Zwischen 1.124.221 und 1.877.936 Follower*innen sollten es sein

Welcher Influencer oder welche Influencerin passt zu meiner Kampagne? Unser Kolumnist begibt sich auf der Suche nach dem Sweet Spot zwischen Reichweite und Engagement.
Marko Sarstedt ist Professor für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität München. (© Maximilian Sydow (Montage: Olaf Heß))

Influencer Marketing ist schon lange kein Nischenphänomen mehr, sondern integraler Bestandteil der Kommunikationsstrategie vieler Unternehmen. Aber die zunehmende Popularität bringt auch Probleme mit sich. Mit der zunehmenden Nachfrage ist auch die Anzahl von Influencer*innen gestiegen, die auf den diversen sozialen Netzwerken unterwegs ist. Eine große Auswahl ist natürlich schön, aber die schiere Flut von Influencer-Angeboten macht es für Unternehmen und Agenturen immer schwieriger, die richtigen Influencer*innen für ihre Kampagnen zu identifizieren. 

Ein wichtiger Faktor bei dieser Entscheidung ist zweifelsohne die Anzahl der Follower*innen. Mehr bedeuten eine größere Reichweite und somit eine bessere Verbreitung der Werbebotschaft. Sollten also Unternehmen durchweg auf Mega-Influencer*innen wie die Kardashians dieser Welt setzen (mal abgesehen von den siebenstelligen Beträgen, die je Post fällig werden)? Sicherlich nicht, denn mit der Reichweite geht ab einem gewissen Punkt die persönliche Ansprache verloren, die Influencer*innen gerade auszeichnet. Oder fühlen Sie sich einem Influencer oder einer Influencerin besonders verbunden, wenn Sie nur eine(r) von mehr als 300 Millionen Follower*innen sind? 

Massenmarkt vs. Nischenstrategie

Aus diesem Grund setzen Unternehmen bei der Auswahl der Influencer*innen nicht nur auf die Reichweite, sondern auch auf das Engagement in Form von Likes, Mentions, Shares und Kommentaren. Wenig überraschend ist das relative Engagement bei Nano- und Micro-Influencer*innen mit einigen Tausend bis zu 100.000 Follower*innen häufig deutlich höher als bei Mega-Influencer*innen. Die Entscheidung erscheint grundsätzlich ganz einfach: Soll kommunikativ lieber der Massenmarkt bedient werden, dann aber mit entsprechenden Streuverlusten? Oder fährt man besser eine Nischenstrategie, bei der eine klar definierte Zielgruppe pointiert angesprochen wird? Die Wahrheit liegt wie so häufig irgendwo dazwischen.  

Wo genau, damit haben sich die Forscher*innen Simone Wies (Goethe Universität Frankfurt am Main), Alexander Bleier (Frankfurt School of Finance & Management) und Alexander Edeling (KU Leuven) in ihrer Studie „Finding goldilocks influencers: How followers count drives social media engagement“ beschäftigt, die vor kurzem im renommierten „Journal of Marketing“ erschienen ist. In ihrer Studie untersuchten sie rund 6400 Posts und 6100 Instagram-Stories von mehr als 1700 Influencer*innen und kombinierten die Ergebnisse mit einer Eyetracking-, einer Labor- und einer Simulationsstudie sowie einer Reihe von qualitativen Interviews.  

Ab dieser Followerzahl ist das Engagement maximal

Die Ergebnisse zeigen, dass der positive Reichweiteneffekt bei niedrigen bis mittleren Followerzahlen dominiert. Mit steigender Followerzahl wird der positive Effekt der Reichweite jedoch zunehmend durch den negativen Effekt auf die Engagement-Wahrscheinlichkeit überlagert, der durch eine geringe wahrgenommene Bindungsstärke entsteht. Die geringere Bindungsstärke führt dazu, dass die Follower*innen weniger motiviert sind, sich mit den Inhalten des Influencers oder der Influencerin zu beschäftigen, was sich sodann in einem abnehmenden Engagement niederschlägt. Wenn man diese beiden Effekte zusammenfasst, ergibt sich eine umgekehrte U-förmige Beziehung zwischen der Followerzahl und dem Engagement.  

Mit den vorhandenen Daten konnten die Forscher*innen auch die optimale Followerzahl berechnen, welche das Engagement maximiert. Je nachdem, wie man Engagement misst, liegt der Sweet Spot bei 1.124.221 (Mentions) bzw. 1.877.936 (Kommentare) Follower*innen. Die Zahlen sind natürlich auf den verwendeten Datensatz zugeschnitten, allerdings geben sie einen groben Richtwert, ab welcher Followerzahl das Engagement maximal ist. In einer zusätzlichen Analyse stellten die Forscher*innen dann fest, dass die umgekehrte U-Kurve sich abflacht, wenn weniger bekannte Marken beworben werden oder wenn die Influencer*innen bei ihren Posts unabhängig agieren können. Influencer*innen mit einer vergleichsweise geringen Reichweite generieren in diesen Fällen ein relativ höheres Engagement. 

Quelle: Wies, S., Bleier, A., & Edeling, A. (2022). Finding goldilocks influencers: How follower count drives social media engagement. Journal of Marketing, erscheint demnächst. 

Marko Sarstedt ist Leiter des Instituts für Marketing an der Munich School of Management der Ludwig-Maximilians-Universität München. Der Fokus seiner Forschung liegt auf dem Verhalten von Konsument*innen. Außerdem sitzt er im Vorstand Wissenschaft/Innovation im DMV und ist Mitglied im MC Potsdam.