Alles beginnt mit der verbalen Idee

Die Menschen werden heute mit Werbebildern überfrachtet. Auf die Hauptursache weist ein in Werbekreisen vielfach zitierter Spruch hin: „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Gesagt, getan. Trotzdem gehen die meisten Bilder samt den beworbenen Marken in der Flut der Bilder und Marken doch sang- und klanglos unter.

Von Michael Brandtner und Laura Ries

Der Fluch der abstrakten Bilder: Schuld daran sind aber nicht die ausgewählten Bilder. Vielmehr liegt die Hauptschuld daran, dass die meisten Markenstatements sich nicht visualisieren lassen. Ein wesentlicher Grund dafür liegt darin, dass sich das Management in eine abstrakte Sprache verliebt hat. So findet man in den typischen Markenstatements Begriffe wie Tradition, Innovation, Qualität, Kundenorientierung oder Kreativität.
Nur genau solche Begriffe lassen sich nur schwer visualisieren. Sie sprechen die Sprache der Manager, aber leider nicht die Sprache der Kunden. Damit beginnt das Problem. Denn genau diese Markenstatements sind dann die Vorgabe für die Markenpositionierung und die Markenclaims. Damit sind wir schon beim zweiten Fluch in der Markenführung heute: der Fluch der abstrakten Slogans.

Folgen abstrakter Markenstatements

Abstrakte Markenstatements führen in der Regel auch zu abstrakten Markenpositionierungen und zu abstrakten Slogans. Nehmen Sie den aktuellen Slogan von Opel. Wie wollen Sie „Autos zum Leben“ visualisieren? Das Gleiche gilt auch für den Slogan von Ford mit „Feel the difference“ oder auch den von Renault mit „Drive the change“. Jeder Lernpsychologe weiß, dass eine bildhafte Sprache mehr Lernerfolge erzielt als eine abstrakte Sprache. Nur diese Binsenweisheit dürfte sich nicht bis in die Welt vieler Marketingleute und vieler Werbeagenturen herumgesprochen haben. Nur damit gibt man zwei große Vorteile in der Markenführung einfach auf:

  • Eine bildhafte Sprache funktioniert in der Regel auch in der Mundpropaganda besser als eine abstrakte Sprache.
  • Eine bildhafte Sprache lässt sich leichter visualisieren und erzeugt auch sofort Bilder und Bildwelten in den Köpfen der Kunden.

Doppeltes Werbedilemma

Damit haben wir heute wirklich ein doppeltes Werbedilemma. Erstens: Die Werbesprache ist heute in vielen Fällen einfach nur mehr abstrakt und für die Kunden bedeutungslos. Frage an Sie: Wann haben Sie wirklich zum letzten Mal bewusst den Text eines Inserats gelesen? (In der Regel steigt man spätestens nach dem zweiten Satz aus.) Zweitens: Um anscheinend von den belanglosen Texten abzulenken, flüchtet man sich dann in dynamische und schnell wechselnde Bildwelten. Typisches Beispiel dafür ist etwa die brandneue Kampagne der Lufthansa mit Texten wie „Buchung. Landung. Brandung.“ und dann dem Bild eines Kindes im Meer. Das könnte auch jeder Reiseanbieter dieser Erde sein.

Oder haben Sie heute ein aktuelles Werbebild von Persil oder Ariel im Kopf ? Wahrscheinlich nicht. Denn beide Marken setzen zurzeit auf eher
austauschbare Bildwelten. Das war nicht immer so. Früher hatte man von beiden Marken ein klares Bild verbunden mit einer klaren Botschaft. Für Persil war dies der Persil-Mann und der Claim „Da weiß man, was man hat.“ Für Ariel war es Klementine, die aufzeigte, dass es mit Ariel nicht nur sauber, sondern rein wird.

Oder nehmen Sie Blend-a-med. Noch heute können sich viele Menschen an den früheren Slogan „Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubeißen können“ und das frühere Schlüsselbild vom Apfel, einmal mit und einmal ohne Blut erinnern. Und heute: Wie ist Blend-amed heute in Ihrem Kopf positioniert? Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Möglichkeit 1: Sie erinnern sich noch an die Bildwelt von früher. Möglichkeit 2: Blend-a-med ist für Sie maximal eine weitere Zahnpastamarke unter vielen.

Aber die Ursache liegt tiefer. Sie liegt, wie bereits erwähnt, in den Markenstatements selbst. Diese müssen wieder konkreter und bildhafter werden. Im Idealfall sind das Markenstatement und damit auch die zentrale Markenpositionierung heute rund um ein einziges „bildhaftes“ Schlagwort aufgebaut. Hier einige Beispiele:

Dr. Best:
BMW:
GEOX:
Wagner Pizza:

Cetebe:
nachgebend
Fahrfreude
atmet
Steinofen
Langzeit-C

Der rote Faden in der Markenführung

Aber auch BMW machte kürzlich den Fehler, von Fahrfreude auf Freude zu wechseln. Natürlich ist ein Konzept wie Freude breiter als ein Konzept wie Fahrfreude. Nur Fahrfreude ist die viel konkretere und vor allem viel leichter visualisierbare Idee. Bei Fahrfreude denkt man an Serpentinen, schnell gefahrene Kurven und den Kick beim Überholen. Bei Freude denkt man an vieles aber an nicht wirklich an etwas Konkretes. Auch andere Autos können Freude machen. So ist die aktuelle Werbelinie von BMW rund um den neuen 3er-BMW wieder sehr viel besser als die vorhergehende. Fahrfreude schlägt Freude jederzeit. Aber auch Dr. Best sollte sich wieder auf die eigene Bildwelt von früher besinnen, wenn man nicht den roten Faden in der Markenführung verlieren will.

Der große Dove-Fehler: Oder nehmen Sie Dove aus dem Hause Unilever. Die verbale Idee, die Dove zum Durchbruch verhalf, war „mit ¼ Feuchtigkeitscreme“. Diese Idee wurde vor allem in den Fernsehspots perfekt visualisiert, indem man die Creme in das Duschbad einfüllte. Damit sprach man an, dass herkömmliche Duschbäder die Haut austrocknen. Gleichzeitig machte man so die Idee für die Menschen extrem nachvollziehbar und auch glaubwürdig. Bilder lügen nicht. Wenn man sich heute die Werbelinien der Marke Dove ansieht, wird man von verschiedenen Botschaften und Bildwelten einfach erschlagen. Anscheinend haben jedes Dove-Produkt und auch jede Dove-Pflegelinie ihre eigene
verbale und visuelle Botschaft. Das ist keine gute Idee. Schon gar nicht, wenn man gegen eine Nivea antreten muss, die sich wieder auf ihre alten Stärken rund um die verbale Idee Pflege und das Bild der blauen Dose im Logo besinnt.

Zuerst das Wort, dann das Bild

Markenpositionierung ist immer etwas Verbales. Man schreibt diese im Markenstatement nieder. Nur schon beim Entwickeln der grundlegenden verbalen Markenpositionierung sollte man immer die Visualisierung im Kopf haben. Denn der beste Weg, eine verbale Idee in die Köpfe der Kunden zu bringen, ist – wie wir es nennen – ein visueller Hammer.
Die verbale Idee für die Zahnbürste Dr. Best ist „nachgebend“. Der visuelle Hammer ist die Tomate. Die verbale Idee der italienischen Schuhmarke Geox ist:„atmet“. Der visuelle Hammer ist die dampfende Schuhsohle. Die verbale Idee von BMW ist „Fahrfreude“. Der visuelle Hammer dazu ist ein BMW-Fahrzeug, das durch viele Kurven in einem Fernsehspot gejagt wird. Der verbale Nagel der Wagner Pizza von Nestlé ist „Steinofen“. Der visuelle Hammer ist der „Steinofen“ selbst, der auch auf der Verpackung visualisiert wird. Und die verbale Idee des Nahrungsergänzungsmittels Cetebe ist „Langzeit-C“. Die perfekte Visualisierung dazu sind die Zeitperlen in der Werbung und auch auf der Verpackung.

Das Interessante an diesem Konzept ist, dass, wenn sich die verbale Idee für Ihre Marke einfach visualisieren lässt, diese auch in der Mundpropaganda perfekt funktioniert. Wie also lautet Ihre grundlegende Markenpositionierung? Lässt sich diese verbale Idee einfach visualisieren? Und haben Sie dazu einen visuellen Hammer in der Werbung, der diese verbale Idee emotional in den Köpfen der Kunden festnagelt? Es sind
Ihr Geld und Ihre Entscheidung.

Über die Autoren: Michael Brandtner ist Spezialist für strategische Markenpositionierung in Rohrbach, Österreich, und Associate im Beraternetzwerk von Al und Laura Ries. Laura Ries ist Geschäftsführerin der Markenstrategieberatung Ries & Ries in Atlanta, Georgia. Ihr neues Buch „Visual Hammer“ ist im März als E-Book erschienen.

www.brandtneronbranding.com,
www.riespieces.com