Vom Gegeneinander zum Miteinander

Eine Einladung zu einem Selbstexperiment: täglich radikale Empathie zu praktizieren. Für mehr Verbundenheit statt Trennung.
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Virginie Briand, Partner bei Deloitte Creative Consultancy, plädiert für radikale Empathie - und wagt damit ein Selbstexperiment. (© Thorsten Jochim (Montage: Olaf Heß))

In meiner ersten Kolumne an dieser Stelle habe ich mich verpflichtet, jeden meiner Beiträge mit einer Art Selbstexperiment abzuschließen, zu dem ich auch Sie einlade. Darum soll es auch heute gehen. Und zwar zu einem Thema, das mich ganz besonders umtreibt: Unserer Spaltung. Unserem Gegeneinander. Unserer Hysterie. Um nur ein paar Beispiele zu nennen:

Männer gegen Frauen, Generation Z gegen Millennials gegen Boomer, rote Staaten gegen blaue Staaten, Fleischesser gegen Veganer, Diesel gegen Elektro gegen Fahrrad, Kuh- gegen Hafermilch.

Egal ob das Thema Ungerechtigkeit, Ungleichheit, Rassismus, Sexismus, Mobilität, die Klimakrise, Gendern oder die Wahl unserer Kaffeemilch ist – es scheint unendlich viele Gründe für ein „Wir gegen die anderen“-Narrativ zu geben. 

Verbindung statt Trennung

Eigentlich – so würde man denken – müssten wir doch mittlerweile längst verstanden haben, dass uns die Betonung des Trennenden nicht weiterbringt. Nur wenn wir im Gespräch bleiben, ja, das Gespräch suchen (besonders da, wo es am meisten wehtut), können wir Gemeinsamkeiten und Verbindendes finden. Lassen Sie uns Wege, Verbindungen und Brücken zu offenen und ehrlichen Gesprächen schaffen. Erst auf dieser Basis kann es uns gelingen, diesen toxischen Kreislauf von Voreingenommenheit und Hass zu durchbrechen. 

Klingt in der Theorie einfach, ist es aber nicht. Denn hier steht uns unsere eigene Programmierung im Weg: Ein sogenanntes Negativitäts-Bias lässt uns Negatives besser als Positives abspeichern. In der Konsequenz suchen (und finden) wir permanent Argumente und Gründe, die unsere bereits bestehende Überzeugung – und etwaige Antihaltung – stützen. Willkommen im Teufelskreis, der die Gräben zwischen uns täglich weiter vertieft. 

Mit Empathie den Kreis durchbrechen

Wie können wir diese Spirale durchbrechen? Mit dem täglichen Praktizieren von radikaler Empathie. Und genau zu diesem Experiment möchte ich uns alle ­motivieren und begeistern. Es schreibt sich so einfach und ist dennoch so unglaublich schwer: aktiv in die Schuhe einer anderen Person zu schlüpfen. Diese Vorstellung zwingt uns dazu, einen anderen Standpunkt wirklich zu berücksichtigen, ihn tief in uns zu spüren und zu verinnerlichen. Ihn zuzulassen.

Radikale Empathie bedeutet auch, sich ganz bewusst außerhalb unserer üblichen Emotionen und Denkmuster zu bewegen und das für uns Fremde und Andersartige zu suchen. Das Ergebnis? Die Chance, Verbindungen zu bauen und wieder miteinander in den Dialog zu treten – interessiert, offenherzig, ehrlich. So können wir uns gemeinsam auf den Weg begeben, das zu tun, was für eine funktionierende Gesellschaft und Demokratie wesentlich ist: gemeinsam nach Lösungen und Kompromissen suchen. 

Lassen Sie uns also dieses „Wir gegen die anderen“-Narrativ unterbrechen und eine Koalition von Zu­gewandten schaffen, in der es uns gelingt, Alter, ­Geschlecht, Ethnizität oder Religion zu überwinden. 

Sind Sie dabei?

Virginie Briand ist Partnerin Creative Consulting bei Deloitte Digital. Die Kolumnistin unterstützt seit über 20 Jahren Führungskräfte und Organisationen bei der Kommunikation.