Warum reagierte Aegis Media so spät?

Am vergangenen Freitag wurde der öffentliche Druck auf Aegis Media und deren CEO Andreas Bölte zu groß. Er gab zu: Aleksander Ruzicka wurde vom eigenen Unternehmen angezeigt. Ruzicka äußerte diesen Verdacht gegenüber absatzwirtschaft bereits im Interview am 10.September.

Von Michael Ziesmann

Andreas Bölte als CEO Zentraleuropa, Baltikum und Südafrika ließ offiziell mitteilen: Die Agenturgruppe habe „frühzeitig alle erforderlichen Schritte eingeleitet und den Ermittlungsprozess selbst angestoßen.“ Mit der Staatsanwaltschaft habe es laut Andreas Bölte während des gesamten Ermittlungsverfahrens eine Verschwiegenheitsvereinbarung gegeben. Da die Ermittlungen gegen den ehemaligen CEO nun abgeschlossen seien und der Prozessbeginn kurz bevor stünde, sei „diese Vertraulichkeit nun nicht mehr erforderlich, und das Unternehmen in der Lage, mit diesem Thema pro-aktiv umzugehen“, heißt es in der Erklärung, die Aegis Media gegenüber Horizont verlautbarte.

Laut Staatsanwaltschaft gab es aber weder eine Vertraulichkeitszusage noch sind die Ermittlungen abgeschlossen. Ganz im Gegenteil wie Oberstaatsanwalt und Pressesprecher Hartmut Ferse festhält. Es werde nach wie vor gegen 27 Personen ermittelt. Zudem steht der Prozessbeginn keineswegs kurz bevor. Die Entscheidung von Aegis vom letzten Freitag hätte demnach im Juli ebenso aussehen können, als die Anklage fertig gestellt war. Bis heute ist unklar, ob diese überhaupt zugelassen wird. Aber auch wenn über die Anklage Mitte November positiv entschieden werden sollte, ist mit der Eröffnung der Hauptverhandlung nicht vor Januar oder Februar 2008 zu rechnen. Inzwischen bleibt Ruzicka in Untersuchungshaft, wie das OLG Frankfurt am Main vergangene Woche entschieden hat.

Erstaunlich ist dabei, dass Aegis Media zwar im Juli 2005 mit einer Anzeige reagierte, aber nicht eingriff und ihren CEO Ruzicka erst auf eigenen Wunsch am 14.September 2006 beurlaubte und sich am 10.Oktober 2006 einvernehmlich von ihm trennte. Denn bereits im 1.Halbjahr 2005 gab es einen begründeten Verdacht über Unregelmäßigkeiten bei Aegis Media und Aleksander Ruzicka. Zumal Andreas Bölte als neuer Finanzchef Zugang zum Buchhaltungssystem von Aegis Media hatte und gleichzeitig auf Schritt und Tritt mit Ruzicka unterwegs war. Firmenanwalt verfasste schließlich eine neunseitige Strafanzeige, die absatzwirtschaft vorliegt. Diese jedoch thematisiert hauptsächlich private Details und Mutmaßungen.

Ruzickas angebliche Fahrzeuge, Anlageobjekte in Ostdeutschland und Kunstwerke in seinem Vorgarten sind ebenso Thema der Anzeige wie die Beschimpfung seines Lebensgefährten oder wann Ruzicka wo mit wem angeblich essen ging. Auch das inzwischen involvierte Aegis Headquarter in London schaute noch 15 Monate (von Juli 2005 bis Oktober 2006) zu, wie Ruzicka demnach weiterhin Geld veruntreute. Aegis bestätigt heute: Der Prozess der Berichtigung habe ab dem Zeitpunkt der Anzeige begonnen.

Darüber, warum Ruzicka nicht sofort fristlos gekündigt worden ist, lässt sich nur spekulieren. Ein Unternehmen, das sich betrogen fühlt und einen Anfangsverdacht hat, reagiert anders: Ruzicka wäre sofort suspendiert, diskret gegangen, verklagt und gepfändet worden. Letzteres versucht Aegis inzwischen sowieso – auch ohne Anklage oder gar Urteil gegen Ruzicka. Danach wären die Unterlagen den Behörden übergeben worden. Bei Geschäftsführern ist für eine Kündigung keine Angabe von Gründen erforderlich. Warum also 15 Monate auf die Ergebnisse der Ermittlungen warten? Sechs Monate Kündigungsfrist bei sofortiger Beurlaubung wären kürzer und billiger gewesen. Weshalb ein so enormer Aufwand und das Risiko den eigenen Ruf zu ruinieren, nur um Ruzicka los zu werden, und eine angebliche Untreue zu unterbinden?

Weitere Statements zum Fall Ruzicka:

Staatsanwaltschaft Wiesbaden, Oberstaatsanwalt Hartmut Ferse:

„Es gab im Ermittlungsverfahren gegen Ruzicka u.a. keine Vertraulichkeitszusage (das ist eine prozessuale Erklärung, die gewährleistet, dass die Personalien einer gefährdeten Person im Verfahren nicht bekannt gegeben werden). Der Firma Aegis ist jedoch erläutert worden, dass die Staatsanwaltschaft keine aktive Presseinformationspolitik mittels Presseerklärungen betreibt und sich im Übrigen auf Auskünfte beschränkt, die weitere Ermittlungen nicht gefährden. Das gilt auch weiterhin. Die Kommunikation der Firma mit unserer Behörde erfolgte über die beauftragten Anwälte. Soweit es den Vorwurf aus der Anklage angeht, sind die Ermittlungen gegen vier Personen abgeschlossen, im Übrigen laufen sie gegen 27 Beschuldigte weiter. Soweit durch die Öffentlichkeitsarbeit von Prozessbeteiligten nicht die Ermittlungen gefährdet oder sonst gegen Strafgesetze verstoßen wird, kann jeder von seinem Recht auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit Gebrauch machen“.

Aegis Media Headquarter London, Konzernsprecherin Charlotte Elston:

“The Ruzicka embezzlement was far from simple, which is why external agencies were required to investigate it. This is no reflection on the internal controls at Aegis Media. Throughout this affair, the correct processes have been followed to the letter. As soon as the State Prosecutor was informed of suspicion, every party with knowledge of the affair was bound by a duty of confidentiality, and had to await the results of the investigation. To breach this, whether to an internal or external party, would have been a criminal offence. Our external attorney has been involved at all times, and has ensured that due process has been observed throughout. The senior management team of Aegis has complete faith in Andreas Boelte as regional CEO, who has made a vital contribution in leading our German business since September 2006. You are welcome to use any or all of this as a verbatim comment from Aegis.”