Trotz Nachhaltigkeits-Bemühungen: Deutsche bringen mehr PS auf die Straßen

Nach zwei Minus-Jahren verzeichnete der deutsche Automarkt 2014 wieder mehr Neuzulassungen. Das ergibt die Jahresbilanz des Verbands der Automobilindustrie. Insgesamt ist die Anzahl im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent auf 3,04 Millionen Stück gestiegen. Trotzdem zieht der Verband der Automobilindustrie ein ernüchterndes Fazit. Und auch Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer übt Kritik, weil immer stärkere Autos verkauft werden, obwohl das Marketing generell Nachhaltigkeit verspricht.
Opel unter Verdacht (© dpa 2016)

Matthias Wissmann, Präsident des Automobilverbandes, sieht trotz der leicht verbesserten Zahlen keinen „Grund zum Jubeln“. Trotz der „vergleichsweise ordentlichen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hätte die private Nachfrage im Neuwagengeschäft höher sein können“, meint Wissmann. Ein Rückblick gibt ihm recht. Seit der Wende verkauften sich in Deutschland nur 2013 und 2010 weniger Autos.

Eigenzulassungen zahlen auf die Statistik ein

Zurückzuführen sind die vermehrten Neuzulassungen auf bessere Beschäftigungsverhältnisse sowie niedrige Zinsen. Vor allem aber auch auf  mehr Eigenzulassungen, wie Branchenexperte und Hochschulprofessor Ferdinand Dudenhöffer gegenüber absatzwirtschaft erklärt. 2014 sank die Nachfrage von Privatkäufern von 37,9 Prozent im Vorjahr auf 36,3 Prozent. Im Gegenzug ließen Autohersteller und Händler eine hohe Zahl an Neukarossen auf sich selbst zu und verkaufen sie schließlich zu rabattierten Preisen. Die Eigenzulassungen werden aus der VDA-Erhebung nicht herausgerechnet. In der Statistik profitieren die Hersteller, wenn beispielsweise Marketing auf die Attraktivität einer Marke nicht (oder noch nicht) einzahlt. „Wie schwer Marketingstrategien zünden zeigt Opel, die im vergangenen Jahr eine umfassende und sehr gute Image-Kampagne gestartet haben. Tatsächlich ist der Absatz in der Jahresrechnung gestiegen. Auf gute Werbung ist das allerdings nicht zurückzuführen. Mehr als 42 Prozent der neuzugelassenen Opel waren so genannte Eigenzulassungen“, so Dudenhöffer. Opel habe 2014 die höchste Zahl an Eigenzulassungen seit 10 bis 15 Jahren verzeichnet. „Entgegen des eigenen Marketings besteht dabei sogar noch die Gefahr, dass Kunden, die einen Neuwagen zum Vollpreis gekauft haben, zukünftig verprellt werden.“

Deutsche bringen immer mehr PS auf die Straße

Einer eigenen Studie zufolge, die Dudenhöffer an der Uni Duisburg-Essen herausgegeben hat, achteten Kunden beim Kauf ihrer Wagen 2014 vor allem auf Motorstärke. Die Neuzulassungen brachten 2014 im Schnitt 140 PS auf die Straßen, so Dudenhöffer. „Ein Teil der Steigerung der Motorstärke kommt dem steigenden SUV-Trend zu Gute. Mit 166 PS liegt der Durchschnitts-SUV deutlich über dem Durchschnitts-Neuwagen.“

 

Bildschirmfoto 2015-01-06 um 13.59.40

Grafik: Universität Duisburg-Essen.

Hier gehe vor allem die Produktpolitik der Konzerne auf, erläutert Dudenhöffer gegenüber absatzwirtschaft. Vor allem so genannte Kompakt-SUV kämen bei der Kundschaft gut an. „So kann der Kunde behaupten, er achte auf den Verbrauch.“ Zudem kritisiert der Experte das Bemühen um das Nachhaltigkeits-Image. „Auf dem Papier werden unsere Konzerne ihren Aufgaben gerecht. Trotz höherer Motorleistung verbrauchen die verkauften Neuwagen nach „Norm“ weniger Treibstoff. Unter realen Bedingungen stellt sich allerdings heraus, dass der Verbrauch im Alltag im Schnitt um die 20 Prozent nach oben abweicht.“ Für Autobauer seien größere Maschinen zudem attraktiver, so Dudenhöffer in seiner Studie. Mehr PS bedeuteten höhere Gewinne.
(ms)