Ad-Tech: Warum künstliche Intelligenz weiterhin Science-Fiction bleibt

Künstliche Intelligenz ist derzeit ein Trendthemen. Die Fortschritte scheinen immens: Die Werbeagentur Saatchi & Saatchi stellte einen Film vor, der vollständig von einer Künstlichen Intelligenz erschaffen wurde. Und IBM Watson lieferte erstmals Onlineanzeigen aus, die unmittelbare Rückfragen der Konsumenten KI-gestützt beantworten können. Doch von solchen Ideen abgesehen führt KI in der Werbebranche weiterhin eine Randexistenz.

Von Gastautor Eymeric Chateau, Country Manager Central & Southern Europe bei Turn

Facebook, Google, Amazon und Microsoft sind in Sachen KI-Forschung die Vorreiter. Eine ganze Reihe von Problemen, die bis vor wenigen Jahren unüberwindbar schienen, haben sie gelöst. Es ist ihnen gelungen, Anwendungen zu entwickeln, die Science-Fiction-Romane uns bislang als ferne Zukunftstechnologien präsentierten. Insbesondere die Spracherkennung und -verarbeitung hat Fortschritte gemacht.

Alexa von Amazon wird mit Spracheingaben gefüttert und lernt den Tagesablauf ihres Besitzers kennen, um ihn bestmöglich zu unterstützen. Deep Learning hilft dem System, genauer auf die Bedürfnisse des Nutzers einzugehen und Aufgaben zuverlässiger zu meistern. Ad-Tech sieht sich anderen Problemen gegenüber. Weniger Daten stehen zur Verfügung, außerdem existiert selten eine starke Korrelation zwischen dem Verhalten einzelner Nutzer. Sich des Potenzials von Deep Learning zu bedienen, ist deshalb ungleich schwieriger. Zugleich sind die Forschungsetats von Ad-Tech-Unternehmen längst nicht so groß wie die eines Technikriesen wie Amazon.

Wie Künstliche Intelligenz zum Erfolg kommen kann

Künstliche Intelligenz kostet viel Geld. Komplexe Algorithmen sind vonnöten, brillante Spezialisten und leistungsstarke Hardware, die die Kosten eines jeden Ad-Tech-Projekts explodieren lassen. Da die KI-Technologien in der Werbebranche derzeit nur geringe Vorteile versprechen und gleichzeitig immense technische Hürden zu nehmen sind, lohnt es noch nicht, im großen Stil in sie zu investieren. Ein Weg der kleinen Schritte scheint notwendig, um sie zum Erfolg zu führen.

Einige Ad-Tech-Plattform-Anbieter arbeiten bereits seit geraumer Zeit an entsprechenden Lösungen. Die Ausgangsfrage lautet dabei immer: Was kann Künstliche Intelligenz bereits – und was kann sie nicht? Zum Beispiel scheint es derzeit unmöglich, dass sie sich etwa eine lustige Werbeanzeige ausdenkt. Sie ist jedoch ohne Weiteres in der Lage, Anzeigen systematisch zu modifizieren und auf Basis von Nutzerreaktionen herauszufinden, welche Version der Anzeige am besten funktioniert. Ein weiteres potenzielles Einsatzgebiet ist die Automatisierung von Arbeitsabläufen. Die Interaktionen mit Ad-Tech-Plattformen sind häufig repetitiv, ein Beispiel ist die Optimierung von Anzeigenplatzierungen. Solche Tätigkeiten könnten früher oder später von Maschinen übernommen werden.

Einstweilen ist es jedoch immer noch der Mensch, der die Hauptarbeit erledigt. Gerade in der Werbewelt sind Entscheidungen nie rein datengestützt, sondern erfordern Intuition, Empathie und die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, um ihre Gedankengänge nachzuvollziehen. Wer einen Menschen ansprechen und eine emotionalen Reaktion erzeugen möchte, kommt ohne menschliches Zutun deshalb nicht aus. Künstliche Intelligenz wird unsere Branche früher oder später erobern, aber der Weg zur Herrschaft der Maschinen ist noch weit.

Zum Autor: Eymeric Chateau ist Country Manager Central & Southern Europe bei Turn, einem der führenden unabhängigen Ad-Tech-Unternehmen. Zuvor arbeitete er für Sociomantic Labs und Smart AdServer, wo er programmatische Strategien für große Unternehmen entwickelte. Eymeric hat Informatik an der ENSICAEN studiert und sein Business Management-Studium an der IAE School of Management in Lyon abgeschlossen.