Beim Geld hört der Spaß auf – oder fängt er erst an?

Ältere Führungskräfte zeigen sich weniger begeistert, ihre Boni an Nachhaltigkeitsziele zu knüpfen, sagt die eine Studie. Die andere sagt: Unternehmen wandeln sich in Richtung Nachhaltigkeit aus wirtschaftlichen Gründen.
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Laut einer Studie ist über die Hälfte der angehenden Führungskräfte der Meinung, dass Manager-Boni stärker von Nachhaltigkeitszielen abhängig sein sollten. (© Imago)

„Stellt eure Prioritäten auf den Kopf“, fordern Führungskräfte aller Altersklassen von Unternehmen. Das besagt die diesjährige Ausgabe der Studie Voices of the Leaders of Tomorrow, die das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) zusammen mit dem St. Gallen Symposium erhebt. Zumindest in der Theorie lassen die Ergebnisse Gutes für ein künftiges nachhaltiges Wirtschaften hoffen. 

Das Gros der Befragten appelliert an Unternehmen, den sozialen und ökologischen Mehrwert höher zu gewichten als die Gewinne für ihre Aktionär*innen. Befragt wurden 650 Toptalente und 250 Senior Executives. Und die sind sich einig, dass die zunehmende Knappheit natürlicher Ressourcen eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist. Ja – und bei diesem Satz beschlichen mich leise Zweifel, wie ernst es die bestehende und angehende Führungsetage mit der Nachhaltigkeit wohl meint – selbst aufs Wirtschaftswachstum würde sie „temporär“ verzichten. Ob „temporär“ eine Lösung für unseren Planeten bringt? Nur so viel: Der Erdüberlastungstag lag in Deutschland 2024 wieder ein bisschen früher als noch im Vorjahr: Am 2. Mai hatten wir rein rechnerisch die Ressourcen fürs ganze Jahr aufgebraucht. Doch zurück zur Studie, denn richtig interessant wird’s insbesondere bei der älteren Führungsriege und der Frage nach dem persönlichen Zutun. Bei den Boni ist dann nämlich Schluss mit lustig. 

Während 63 Prozent der angehenden Führungskräfte der Meinung sind, dass Manager-Boni stärker von Nachhaltigkeitszielen als von finanziellen Zielen abhängig sein sollten, stimmen dem nur 32 Prozent der heutigen Führungskräfte zu. Nun ist es natürlich für junge Leute einfach, älterer Leute Geld zu verteilen. Und so darf man gespannt sein, ob der hoffnungsfrohe Nachwuchs, dereinst auf dem C-Level angekommen, diese Frage noch genauso beantwortet. Vielleicht hat sich bis dahin aber auch längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich Nachhaltigkeit auch finanziell auszahlt. 

Unternehmen wandeln sich – in Richtung Nachhaltigkeit 

Auch die Bertelsmann-Stiftung hat gerade gemeinsam mit der ESCP Business School eine Studie vorgelegt. Titel: Wertschöpfung für das 21. Jahrhundert. Geschäftsmodelle in der Transformation. Man ist sich einig: „Ein weiter so-Wirtschaften nach Status Quo kann es nicht mehr geben. Die Wertschöpfungsaktivitäten und Geschäftsmodelle des 20. Jahrhunderts können nicht ohne Weiteres in ihrer bisherigen Form weitergeführt werden.“ Die Studienautoren (kein Fehler, es sind Männer) decken in ihrer repräsentativen Untersuchung eine bemerkenswerte Korrelation auf: „Umso stärker Unternehmen ihr Geschäftsmodell verändern, desto stärker verankern sie Nachhaltigkeit in ihren strategischen Zielen und Unternehmensaktivitäten – und umgekehrt.“  

Dabei motiviert die sich transformierenden Unternehmen nicht die Liebe zum Planeten, im Vordergrund stehen wirtschaftliche Interessen: „Erfolgversprechende Business Cases sind der wichtigste Treiber für die Veränderung von Geschäftsmodellen. Vor allem Kund*innen sowie Kosten- und Effizienzpotenziale stehen im Vordergrund.“ Das wiederum dürfte die Nachwuchsführungskräfte aus der oben erwähnten NIM-Studie freuen: Denn wenn sich Nachhaltigkeit auch pekuniär lohnt, dann sind künftig ihre Boni sicher.  

Um das Studientrio voll zu machen, hier noch ein Blick auf den aktuellen GfK Nachhaltigkeitsindex. Demzufolge zieht der nachhaltige Konsum nach einer Delle im vergangenen Jahr wieder an. Die Menschen kaufen zum Beispiel wieder mehr Bio-Produkte und energieeffiziente Waschmaschinen. Ausschlaggebend für ihre Kaufentscheidung sind häufig Produkt-Labels. 

Der wahre Kampf um nachhaltige Produkte

Für alle eingefleischten – oh, Pardon, liebe Veggies – für alle ausgewiesenen Marketingprofis: In der aktuellen Ausgabe vom Harvard Business Manager findet sich hinter der Bezahlschranke der Artikel Bio – kann man machen, verkauft sich aber nicht. Das Autorenduo, zwei Marketingprofessoren aus Lausanne, gehen der Frage nach wie sich die passende Marketingstrategie für nachhaltige Produkte finden lässt. Ihre Ausgangsthese lautet, dass viele Unternehmen den Wunsch ihrer Kundinnen und Kunden nach nachhaltigem Konsum schlicht überschätzen und infolgedessen massenhaft Produkte auf den Markt bringen, die sich nicht gut verkaufen. 

Die Professoren bieten für dieses Problem differenzierte Lösungen an (lesenswert!), schließen aber mit dem klugen Hinweis: „Der wahre Kampf um nachhaltige Produkte findet … nicht auf der Werbe- und PR-Bühne statt, sondern in den Forschungs- und Entwicklungslabors. Dort entwickeln führende Unternehmen die bahnbrechenden Lösungen der Zukunft, die nicht nur überzeugen, sondern uns auch im Hinblick auf Umweltschutz und gesellschaftliches Wohlergehen ein gutes Stück voranbringen.“ So isses. Wobei es gutes Marketing natürlich braucht, um die super nachhaltigen Produkte erfolgreich zu machen.  

Eine gute Woche noch, und behalten Sie die Zukunft im Blick!    

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“