Die Konsumenten von morgen: „Die Vorliebe für große Marken wird von den Eltern an die Kinder weitergegeben“

Markenbildung beginnt schon in frühester Jugend. Anfangs haben Eltern den größten Einfluss, später werden sie von Medien und Communitys abgelöst. Wie der Nachwuchs tickt, verändert sich nicht nur mit dem Alter, sondern auch durch die Vielfalt digitaler Kommunikation. Marken müssen sich darauf einstellen.
Wer jung ist und Apps liebt, gehört zu den digital Natives. Wie sprechen Marken diese richtig an?

Früh Vertrauen aufbauen

Im Grunde können Marken nicht früh genug damit beginnen, eine Bindung zu (späteren) Konsumenten aufzubauen. Sie profitieren davon, wenn „sich junge Menschen an die Marke und ihre Produkte gewöhnen“, sagt Markenberater Peter Pirck. Manche Unternehmen entwickeln eigene Angebote für jene Zielgruppe, auch wenn sie zunächst keinen riesigen Umsatz damit erzielen. Aber es ist vermutlich eine gute Investition, wenn beispielsweise Vodafone seinen Kunden einen Kids-Tarif anbietet, der eine Standleitung zwischen Eltern und Kindern inklusive Schutz vor gefährlichen Internetseiten anbietet – und für Zehnjährige schon mal den Wechsel in den „Young Smartphone“-Tarif annonciert. Oder Weleda: Der Naturkosmetikhersteller bringt eigens „Kids 2in1-Shower & Shampoo“-Produkte heraus. Das Verpackungsdesign mit den Tiermotiven Delfin, Nilpferd, Robbe sowie die Duftkompositionen – Süße Vanille, Spritzige Limette, Fruchtige Orange – wurden von Eltern und ihren Kindern ausgesucht. Zudem fassen die Tuben nur 150 Milliliter, damit sie handlich für die Kleinen sind. Oder Rewe: Der Lebensmittelhändler verteilt zur Einschulung kostenlos Schultüten, die Kinder und ihre Eltern am Wochenende vor dem ersten Schultag in einer Filiale abholen können. Neben Obst und Schulutensilien finden sich in der mit Kindermotiven gestalteten Tüte Broschüren mit Tipps für ausgewogenes Essen.

Willkommen im Club

Kontakte vertiefen und Bindung verstärken – das versprechen sich Unternehmen davon, wenn sie eigene Clubs für Kinder und Jugendliche betreiben. Die Sparkassen praktizieren das schon seit vielen Jahren („Knax-Club“), auch Bauhaus unterhält für den Nachwuchs ambitionierter Heimwerker einen Kids-Club. Jeden ersten Samstag eines Monats können Kinder Bilderrahmen dekorieren, Türschilder basteln oder Vogelhäuser bemalen.

Die Idee des „Kids-Clubs“ fällt vor allem im Fußball auf fruchtbaren Boden. Die Sportart hat bei Kindern und Jugendlichen ohnehin kräftig gepunktet. Während der Anteil der bis 14-Jährigen in der deutschen Bevölkerung in den vergangenen 15 Jahren insgesamt um rund 2,5 Millionen und somit deutlich zurückgegangen ist, ist die Zahl der Fußballinteressierten zwischen 2005 und 2010 von 3,3 auf 4,5 Millionen nach oben geschnellt und seither stabil geblieben. Somit ist fast die Hälfte (44 Prozent) dieser Altersgruppe fußballinteressiert.

Das hat zweifellos mit der prinzipiell wachsenden Begeisterung für diese Sportart zu tun, unter anderem verstärkt durch die WM 2006 im eigenen Land und den Gewinn der Weltmeisterschaft 2014. Der Trend gehe aber auch auf die intensiven Bemühungen der Fußballclubs zurück, analysiert Peter Rohlmann. Der Inhaber der Agentur PR Marketing in Rheine weist in seiner Studie „Kids-Marketing im Sport – Kampf um den Nachwuchs“ nach, dass Kids-Clubs wirkungsvolle Instrumente sind, um junge Fans früh an eine Sportart und einen Sportverein zu binden. In der Bundesliga betreiben fast alle Vereine (17 von 18) einen Kids-Club; sie ist damit laut Studie auch in Europa führend, nur in den Niederlanden ist die Durchdringung mit 100 Prozent noch höher. Dahinter klafft jedoch eine Lücke: Die Schweiz und Österreich folgen mit 50 und 40 Prozent, während Kids-Clubs in den Topligen in England selten (Anzahl: 3/15 Prozent) und in Spanien überhaupt nicht existieren.

Marken als Entwicklungshelfer

Wenig erforscht sind bislang die psychologische Funktion der Marken und ihre Rolle als Entwicklungshelfer für die Jüngsten, sagt Cornelia Krebs, Leiterin Werbewirkungsforschung bei der RTL-Tochter IP Deutschland. Herausfordernd sei, dazu Daten zu erheben: „Selbst smarte Kinder können Fragen zur emotionalen Markenwahrnehmung nicht beantworten.“ Anders als Erwachsene erleben Kinder intensiv, sie vermischen permanent Fantasie und Realität und bauen Geschichten rund um das, was sie wahrnehmen. „Auch die Übertreibung hat ihren festen Platz in den Welten der Kinder“, sagt Carmen Schenkel vom Institut September mit Blick auf eine Studie im Auftrag von IP. Sie kombinierte die Messung von psychophysiologischen Reaktionen mit Interviews, in denen jeweils zwei befreundete Kinder (sechs bis zehn Jahre) aufgefordert wurden, die Story getesteter Spots und ihre Wahrnehmung der Produkte zu beschreiben.

Es zeigt sich: Zwischen der Wirkung von Spots auf dem TV-Schirm und dem Smartphone gibt es deutliche Unterschiede. Bei der Nutzung eines Smartphones befindet man sich in der Grundverfassung des entspannten Abschaltens. Die muss unterbrochen werden, damit Werbung überhaupt wirken kann. Ein Fernseher hingegen ist für Kinder wie ein Fenster, durch das sie große Geschichten verfolgen können, Realität verschmilzt mit Fantasie. Entsprechend sollten Spots für beide Devices verschieden aufgebaut sein. Auf dem Smartphone zum Beispiel müssen sie zunächst den Entspannungsmodus durchbrechen, etwa durch fokussierte Botschaften, optische Höhepunkte und prägnante Musik.

Weil das Produzieren von speziell an TV und Smartphone angepasste Spots nicht immer möglich ist, gilt diese gemeinsame Formel: „Spots beginnen zügig mit der Story, bestehen aus nur wenigen, aber dafür prägnanten Elementen und zeigen die Marke im Moment des Erlebnispeaks.“

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.