Marketing bei Amazon: „Das Budget entscheidet über das Ranking“

Während Ceconomy (Mediamarkt, Saturn) das Retail-Media-Geschäft beerdigt, indem es seinen Digitalvermarkter einstellt, schießen bei Amazon die Werbeumsätze durch die Decke. Franz Jordan weiß warum. Seit Jahren hilft er Händlern und Marken, sich besser auf Amazon zu platzieren.
Franz Jordan: "Sponsored brands sind zwar günstiger zu bekommen, bringen aber nicht so viel wie sponsored products."

Eine neue Marke rein digital aufbauen? „Schwer möglich“, antworten Experten auch in der absatzwirtschaft. Und eine eigene Marke rein digital auf einer fremden Plattform aufzubauen, scheint dann erst recht absurd. Anker hat das gemacht. Das chinesische Unternehmen Anker Technologies, gegründet vom ehemaligen Google-Mitarbeiter Steven Yang, setzt inzwischen eine fast Milliarde Euro auf Amazon um und ist längst über den Status des Billiglieferanten für Powerbanks hinweg. Mit fünf Untermarken bespielt Yang auch Marktsegmente wie Soundbars oder Dash-Cams in Autos. „Qualität geht vor Preis“, lässt sich der Gründer gerne zitieren. Aber er setzt das auch in die Tat um: Der wichtigste USP seiner Ladegeräte ist die eigens entwickelte Schnelladefunktion PowerIQ.

Yang hat schon 2011 verstanden, wie wichtig sorgfältige Arbeit ist, um auf großen Plattformen wie Amazon bestehen zu können. Die Keimzelle seines Unternehmens ist eine Software, die die Produktdaten automatisch an Amazon überträgt. Was sich banal anhört, ermöglichte dem Gründer, dass er sehr einfach Produktbeschreibungen, Bilder und später auch Videos austauschen konnte. Dadurch erkannte er schnell, wie sich das Ranking bei Amazon beeinflussen lässt.

Franz Jordan macht mit seiner Firma Sellics im Grunde das Gleiche. Seit zehn Jahren beobachtet er die Entwicklungen beim Plattform-Giganten und berät Händler und Marken.

Herr Jordan, wie hat sich ihre Arbeit auf Amazon in den letzten Jahren verändert?
Franz Jordan: Am Anfang war noch viel mehr Insiderwissen und technisches Know-how gefragt. Heute entscheidet die Größe des Budgets über das Ranking.

Das heißt, es gibt keine Tricks mehr?
Doch, die gibt es. Die Methoden als solche sind bekannt, aber innerhalb der einzelnen Methoden gibt es noch Taktiken, die nicht jeder kennt. In den ersten vier Wochen gilt die Hauptaufmerksamkeit immer noch der Produktbeschreibung, den Keywords, den Bildern und den Videos. Aber über den gesamten Lebenszyklus hinweg macht bezahlte Werbung inzwischen einen Budgetanteil von 70 Prozent aus.

Wie sieht die perfekte Produktbeschreibung aus?
Im Mittelpunkt stehen die Keywords. Das Produkt wird nur zu den Suchbegriffen gefunden, die auch hinterlegt sind. Da sollte man also alles berücksichtigen. Die Platzierung der Keywords ist nicht mehr wichtig. Das kann auch für den User unsichtbar im Backend geschehen. Bilder und Videos haben keinen direkten Einfluss auf das Ranking. Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass Amazon durch künstliche Intelligenz Bildinhalte automatisch auswertet. Aber sowohl Bilder als auch Videos beeinflussen die Conversion. Und das ist, neben den Keywords, das wichtigste Ranking-Kriterium. Alles, was mehr Conversions auslöst, ist gut für das Ranking, das gilt zum Beispiel auch für Bewertungen.

Sind Fake-Reviews nach wie vor ein großes Problem?
Das ist deutlich besser geworden. Inzwischen lohnt es sich wieder, sich Mühe zu geben, von den Käufern echte Bewertungen zu bekommen. Aber fast wichtiger als die Sternchen ist der Inhalt. Viele User schreiben dort, was ihnen besonders gefällt und was wichtig ist. Daraus kann man lernen und die Produktbeschreibung weiter verbessern.

Haben Sie nicht ein wichtiges Ranking-Kriterium vergessen: den Preis?
Das ist nicht so geradlinig, wie man meinen könnte. Wir haben viele Fälle gesehen, wo ein höherer Preis mehr Umsatz und gleichzeitig höhere Margen erzielt. Ich vermute, das liegt daran, dass viele Amazon-Kunden latent Sorge haben, minderwertige Ware zu bekommen. Dann ist ein höherer Preis ein Indikator für bessere Qualität.

Auf der ersten Bildschirmseite ist keine unbezahlte Platzierung zu sehen.

Aber ohne bezahltes Marketing geht es nicht mehr?
Bei Nischenprodukten kann es noch funktionieren, aber der Wettbewerb wird auch dort härter. Es gibt fast keine Kategorie, wo auf „above the fold“ noch organische Ergebnisse angezeigt werden. Das sind alles bezahlte Formate.

Was funktioniert hier am besten?
Ganz klar „sponsored products“. Das sehen wir über alle Kunden hinweg. Und das ist auch bekannt. Weniger bekannt ist, dass wenn man Amazon erlaubt, die Gebote in diesen Auktionen automatisch leicht anzupassen, der ROI unserer Erfahrung nach steigt.

Und die Marken-Header im Kopf der Seite?
„Sponsored brands“ ist ausschließlich für Marken zugänglich, von daher weniger kompetitiv. Vom Volumen her ist das aber tendenziell auch weniger attraktiv. Es ist etwas paradox: Dank des geringeren Wettbewerbs sollten die Returns höher sein, sind sie aber nicht. Im Durchschnitt sind sie sogar etwas schlechter.

Dann kommt es zum direkten Wettbewerb zwischen  Marke und Handel.
Ja. Es gibt zwei Denkansätze. Die einen sagen: Ob beim Händler gekauft wird oder bei mir ist mir egal. Hauptsache die Wettbewerbermarke ist es nicht. Die anderen sagen: Ich will direkt verkaufen und die Händler sind mein Wettbewerb. Gerade in Deutschland haben die Marken sehr wenig Möglichkeiten, auf die Händler einzuwirken. In den USA ist das anders: Da kann man den MAP, den Minimum Advertised Price, besser durchsetzen und man kann einfacher Restriktionen festlegen.

Können Sie heute schon ableiten, wie sich Marketing auf das Ranking in der Sprachsuche auswirken wird?
Das Thema Alexa und Voice-Commerce erfährt aktuell mehr Medieninteresse, als es Relevanz für den Handel hat. Zwar probieren es einige User aus, aber fast keiner bestellt ein zweites Mal. Dafür ist die User Experience noch zu schlecht. Aber es zeichnen sich erste Anwendungsfälle ab. Voice wird vor allem bei den günstigeren Produkten angewendet werden, wo der Kunde schon ein relativ klares Verständnis davon hat, was er eigentlich will. Für Amazon SEO bedeutet Voice ja vor allem, das bestimmte visuelle Elemente wegfallen. Dafür werden strukturierte Daten umso wichtiger. Dadurch gewinnen vor allem auch die Longtail-Keywords weiter an Relevanz. Die Produktdaten müssen gut gepflegt sein, denn am Ende geht es nur noch um sie.

Welche Entwicklung erwarten Sie?
Der  wichtigste Trend ist, dass es eine noch ausgeprägtere Konzentration der Machtverhältnisse zugunsten von Amazon gibt. Heute ist es so, dass die ersten 16 Ergebnisse ziemlich viel Volumen abbekommen. Der Rest kriegt eher wenig ab. Mit Voice sind es dann nur noch zwei oder drei Produkte, die relevant sind. Die Top 3 werden noch viel mehr Volumen generieren als heute. Und Amazon braucht da nicht mal willkürlich zu sein. Da inzwischen das Mediabudget über das Ranking entscheidet, und ein gutes Ranking auch gleichzeitig wieder die Conversion steigert, wird es einen sehr harten Wettbewerb um diese ersten drei Plätze geben und Amazon gewinnt immer. Also: Aus unserer Sicht liefert Alexa das ganz normale Ranking. Die sponsored products sind noch nicht aktiv. Und es gibt bisher keine Werbemöglichkeiten für Voice.

Amazon wird derzeit viel kritisiert, weil Händler unter Druck gesetzt werden.
Natürlich ist Amazon bestrebt, von den Verkäufern mehr Werbebudget einzusammeln. Aber das kennt man im klassischen Handel ja auch. Das heißt dann WKZ. Verhandeln Sie als kleiner Lieferant doch mal mit Lidl.  Aus unserer Sicht hat sich da in den letzten Monaten nichts Gravierendes verändert.  Ich habe noch von keinem Verkäufer gehört, der aus Amazon rausgeflogen ist, weil man keine Werbung geschaltet hat. Die wollen ja niemanden kaputt machen, da haben die auch nichts davon.