, ohne einen anderen zu verletzen, und jeder ist in der Lage, anderen zuzuhören. Und es ist egal, woher die Ideen kommen. Wenn Sie gut sind, dann nimm sie auf und mach sie dir zu Eigen. Und das schafft ein neues ethisches Verhalten. Wenn Du dann außerordentlich erfolgreich bist, dann ist auch die Erwartung, dass Du der Plattform etwas zurückgibst. Dass ist im übrigen ein biologischer Instinkt, wenn Du 50 Jahre alt bist (schmunzelt)– wie die Linda Gates Foundation, die übrigens die beste ist, die jemals geschaffen wurde. Denn überall, wo Geld hinfließt muss wiederum zurückberichtet werden, es gibt also einen Rückkanal.

Aber wir sind doch heute weiter weg denn je von einer neuen Ethik, siehe Volkswagen ….

Das wirklich schlimmste am Volkswagen-Fall war nicht, dass sie ihre Motoren manipuliert haben, sondern dass sie 30 Millionen Dollar in Europa für Suchmaschinenoptimierung ausgegeben haben. Das ist organisiertes Lügen. Warum nicht einfach ein besseres Auto bauen? Bei der digitalen Transparenz und den Daten die hin- und herfließen, kommt das sowieso irgendwann heraus.

Die traditionellen industriellen Unternehmen wollen keine Kundenbeziehung haben. Das ist das merkwürdigste überhaupt. Der Kunde ist heute die Research- und Development-Abteilung. Denn der Kunde gibt dir gerne Daten zurück, was sie über dein Produkt denken. Und das ist das wertvollste Asset, was man in der Produktentwicklung haben kann.

Wie kann der Change passieren?

Einmal durch neue Automobilunternehmen oder man erkennt wirklich, dass Wechsel nötig ist und stellt junge Menschen ein, die interaktiver sind als die alten Ingenieure, die immer besser wissen, was Kunden wollen. Sogar Modeunternehmen haben das erkannt: Werde den Designer los und mache die nächste Kollektion einfach mit deinen Kunden! Das ist das was H& M oder Zara oder Uniqlo zum Beispiel machen. Sie haben von jedem Kunden Daten und können die nächste Fashion-Linie mit dem Kunden entwickeln, ohne dass der Kunde das übrigens überhaupt mitbekommt. Das ist brillant. Und deswegen sind diese Modeunternehmen so groß geworden.

Creating network dynamical systems ist die der entscheidende Punkt. Und alles in unserer Gesellschaft wird diesen neuen Weg gehen: Mode, Kommunikation und auch Radio und Fernsehen wird network dynamical.