Im „Bid Book“ beziehungsweise dem offiziellen Bewerbungsdokument schlugen Sie vor, in den kommenden zwölf Jahren drei Stadien in Katar auszubauen und neun neu zu errichten. Jetzt nimmt man Sie beim Wort. Wie beginnen Sie, die Planung umzusetzen?
ROGER STRACK: Grundsätzlich sind die Planungen für die Stadien nicht auf einem weißen Blatt Papier nur mit dem Fokus der WM-Bewerbung entstanden, sondern durch unsere AS&P-Partner in die übergeordneten Entwicklungskonzepte des Landes integriert worden. Grundlage für die Planung war der prognostizierte Bedarf, die optimale Erschließung durch ein neues öffentliches Nahverkehrsnetz und die Einbettung in die langfristige Stadt- und Regionalplanung Katars. Wir befürchten also nicht, dass man uns beim Wort nimmt, sondern hoffen sehr darauf! Bevor der Spatenstich für den Bau des ersten Stadions erfolgt, wird der nächste Schritt die Entwicklung eines Masterplans für die Verzahnung aller direkt und auch indirekt durch die FIFA-Fußball-WM erforderlichen Projekte sein.
Mit der Deutschen Bahn AG soll bis 2021 auch ein Metro-Netz geschaffen werden, sodass alle Stadien innerhalb einer Stunde Fahrtzeit erreichbar sind. Warum nehmen Sie an, dass große Zuschauermengen mehr als ein Spiel pro Tag besuchen wollen?
STRACK: Auch wenn es tatsächlich problemlos möglich wäre, bis zu drei Spiele an einem Tag live im Stadion zu verfolgen, beruhen unsere Berechnungen natürlich nicht darauf. Unabhängig davon birgt das Konzept jedoch enorme Vorteile. Im Vergleich zu vergangenen Weltmeisterschaften können Fans sehr viel Zeit und Geld für lange und teure Fahrten zwischen einzelnen Austragungsorten sparen. Dies ermöglicht, die Fußball-WM intensiver zu erleben und entweder im Stadion oder einem der vielen Fan-Feste mit Fans aus aller Welt zu feiern.
Wie haben Sie ihrem Kunden bei allem Umstrukturierungsaufwand glaubhaft versichert, dass der Umweltschutz auf keinen Fall zu kurz kommen wird?
STRACK: Mit unserer Idee der ersten vollständig CO2-neutralen Fußball-WM sind wir bei unserem Auftraggeber offene Türen eingerannt. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir eng mit dem deutschen Öko-Institut und den Klimaingenieuren von Transsolar zusammengearbeitet und innovative Konzepte entwickelt. Zum Beispiel werden die Stadien, Trainingsplätze und Public-Viewing-Bereiche mit Solarenergie auf angenehme Temperaturen gekühlt. Was die Größe und Anzahl der Stadien betrifft, sehen wir vor, die Kapazitäten nach der WM auf den Bedarf im Land zu reduzieren. 170 000 Sitzplätze werden dabei modular errichtet und nach dem Turnier in Form von 22 Kleinstadien als Fußballförderungsprojekt an Entwicklungsländer verschenkt – wenn man so will, die größte Recyclingaktion der WM-Geschichte.
Insgesamt bereitete ein Team aus mehr als 60 Personen die Bewerbung vor. Erwies es sich als Vorteil, auch die Webseite www.qatar2022bid.com darin integriert zu haben?
STRACK: Selbstverständlich. Die Website war und ist das zentrale Medium des Bewerbers Katar, um im eigenen Land und innerhalb der weltweiten Fußball-Community für Katars einzigartige WM-Konzeption zu werben. Hunderttausende Fans weltweit haben sich dort registriert und Bewerbungs-phasen verfolgt. Seit der FIFA-Entscheidung für Katar ist der Traffic nochmals dramatisch gestiegen.
Der Aufwand für die Bid Book-Erstellung klingt enorm. Steht dies im Verhältnis zum Nutzen?
STRACK: 18 Monate voller Einsatz des Teams, etliche Präsentations- und Abstimmungstermine und eine dauerhafte Präsenz in Doha sowie ein achtwöchiger Freigabeprozess der finalen Druck-dokumente sprechen für sich. Jede Zahl muss stimmen, jede Abbildung perfekt sein. Unsere Auftraggeber aus Katar haben nichts dem Zufall überlassen. So haben sie selbst die Bücher von München in das FIFA-Headquarter in Zürich gefahren. Und nicht nur die geforderte Anzahl, sondern die doppelte. In zwei getrennten Autos. Perfektion bis ins Detail. Das hat sicher auch die FIFA überzeugt und die FIFA-Fußballweltmeisterschaften sind nun mal die größte Sportveranstaltung der Welt. Da geht es neben dem Prestige für die austragende Nation, dem Verband und den Sponsoren auch um die Erschließung neuer Märkte für den Fußball. Im Fall des mittleren Ostens sprechen wir hier von 500 Millionen Menschen und im Jahr 2022 wird die Hälfte davon unter 25 Jahre alt sein. Dafür kann doch kein Aufwand zu groß sein.
Die Fragen stellte Martina Monsees.