WeChat-Mutter Tencent spürt Chinas Wachstumskrise – und streicht Marketing-Budget zusammen

Jede Serie geht einmal zu Ende – auch die von Chinas Vorzeige-Internetkonzern Tencent. Die WeChat-Mutter musste gestern bei Vorlage ihrer Geschäftsbilanz für das abgelaufene Quartal den größten Gewinneinbruch in 15 Jahren eingestehen. Das nach Alibaba zweitwertvollste Unternehmen des asiatischen Riesenreichs leidet unter den Restriktionen der Regierung gegen Spielsucht.

Lange Zeit war es die wohl meistunterschätzte Erfolgsstory des Internets: Google, Facebook und Amazon bestimmten jahrelang die Schlagzeilen, doch in China ist in diesem Jahrzehnt fast unbemerkt ein neuer Herausforderer erwachsen, der inzwischen der zweitwertvollste Konzern Asiens ist – Tencent.

Der 20 Jahre alte Internet-Pionier aus Shenzhen wächst weiterhin schneller als die Konkurrenz aus dem Silicon Valley und besitzt mit WeChat den universellsten Messenger der Welt, der es inzwischen auf bereits 1,1 Milliarden monatlich aktive Nutzer bringt und Marketern schier unbegrenzte Werbemöglichkeiten bietet.

Werbemacht WeChat

Anfang 2011 wurde WeChat als asiatische Antwort auf den Messenger WhatsApp gestartet, der drei Jahre später von Facebook gekauft wurde. Doch WeChat ging weiter als die Nachrichten-App aus Russland: Schnell konnten Nutzer nicht nur einfache Textnachrichten, Fotos und auch Sticker versenden und (Video-)Telefonate führen, sondern auch andere nützliche Informationen im Internet finden, für die man bisher eine andere App benötigte – das nächste Taxi, Jobangebot oder den passenden Arzt.

Wenig später baute Tencent WeChat zum mobilen Internet in einer App um, in der die Grenzen zwischen einem sozialen Netzwerk, Online-Spielen und E-Commerce-Angeboten zunehmend verschwammen. In der Universal-App können Nutzer über das mobile Bezahlsystem Wallet ebenfalls Kinokarten, eine Pizza und Flugtickets bestellen oder Parkscheine begleichen. Längst erscheint WeChat wie das Schweizer Taschenmesser des sozialen Internets für die Smartphone-Generation – und inzwischen gar als Vorbild für Facebooks Umbau zum Messenger-Konzern.

Größter Gewinneinbruch seit Börsengang

Über Jahre verblüffte Tencent dank seiner Lebensversicherung WeChat Anleger rund um den Globus mit explosivem Wachstum – nun jedoch bremst der konjunkturelle Abschwung in China den nach Alibaba zweitwertvollsten Konzern im Reich der Mitte. Die Umsätze legten in den letzten drei Monaten des abgelaufenen Geschäftsjahres zwar weiterhin um 28 Prozent auf 12,37 Milliarden Dollar zu. 

Im Schlussquartal 2018 musste der Internet-Pionier aus Shenzhen jedoch überraschend den größten Gewinnrückgang seit dem Börsengang 2004 hinnehmen – einen Einbruch von gleich 32 Prozent auf 2,1 Milliarden Dollar (14,2 Milliarden Yuan).

Marketing-Budget das erste Mal seit 2015 gekürzt

Um dem herausfordernden Umfeld zu begegnen, hat sich CEO Ma Huateng zu ungewöhnlichen Maßnahmen entschieden: Erstmals seit dem zweiten Quartal 2015 hat der WeChat-Konzern seine Marketing-Aktivitäten wieder zurückgefahren – betroffen war in erster Linie die Spiele-Sparte. In den Vorquartalen legten die Ausgaben noch um 40 bis 60 Prozent zu.

Maßgeblichen Anteil an der schwächeren Geschäftsentwicklung hatten einerseits Einmalaufwendungen im Rahmen des Börsengangs der Streaming-Tochter Tencent Music, andererseits das restriktive Vorgehen der chinesischen Regierung bei Online-Games.

Um der Spielsucht Einhalt zu gebieten, hatten chinesische Behörden im vergangenen Jahr einen neunmonatigen Zulassungsstopp erteilt, der erst im Dezember ausgelaufen war. Ergebnis: Tencent gingen lukrative Einnahmequellen durch neue kostenpflichtige Spiele  – wie etwa dem Mega-Hit Fortnite Battle Royal – verloren. Seitdem haben die Behörden in Peking grünes Licht für neun neue Spiele gegeben.

Werbesparte bleibt Wachstumstreiber

Insgesamt erzielte Tencent in seiner Smartphone-Sparte Value Added Services, in die Erlöse durch Online-Spiele einfließen, lediglich noch einen Umsatzzuwachs von 12 Prozent, während die Erlöse aus dem Social Network-Segment um 25 Prozent zulegten.

Beachtlich: Das Geschäft mit Online-Werbung gehört mit Zuwächsen von 38 Prozent zu den Wachstumstreibern, wobei die Umsätze mit Anzeigen im Social Media-Segment mit einem Plus von 44 Prozent noch dynamischer wuchsen.