Friedrich von Metzler: „Wir werden an der Zufriedenheit des Kunden gemessen“

Tradition und Unabhängigkeit prägen das Profil des Bankhauses Metzler seit 1674. Wie sich die einzige noch rein in Familienbesitz befindliche Privatbank im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne als Marke positioniert, schildern Bankier Friedrich von Metzler und Kommunikationschef Jörg-Matthias Butzlaff
Bankier Friedrich von Metzler (© Metzler 2016)

Von Christian Thunig und Peter Hanser

Herr von Metzler, wie schafft man es, seit 1674 wettbewerbsfähig zu bleiben? Und warum ist das Bankhaus als einzige deutsche Privatbank ohne fremde Beteiligung übriggeblieben?

FRIEDRICH VON METZLER: Weil die Bank in all der Zeit fast immer zu 100 Prozent in den Händen nur einer Eigentümerfamilie war. Und diejenigen Familienmitglieder, die aktiv Verantwortung im Bankgeschäft übernehmen, erhalten die Gelegenheit, Unternehmensanteile zu einem fairen Wert von den anderen zu kaufen. Verantwortung und operativer Einfluss sind so gebündelt und verteilen sich nicht über viele Familienmitglieder oder -stämme. So haben wir heute nur vier Metzler-Gesellschafter mit sehr ähnlichen Vorstellungen.

Nach rund 330 Jahren haben Sie sich dem Thema Marke geöffnet. Wie haben Sie sich dem Konstrukt Marke genähert?

BUTZLAFF: Das Bankgeschäft hatte sich zum Jahrtausendwechsel radikal geändert. Es gab den großen Boom am Kapitalmarkt, die Publikumsfonds wurden immer populärer und Anlegermagazine hatten riesige Auflagen. Außerdem drängten immer mehr angelsächsische Fondsanbieter auf den deutschen Markt. Es folgte das Internet als Massenmedium. Das bedeutete
damals für Metzler einen radikalen Umbruch. Um wahrgenommen zu werden, musste das Bankhaus anders auftreten. Dazu kommt, dass wir uns nicht nur „einem“ Wettbewerber stellen mussten, denn in jedem unserer Geschäftsfelder trafen und treffen wir auf andere Wettbewerber. Unser Geschäft wurde auch immer internationaler. Früher kannte man Metzler in Deutschland, die Ansprechpartner waren persönlich bekannt, aber jetzt gab es viele neue ausländische Manager, denen wir ebenfalls ein Bild von Metzler vermitteln mussten. Deshalb mussten wir einen Markenkern „Metzler“ aufbauen, um überall wiedererkannt zu werden.

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen?

BUTZLAFF: Vor 1999 gab es kein Corporate Design, keinen nennenswerten Internetauftritt, keine strukturierte Pressearbeit und viele kreative Darstellungsformen im Haus. Deshalb haben wir zunächst eine Corporate Identity mit unseren Werten formuliert und ein neues eigenständiges Corporate Design entwickelt, um eine Stringenz in der Darstellung herzustellen. Die Grundidee, für welche Werte und Aussagen das Unternehmen steht, gab es schon, aber sie war nicht formuliert.

Für welche Werte steht die Marke Metzler?

VON METZLER: Unsere drei Grundwerte sind Unabhängigkeit, Unternehmergeist und Menschlichkeit. Wir sagen schon dem jüngsten Mitarbeiter, er soll unternehmerisch denken. Die Fehler, die er macht, sind dann klein – und die soll er nicht zum zweiten Mal machen. Beim Thema Menschlichkeit haben wir überlegt, ob das nicht ein bisschen pharisäerhaft klingt …

Kapital und Menschlichkeit bringt man nicht unbedingt positiv miteinander in Verbindung …

VON METZLER: … aber wir wollten es gerade deswegen aufnehmen, um diese Diskussion anzustoßen. Bankgeschäft ist vorrangig People-Business, nicht nur Zahlenwerk. Es geht um Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Marken kommunizieren manchmal laut. Wie laut darf man als seriöse Privatbank sein, oder ist Zurückhaltung angesagt?

VON METZLER: Da sind wir verhalten, nicht spektakulär – aber immer klar in der Aussage.

BUTZLAFF: Wir arbeiten mit Understatement und einem Quäntchen Humor. Im Handelsblatt waren wir beispielsweise mit einer Anzeige: „Seit 336 Jahren machen wir für unsere Kunden das langsame Geld.“ vertreten. Ferner kommunizieren wir fast ausschließlich über Inhalte – die zu 90 Prozent aus Fachthemen bestehen. Dabei sind unsere Zielgruppen sehr heterogen. Im Private Banking ist der klassische Kunde ein mittelständischer Unternehmer, im Asset-Management ein Finanzvorstand oder Treasurer einer Versicherung. Deswegen entwickeln wir viele Kommunikationsmaßnahmen selbst.

Spielen Sie, Herr von Metzler, auch die Rolle des Markenbotschafters für das Unternehmen?

VON METZLER: Das ist ein schöner Begriff. Ich bin tatsächlich begeistert als Markenbotschafter unterwegs, weil ich heute weniger operative Aufgaben habe als früher. Gerade im Ausland – denken Sie an China und Japan – ist es von großer Bedeutung, dass ein Metzler persönlich für die Marke und für das Unternehmen steht.

Und wie machen Sie die jungen Leute zu richtigen Metzlers?

BUTZLAFF: Das funktioniert nur über das aktive und konsequente Vorleben. Es gibt keine Hochglanzbroschüren. Wir machen viele Veranstaltungen wie regelmäßige Metzler-Geld-Universitäten von Mitarbeitern für Mitarbeiter, bei denen neue Dienstleistungen und Produkte vorgestellt werden, gemeinsame Besuche von Museen, Mitarbeiterfeste oder einen Stammtisch der Trainees, um die jungen Mitarbeiter zu integrieren.

Wie gewinnen Sie neue, junge Kunden?

BUTZLAFF: Was bedeutet jung für Sie? Wir haben sie neulich als Erbengeneration definiert und untersucht, in welchem Alter vererbt oder geerbt wird. Im Private Banking ist der junge Kunde zwischen 50 und 60 Jahre alt. Das Vermögen wurde dann entweder schon ererbt – oder selbst erwirtschaftet. Diese Gruppe erreichen wir problemlos. Für die nächstjüngere Generation machen wir uns gerade Gedanken, wie wir sie erreichen.

Ist das Alter das relevante Segmentierungskriterium für Ihre Kunden oder geht es eher nach Kapitalhöhe?

BUTZLAFF: Das Alter spielt natürlich keine Rolle. Entscheidend ist im Private Banking ein liquides Vermögen von drei Millionen Euro. Das ist in der Regel unternehmerisch gewachsenes Vermögen.

VON METZLER: Drei Millionen auch deswegen, weil man ein Depot nicht  global streuen kann, wenn es kleiner ist. Für kleinere Vermögen haben wir Publikumsfondslösungen.

Was wäre die größte Gefahr für Ihr Geschäftsmodell?

BUTZLAFF: Das Geschäftsmodell ist risikoavers; Reputation ist ein wichtiges Thema.

VON METZLER: Im Private Banking stehen wir mit unserem „Reinheitsgebot“ – also Geldanlagen ausschließlich in Aktien, Anleihen und Cash – als Alleinstellungsmerkmal in der Branche sehr gut da und haben momentan keinen Veränderungsbedarf. Anders im Asset-Management. Hier ist das Geschäft global und wir müssen uns permanent neuen Anforderungen stellen. Dieser Prozess ist nicht aufzuhalten.

Es verwundert, dass Sie das schlechte Bankenimage nicht tangiert. Bedeutet dies, dass Sie eine gewisse Sonderstellung haben?

VON METZLER: Mir sagen viele, wir hätten einen guten Ruf. Natürlich sagt man mir nicht immer die Wahrheit (lacht). Aber ich hoffe, dass wir einen besonders guten, soliden Ruf genießen und als kundenorientiert und langfristig denkend gelten – dafür habe ich mein Leben lang gearbeitet.

BUTZLAFF: Was uns sehr geholfen hat, zumindest in der Fachkommunikation, ist, dass wir 2005 weit vor Ausbruch der Subprime-Finanzkrise zum Beispiel vor Zertifikaten gewarnt und das aktiv kommuniziert haben. Die Branche war relativ homogen und wir vertraten da unerschütterlich eine eigene Meinung. Diese eigene Meinung erlauben wir uns weiterhin und gelten so als glaubwürdig.

Das komplette Interview finden Sie in der absatzwirtschaft 03/2016. HIER entlang.

Zur Geschichte: Ursprung der Privatbank Metzler ist eine 1674 von Benjamin Metzler gegründete Tuchhandlung in Frankfurt am Main. Zwischen 1780 und 1800 erfolgte der Übergang vom Handelshaus zum Bankhaus. Ab 1871 konzentrierte man sich auf die Vermögensverwaltung und Geschäftsabwicklung für Kunden und entwickelte sich 100 Jahre später zum Investmenthaus mit internationaler Expansion. Das Dach des Bankhauses ist heute die B. Metzler seel. Sohn & Co. Holding AG, deren gesamtes Kapital in den Händen der 11. Generation der Familie von Metzler liegt. Die operativen Aufgaben werden von selbstständigen kleinen Gesellschaften wahrgenommen. Das Haus Metzler mit seinen rund 800 Mitarbeitern hat seinen Hauptsitz in Frankfurt am Main.