Wie Back Market die Skepsis deutscher Kunden ausräumen will

Back Market will den deutschen Markt für Refurbished-Produkte erschließen. Doch wie General Manager Martin Hügli im Interview erklärt, muss das französische Unternehmen zunächst „viel Aufbauarbeit“ leisten. Das liegt auch am Qualitätsverständnis und an der Preissensibilität deutscher Konsumenten.
Back Market
"Die deutschen Konsumenten sind sehr skeptisch gegenüber Dingen, die sie nicht kennen", sagt Martin Hügli, General Manager von Back Market. (© Imago)

Herr Hügli, Back Market hat sich der Mission verschrieben, „Refurbished genauso vertrauenswürdig und attraktiv zu machen wie Neu“. Welche Intention steckt dahinter?

MARTIN HÜGLI: Im Grunde wollen wir zwei Probleme lösen. Das erste ist ein ökonomisches, wie das Beispiel iPhone zeigt: Seit es 2007 veröffentlicht wurde, boomt der Smartphone-Markt. Jedes Jahr kommen neue Modelle, die Geräte werden cooler, bunter und haben immer mehr Kameras. Seitdem kauft sich der deutsche Konsument im Schnitt alle 18 Monate ein neues Handy, dessen Preis auch immer teurer wird.

Das war in der Anfangszeit, als die Unterschiede vom letzten zum neuesten Modell noch wirklich groß waren, vermeintlich auch sinnvoll. Aber die Unterschiede sind inzwischen marginal. Bedeutet im Umkehrschluss: Es wird alle eineinhalb Jahre viel Geld ausgegeben für eine Leistung, die eigentlich gar nicht begründet ist.

Und das zweite Problem?

… ist ein ökologisches und in diesem Konsumkreislauf inbegriffen. Die Produktion von neuen Geräten ist extrem ressourcenintensiv. Gleichzeitig werden zu wenige Geräte vernünftig recycelt oder repariert. Was wiederum dazu führt, dass jedes Jahr mehr als 50 Millionen Tonnen Elektroschrott weltweit zusammenkommen. Tendenz steigend!

Wie trägt Back Market zur Lösung dieser Probleme bei?

Bei uns erhalten Verbraucher generalüberholte, von unseren Händlern aufbereitete Geräte, die sonst womöglich verschrottet worden wären – und das bis zu 70 Prozent günstiger als neu. Der Vorteil gegenüber Privatkäufen: Die Käufer können sicher sein, dass die Refurbished-Geräte technisch einwandfrei funktionieren. Zumal es auch bei uns drei Jahre Garantie gibt.

Wie unterscheidet sich Back Market von Ebay oder Amazon?

Amazon und Ebay sind Marktplätze für alles. Wir bieten ausschließlich Refurbished-Produkte an. Außerdem wird bei uns immer nur ein Händler pro Gerät und Zustand angezeigt.

Welche Händler werden bei Back Market angezeigt und welche nicht?

Wir haben einen Algorithmus, der anhand von Kriterien wie dem angebotenen Preis und der bisherigen Service-Qualität berechnet, welcher Händler der Beste ist. Dieser bekommt dann den Vorrang. Wir treffen die Auswahl im Interesse des Kunden, der mit der Sicherheit bei uns einkaufen kann, das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis angezeigt zu bekommen – und zwar ohne erst zehn, zwanzig verschiedene Händler miteinander vergleichen zu müssen.

Wer sind denn Ihre Kunden?

Im Moment haben wir vor allem junge Kunden im Alter zwischen 18 und 34 Jahren. Sie scheinen Refurbished-Produkten offener gegenüberzustehen als ältere Generationen. Bei der Konsumentengruppe 40 Jahre plus ist das Konsumverhalten dagegen gefestigter und es dauert länger, bis sie sich dazu entscheiden, etwas Neues auszuprobieren. Ich hoffe aber, dass wir auf lange Sicht auch ihnen zeigen können, dass es bessere Optionen gibt, als immer nur neu zu kaufen.

Was wird bei Back Market am meisten gekauft?

Am größten ist die Nachfrage nach Smartphones, Tablets und Laptops. Diese Geräte haben einen sehr gut etablierten Markt. Wir bieten aber auch E-Scooter, Küchengeräte, Staubsauger, Haartrockner und noch einiges mehr an, weil wir glauben, dass darin die Zukunft liegt, dass man sich bei sämtlichen Elektrogeräten fragt: Muss ich das neu kaufen oder gibt es eine nachhaltigere Alternative?

Als General Manager Deutschland sind Sie bei Back Market für den Ausbau der Marke zuständig. Was ist der wichtigste Punkt auf Ihrer Agenda?

Zunächst einmal: Vertrauen schaffen. Die deutschen Konsumenten orientieren sich zwar stark an nachhaltigen Werten. Gleichzeitig sind sie aber auch skeptisch gegenüber Dingen, die sie nicht kennen. Vielen ist zum Beispiel gar nicht bewusst, dass „gebraucht“ und „refurbished“ nicht dasselbe meinen. Hinzu kommt, dass die deutschen Konsumenten sehr preisgetrieben sind, obwohl Qualität bei der Kaufentscheidung eine mindestens genauso große Rolle spielen sollte. Da müssen wir noch viel Aufbauarbeit leisten.

Es ist aktuell also vor allem der Preis, der deutsche Kunden zum Kauf bei Back Market veranlasst?

In den meisten Fällen ist das derzeit leider noch immer so. Ich würde mir wünschen, dass der Faktor Nachhaltigkeit beim Kauf von Refurbished-Geräten künftig entscheidend sein wird.


Martin Hügli

Martin Hügli ist als General Manager für Deutschland und Österreich beim französischen Fairtech-Start-up Back Market tätig. In dieser Position verantwortet er das strategische Wachstum der Online-Plattform für generalüberholte Elektronikgeräte auf dem deutschsprachigen Markt. Zuvor arbeitete der gebürtige Schweizer ab 2007 als Manager für Corporate Development bei der Karriereplattform Xing in Hamburg. Anschließend war er in New York sechs Jahre bei Amazon als Head of Business Development für den Ausbau der Hörbuch-Plattform Audible verantwortlich. Darüber hinaus arbeitete er in der Vergangenheit unter anderem als Global Head of Sales beim New Yorker Medienunternehmen Bisnow und als Head of Revenue Operations beim digitalen Baumaschinenvermieter Klarx in München.


Wie sieht der Marketingmix von Back Market aus?

Unser Marketingmix ist sehr Performance-lastig. Neben Preisvergleichsportalen wie Shopping24 oder Idealo sind wir auf allen gängigen Social-Media-Kanälen und Youtube aktiv. Im vergangenen Jahr hatten wir auch TV-Kampagnen, von denen es 2021 vermutlich auch noch mehr geben wird. Nur offline waren wir bisher noch gar nicht.

Hat Back Market von der Corona-Krise profitiert?

Es wurde während der Pandemie ja grundsätzlich mehr online gekauft. Das haben wir auch bei Back Market gemerkt – insbesondere zu Beginn der Lockdowns. Durch den steigenden Bedarf an Laptops und Tablets fürs Homeoffice und Homeschooling wurden generalüberholte Geräte schnell zu einer beliebten und preiswerteren Alternative. Gleichzeitig ging durch die Schließung vieler Läden das Volumen bei unseren Rückkauf-Kanälen zurück, wodurch das Angebot insgesamt etwas knapper wurde. Das hat sich jedoch inzwischen wieder normalisiert.

Welche Ziele haben Sie auf dem deutschen Markt?

Wir wollen uns kurzfristig verstärkt auf den Ausbau von Kunden-Dienstleistungen fokussieren. Ich würde zum Beispiel gerne sehen, dass jeder Kunde sein Gerät innerhalb von zwei Tagen bekommt. Im Moment liegt die Lieferdauer durchschnittlich bei drei Tagen. Langfristig geht es darum, eine stabile Marke aufzubauen und Back Market im Bewusstsein der deutschen Konsumenten zu verankern. Ich wünsche mir, dass eine breite Masse von Konsumenten zu der Einsicht kommt: „Refurbished zu kaufen ist eine echte Alternative.“ Und direkt danach denkt: „Wir tun das bei Back Market.“

Jana Samsonova (jas, Jahrgang 1993) ist seit 2019 Autorin der absatzwirtschaft. Studiert hat sie Medienwissenschaften und Literatur, Kultur und Medien in Siegen, volontiert an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten im Museum, im Boxclub oder mit einem Set bunter Kunststoff-Klemmbausteine eines dänischen Spielwarenherstellers.