Bayer und Monsanto: Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Der Chemiekonzern Bayern ist mit seiner folgenreichen Übernahme des umstrittenen Saatgutherstellers Monsanto nicht das erste Beispiel für eine schlecht geplante Akquisition. Es lauern die vielfältigsten Fallen bei der Integration zugekaufter Marken. Ein Kommentar von Jürgen Gietl.
Jürgen Gietl

Ein Jahr ist seit der Übernahme des Saatgutherstellers Monsanto durch Bayer vergangen. Eine erfolgreiche, zukunftsorientierte Übernahme sieht anders aus: Auf rund fünf Milliarden Euro werden die Schadenersatzforderung geschätzt, mit denen der Roundup-Hersteller konfrontiert wird. Was noch schwerwiegender ist: Der Imageschaden für Bayer. Im Börsenkurs ausgedrückt sind das seit der Übernahme von Monsanto 40 Prozent Wertverlust für Bayer.

Die Dimension ist neu, das Thema nicht, und die Ursachen ließen sich vermeiden: Durch mehr Wertschätzung für die Kraft der Marke und eine individuell konzipierte Markenarchitektur, die die Beziehung der verschiedenen Marken und deren positive sowie negative Wirkung aufeinander berücksichtigt.

Gut aufgestellte Markensysteme potenzieren Wirkung

Marken haben eine enorme Bandbreite an Wirkungsweisen, die sich potenzieren können, wenn mehrere Marken eines Portfolios im Spiel sind: Marken grenzen zum Wettbewerb ab, erzeugen Stolz, geben Menschen und Produkten Identität, sind Hoffnungsträger für Investoren, geben Kunden Vertrauen, wecken Begehrlichkeiten.

Diese gegenseitige Verstärkung gilt jedoch auch für negative Wirkungen. Deshalb ist es bei Übernahmen und Zukäufen zwingend notwendig, die Störfelder der einzelnen Marken gegeneinander zu identifizieren, bevor man die Marken miteinander in Beziehung setzt.

Bei Bayer wurde sofort entschieden, Monsanto als Unternehmensmarke abzuschaffen und schnell und vollständig zu integrieren. Dabei hätte Monsanto noch eine längere Zeit als Puffer für die negativen Schlagzeilen aus den Prozessen fungieren können.

Wachstumsphantasien überdecken Reputationsgefahren

Das Hauptmotiv für die Akquisition von Unternehmen liegt fast immer in Wachstumsbestrebungen. Problematisch wird es, wenn für die Kaufentscheidung primär Datenanalysen genutzt werden, die ungenügend berücksichtigen, welche Stärke die zugekaufte Marke und ihre Reputation bei Mitarbeitern, Kunden und anderen Geschäftspartnern haben beziehungsweise welche Reputationsrisiken eine Marke mit sich bringt.

Die Einbindung von Marken- und Marketingexperten der Unternehmen in die M&A-Entscheidungsteams sind daher unbedingt zu empfehlen. Nur so können Wertentwicklungs- und Wachstumschancen gegen Reputationsrisiken realistisch abgewogen werden.

Intelligente Markenarchitektur erfolgsentscheidend

Nach dem Motto „wer zahlt, schafft an“ wird definiert, wer für eine zugekaufte Marke das Sagen hat und wer die Richtung vorgibt. Es herrscht dabei immer noch das Vorurteil, Dachmarken seien für B2B-Marken das erfolgreichste Konzept, wogegen Konsumgüterhersteller immer mit vielen Einzelmarken am profitabelsten wären. Studien widerlegen beides.

Intelligente und zukunftsfähige Markenarchitekturen bilden nicht die Machtverhältnisse im Unternehmen ab, sondern sind darauf ausgerichtet, die stärkste Wirkung im Unternehmen, für Kunden und gegen Wettbewerber zu erzielen.

Wirksame Markenarchitekturen funktionieren wie eingespielte Teams, und die Aufstellung der einzelnen Marken ist abhängig vom jeweiligen gemeinsamen Ziel. So können sie beim Kampf gegen den Wettbewerb verschiedene Rollen einnehmen, unterschiedliche Kompetenzen ausspielen und gemeinsam gewinnen. Ob das dann als Dach-, Sub- oder Einzelmarkensystem funktioniert, ist in der Markenarchitektur definiert.

Bedeutung der kulturellen Integration wird unterschätzt

Egal ob Daimler und Chrysler, Ford und Volvo, Condor und Thomas Cook oder Adidas und Reebok: die Liste der Zusammenschlüsse mit negativen Folgen ist lang. Doch nicht immer waren funktionale oder rationale Gründe die Ursache für das Scheitern der Zusammenschlüsse. Meist kam es gar nicht soweit, Prozess-, Markt- oder Produktsynergien zu heben. Oft waren die unterschiedlichen Wertesysteme dieser Marken inkompatibel.

In der Wahrnehmung des Managements überlagern harte Themen wie Effizienzsteigerung und Prozess-Synergien die angeblich weichen Themen Kultur, Identität, Positionierung oder Reputation. Diesen widmet man sich meist erst nachgelagert, um festzustellen, dass es Unternehmenskulturen gibt, die sich nicht synchronisieren lassen. Ein Grund mehr, Marken- und Marketingexperten aus den Unternehmen in den M&A-Prozess zu integrieren – frühzeitig.

Über den Autor: Jürgen Gietl ist Managing Partner von Brand Trust