Authentisches aus der Kabine: Warum der FC Bayern München in den sozialen Medien erfolgreicher ist als andere

Profis nicht nur im Fußball: Der Spitzenverein FC Bayern München versorgt rund 70 Millionen Fans mit Videos und GIFs über die sozialen Netzwerke. Mit authentischen Szenen aus der Kabine und vom Spielfeldrand kommt der Verein bei den Fans sehr gut an. Was machen die Bayern anders als der Rest?

Da gab es dieses Missgeschick mit dem Kaffee. Mats Hummels auf dem Weg zum Mannschaftsbus, er balanciert den Becher ein wenig zu gekonnt, prompt läuft ihm die braune Soße über den Anzug. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Teamkollege Thomas Müller lacht breit in die Kamera.

Andere hätten den kleinen Unfall womöglich aus der Reportage vom Achtelfinal-Rückspiel beim FC Arsenal entfernt. Nicht so die Profis vom FC Bayern. Die wissen, dass solche authentischen Szenen bei den Fans gut ankommen. Der Clip, geteilt auf Instagram und Facebook, entwickelte sich zum Renner, millionenfach geklickt. Und dann setzte der Verein noch einen drauf, indem er Hummels via Twitter einen Thermobecher aus der FC-Bayern-Kollektion empfahl. Felix Loesner, Head of Social Media beim FCB, will Ende Mai auf der Beef4Brands-Konferenz des Munich Digital Institutes nicht sagen, um wie viel das den Absatz des Bechers nach oben getrieben hat, „aber es ist sehr, sehr gut gelaufen“.

Emotionen bedienen

https://www.youtube.com/watch?v=JPwrNU5-kuc

Die Fans mit Emotionen bedienen und zugleich ihr Marktpotenzial nutzen – die Bayern sind Meister auch beim Einsatz von Social Media. Allein die offizielle Facebook-Seite verzeichnet mehr als 42 Millionen Freunde. Insgesamt folgen dem Verein weltweit über 70 Millionen Menschen auf verschiedenen Plattformen. Dabei sind die Deutschen zwar besonders aktiv, sie machen jedoch nur drei Prozent der Fangemeinde aus. Selbst die Communities in Ägypten, Tunesien oder Mexiko sind zahlenmäßig größer.

Angefangen hat der FCB 2010 auf StudiVZ. Über die Jahre kamen Facebook, Twitter und Instagram hinzu, sowie asiatische Plattformen wie Sina Weibo. Seit 2015 versorgt Loesners Team die Fans überdies mit Live-Videos, aufgenommen per GoPro oder neuerdings mit der Kamerabrille Spectacles, die Clips automatisch in den Snapchat-Kanal lädt. Jüngste Ergänzungen sind Giphy und Tenor. „Wir arbeiten sehr viel mit GIFs und nutzen sie zum globalen Brandbuilding“, sagt Loesner. Rund eine Milliarde GIFs werden nach seinen Angaben weltweit täglich ausgespielt.

Identifikation und Bindung schaffen

Der Verein will mit Bewegtbildern vor allem Emotionen transportieren und auch den Fans die Teilhabe ermöglichen, die Spiele nicht vor Ort oder nicht einmal im Fernsehen ansehen können. Die Zielgruppe ist jung, drei Viertel sind unter 25 Jahren. Videos darüber, wie ein Fan einen Spieltag erlebt oder wie es hinter den Kulissen einer Champions-League-Reise zugeht, verstärken Identifikation und Bindung. Erfolgsbilanz des vergangenen Jahres: 210 Millionen Wiedergabeminuten beziehungsweise 550 Millionen Plattform-Abrufe.

Wo sind die Grenzen der Kommerzialität?

Zunehmend werden auch Sponsoring-Partner wie Audi und Paulaner in die Filme integriert – ihre Logos, ihre Produkte. Die starke emotionale Ansprache macht das Format aus Sicht von Marketern besonders interessant. Kann man des Guten auch zuviel tun, wo sind die Grenzen der Kommerzialität? „Für uns ist das Wichtigste der Fan, den wir unterhalten wollen“, sagt Loesner. „Erst in zweiter oder dritter Hinsicht ist er auch Kunde, mit dem wir Umsatz generieren.“ Wichtig sei, dass die Authentizität nicht verloren gehe, die Fangemeinde reagiere sensibel. „Wenn es zu sehr inszeniert ist, müssen wir aufpassen.“

Wie viele Leute sind beim FCB mit der Aufbereitung der Social-Media-Inhalte beschäftigt? „Zu wenige“, findet Loesner. In seinem Team arbeiteten vier Personen. Allerdings bestehen umfangreiche Kooperationen mit Agenturen; in Ländern wie den USA und China unterhält der FCB zudem eigene Büros. Gelegentlich werden auch Inhalte von Spielern übernommen, die ihre eigenen Accounts führen. Wenn die mal etwas posten, was nicht den Vereinsinteressen entspricht – etwa die Konkurrenzmarke eines Sponsors – , gebe es „Gespräche“. Insgesamt geht Loesner aber offenbar entspannt mit dem Thema Fehler um. Nicht jeder Shitstorm sei gleich die ganz große Katastrophe. „Wir eruieren über Fans und Influencer, wie die Gefühlslage ist, und gehen teilweise proaktiv vor. Und wenn das mal nicht klappt, dann ist der Sturm nach einem Tag auch wieder vorbei.“

(mat) führte ihr erstes Interview für die absatzwirtschaft 2008 in New York. Heute lebt die freie Journalistin in Kaiserslautern. Sie hat die Kölner Journalistenschule besucht und Volkswirtschaft studiert. Mag gute Architektur und guten Wein. Denkt gern an New York zurück.