„Alt zu sein ist kein Makel, sondern ein Vorteil“

Mit 71 Jahren hat Elke Jensen gegründet. Im Interview erklärt sie, dass das Alter keine Grenze für Innovation ist und warum gerade die Kreativbranche gegen Altersdiskriminierung vorgehen sollte.
Elke Jensen, Designerin und Gründerin von City Caddy, verwandelte ihre Vision von stilvoller Mobilität in eine innovative Gehhilfe.
Elke Jensen, Designerin und Gründerin von City Caddy, verwandelte ihre Vision von stilvoller Mobilität in eine innovative Gehhilfe. (© City Caddy / Enver Hirsch)

Elke Jensen hat mit ihrer Gründung von City Caddy einen mutigen Schritt gewagt: Im Alter von 71 Jahren entwickelte die emeritierte Professorin im Bereich Design ein Produkt, das Funktionalität und Ästhetik für ältere Menschen verbindet. Das ist knapp vier Jahre her. In der Zwischenzeit pitchte Jensen sogar in der Höhle der Löwen. Ihre Mission geht weit über das Produkt hinaus. Jensen positioniert sich gegen Altersdiskriminierung und zeigt, dass Erfahrung und Kreativität auch im fortgeschrittenen Alter entscheidende Vorteile sein können. Im Interview spricht sie über Herausforderungen, Chancen und die Bedeutung eines positiven Altersbildes. 

Frau Jensen, Sie haben bereits eine beeindruckende Karriere als Professorin hinter sich. Trotzdem haben Sie im fortgeschrittenen Alter gegründet – obwohl Altersdiskriminierung eine Realität in unserer Gesellschaft darstellt. Welche Erfahrungen haben Sie in diesem Zusammenhang gemacht, insbesondere in der Kreativbranche? 

Richtig diskriminiert habe ich mich nie gefühlt, aber das Thema begegnet einem schon immer wieder auf subtile, aber prägende Weise. In der Kreativbranche wird Jugend oft glorifiziert – Schnelligkeit, Dynamik, ein immer neuer Zeitgeist. Ältere Menschen, die Erfahrung und Ruhe mitbringen, werden dabei häufig übersehen, obwohl genau das ein unglaublicher Wert ist. Als ich City Caddy gegründet habe, musste ich lernen, dass ich als ältere Frau oft nicht sofort ernst genommen wurde, obwohl ich Jahrzehnte an Erfahrung in Produktdesign und Bildung mitbringe. 

Wie zeigt sich Altersdiskriminierung konkret? 

Es gibt viele kleine Momente. Als ich meine Idee zunächst anderen präsentieren wollte, habe ich gemerkt, dass mein Alter als Hindernis wahrgenommen wurde. Zum Beispiel wurde mir geraten, jüngere Partner hinzuzuziehen, wenn ich Finanzierung benötige, weil Banken älteren Gründerinnen skeptisch gegenüberstehen. Es wird oft impliziert, dass ältere Menschen weniger belastbar oder innovativ seien. Das entspricht aber nicht der Realität – im Gegenteil. Gerade in der Kreativbranche wäre mehr Wertschätzung für unterschiedliche Altersgruppen wichtig. 

Was glauben Sie, welche Stärken ältere Kreative und Gründerinnen mitbringen? 

Ältere Menschen haben Geduld, Präzision und die Fähigkeit, Dinge langfristig zu betrachten. Wir haben gelernt, dass Erfolg und Fortschritt Zeit brauchen und lassen uns nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Das kann in der Kreativbranche, die oft hektisch und schnelllebig ist, ein entscheidender Vorteil sein. Natürlich ist es wichtig, ein diverses Team zu haben, in dem Jung und Alt ihre Stärken einbringen. 

Glauben Sie, dass Kreativität mit dem Alter nachlässt? 

Nein, das denke ich nicht. Kreativität ist etwas, das früh im Leben angelegt wird und sich durch Erfahrung weiterentwickelt. Was sich vielleicht verändert, ist der Fokus. Während junge Menschen oft schneller und risikobereiter arbeiten, schauen Ältere eher über den Tellerrand hinaus und denken pragmatischer. Kreativität ist keine Frage des Alters, sondern der Perspektive. 

City Caddy kombiniert Funktionalität und Ästhetik – Werte, die oft in der Produktgestaltung für ältere Zielgruppen vernachlässigt werden. Wie wichtig ist es Ihnen, ein Umdenken in diesem Bereich anzustoßen? 

Das ist der Kern meines Unternehmens. Menschen wollen keine Produkte, die nur funktionieren – sie wollen Produkte, die sie gerne benutzen, die sie stolz machen. Das gilt für ältere Menschen genauso wie für jüngere. Funktionalität und Ästhetik dürfen kein Widerspruch sein. Wir möchten zeigen, dass Produkte für ältere Menschen nicht betulich oder rein pragmatisch sein müssen, sondern Freude bereiten und Selbstbewusstsein stärken können. 
 
Die Botschaft ist also: „Alter ist keine Grenze, sondern eine Chance“?  

Richtig. Es geht darum, ein positives Altersbild zu fördern. Ältere Menschen sind genauso Teil der Gesellschaft wie jüngere, und sie verdienen Produkte, die ihre Bedürfnisse ernst nehmen, ohne sie zu stigmatisieren. Gleichzeitig möchte ich andere ermutigen, im Alter Neues zu wagen – sei es eine Gründung, ein neues Hobby oder ein ganz neuer Lebensabschnitt.  

Sie sind das Gesicht der Marke. Ein Vorteil? 

Die Frage, wie ich mich als Person positioniere, war nicht einfach. Ich wollte zunächst nicht im Vordergrund stehen. Erst durch die Rückmeldungen meiner Pressefrau habe ich verstanden, dass meine Person – und mein Alter – eine wichtige Botschaft transportieren können: Alt zu sein ist kein Makel, sondern ein Vorteil. 

Was würden Sie anderen Menschen, die sich von Altersdiskriminierung entmutigt fühlen, mit auf den Weg geben? 

Haben Sie Mut, auch den Mut zum Scheitern. Lassen Sie sich nicht von den Erwartungen anderer oder gesellschaftlichen Normen einschränken. Erfolg kommt oft durch Ausdauer und die Bereitschaft, Rückschläge hinzunehmen.  

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.