Gas geben, Daten aktivieren

Es wird viel über First-Party-Daten-Strategien geredet. Doch Daten zu sammeln und zu organisieren, ist das eine – sie für Kampagnen tatsächlich zu aktiveren, das andere.
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Für 99 Prozent aller Chrome-Nutzer*innen funktionieren aktuell noch die Drittanbieter-Cookies. (© Unsplash)

Sie schlummern in CRM-Datenbanken, in POS-Systemen, E-Mail-Marketing-Tools, Help-Desk-Lösungen oder werden über das Nutzerverhalten auf der eigenen Website erfasst: First-Party-Daten gibt es in jedem Unternehmen. Sie aus den Silos zu befreien, zu konsolidieren und an einem Ort zusammenzuführen, ist eine von vielen Herausforderungen für ein datengetriebenes Marketing ohne Drittanbieter-Cookies. Ist diese Hürde genommen, muss der Datenschatz für das Marketing nutzbar gemacht werden.  

Die einfachste Lösung wäre es, seine Nutzer*innen auf der eigenen Website zu umwerben. Doch die Reichweite dürfte hier in der Regel gering sein. Entsprechend liegen Data-Clean-Rooms im Trend: In einer gesicherten Umgebung können Unternehmen ihre Daten verschlüsselt und anonymisiert auf sinnvolle Überschneidungen prüfen lassen, ohne auf die Daten der jeweils anderen Partei zuzugreifen. Gefundene Schnittmengen lassen sich nutzen, um Zielgruppen auf anderen Websites anzusprechen oder sie durch neue Erkenntnisse zu erweitern. Künftig könnte eine weitere Möglichkeit zur Datenaktivierung Schule machen. 

Synthetische Datenmuster statt Cookies 

Der Datenspezialist Emetriq – ein Tochterunternehmen der Telekom – möchte jetzt mit einer neuen Targeting-Gattung die First-Party-Daten aktivieren: „Synthetic Audience“ soll die eigenen Daten plattformübergreifend nutzbar machen. Basis der Lösung sind sogenannte Privacy Enhancing Technologies (PET) beziehungsweise synthetische Daten. PET stellen sicher, dass persönliche oder sensible Informationen privat bleiben.  

Die „synthetischen“ Daten werden – wie es der Name vermuten lässt – künstlich erzeugt, wobei die Eigenschaften der echten Daten nachgeahmt werden. Dazu werden die Daten zunächst anonymisiert und mit Hilfe von Algorithmen aktiviert. Der Algorithmus identifiziert und lernt dabei lediglich Muster, die die Zielgruppe des Advertisers beschreiben. Somit kommt die Targeting-Lösung ohne IDs aus. Stattdessen wird eine künstliche Repräsentation einer Zielgruppe auf Basis von Mustern erschaffen. Diese Muster können dann für das Programmatic Advertising – zum Beispiel auf Demand Side Platforms (DSPs) – für die Kampagnenaussteuerung genutzt werden.  

Erklärtes Ziel von Emetriq ist es, Synthetic Audience als feste Targeting-Größe im Werbemarkt zu etablieren. Noch funktionieren die Drittanbieter-Cookies für 99 Prozent aller Chrome-Nutzer*innen. Doch die Uhr tickt. Im zweiten Halbjahr wird für weitere User-Gruppen das Cookie abgeschaltet, Ende des Jahres ist endgültig Schluss – sagt Google. Viel Zeit bleibt nicht, um darauf vorbereitet zu sein. 

Schon gehört? 

Digitale Reichweiten sinnvoll mit linearen Reichweiten zu kombinieren, gilt als Königsdisziplin für Advertiser. Hornbach ist dies jetzt im Rahmen seiner Frühjahreskampagne mit einer Audiowerbung gelungen. Der Audiovermarkter RMS hat die Werbekanäle Digital Audio und UKW programmatisch verbunden und die digitale Reichweite um lineare Radioreichweite vergrößert. Die Zielgruppen konnten dadurch vollautomatisiert und übergreifend über eine einzige Plattform angesprochen werden. Um die Anzahl der Kontakte über beide Kanäle zu maximieren, wurde die Platzierung der Spots optimiert. Eine spezielle Lösung verhinderte Doppelausstrahlungen bei Hörenden, die beide Kanäle nutzen. Für den Pilot-Case kooperierte RMS eng mit den Tech-Spezialisten Aireal und Virtual Minds.  

Übrigens: Digital-Out-of-Home (DOOH) ist momentan nicht nur aufgrund seiner Aussteuerungsmöglichkeiten einer der großen Werbetrends, sondern auch wegen der großen Screen-Reichweite und der entsprechend guten CO2-Kampagnen-Bilanz. Immer öfter werden vor Ort zusätzlich grüne Ideen sehr kreativ umgesetzt: So hat Blowup Media (Ströer-Gruppe) in Düsseldorf jetzt einen DOOH-Screen gelauncht, der von lebenden Pflanzen eingerahmt ist.

Der 180 Quadratmeter große „vertikale Garten“ besteht aus mehr als 14.000 Pflanzen und kann laut Anbieter 3,6 Tonnen CO2 pro Jahr kompensieren. In das Pflanzen-Arrangement wurde ein 100 Quadratmeter großer digitaler Bildschirm eingebettet, mit hochauflösender, tageslichttauglicher Bildqualität. Auf dem Dach und an der Wand des Standortes (Wehrhahn) liefert eine Photovoltaikanlage einen Teil der Energie für den Betrieb der digitalen Werbetafel. Für den restlichen Energiebedarf wird Ökostrom bezogen. Als erster Kunde nutzt der Beauty-Händler Sephora den Screen für eine 3D-Kampagne

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert! 

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.