Work less, play more?! 

Bewerber*innen lassen Online-Interviews faken, die Arbeitszeitdebatte nimmt weiter Fahrt, Argumente und Studienergebnisse auf – und humanoide Roboter juckt das alles wenig. Doch am Ende steht, derzeit noch, ganz klar der Mensch. 
„Fake Interviews as a service“, „Blind Signing“ und „Skill Shifting“: Die 3 Buzzwords der Woche. (© Unsplash)

Die Arbeitswelt treibt manchmal absurde Blüten – und bringt immer schönere Buzzwords hervor. Heute kommen drei neue hinzu: „Fake Interviews as a service“ (zugegebenermaßen eher ein Buzzsentence, als ein Buzzword), „Blind Signing“ und „Skill Shifting“. 

Ersteres ist ein Trend, der vor allem in der IT-Welt für Unruhe sorgt und durch Fachkräftemangel und Remote Work befeuert wird. So zitiert die Computerwoche aus einem Blog von Vadim Kravcenko, CTO der Schweizer Digitalagentur Mindnow. Danach nehme in Bewerbungsprozessen die Zahl von online geführten Fake Interviews „dramatisch zu“, bei denen Kandidatinnen und Kandidaten ihre Kameras bewusst auslassen. Aus gutem Grund: Sie führen das Interview gar nicht selbst, sondern schicken kriminelle „Fake Interviews as a service“-Anbieter vor. Oft fliegen der Schwindel – und die Unfähigkeit der neuen Mitarbeitenden – tatsächlich erst nach einigen gemeinsamen Arbeitsmonaten auf. Eine ziemlich teure Lernkurve für die Unternehmen. Noch schlechter beraten ist nur, wer sich aus Job- oder Arbeitskraftnot dem „Blind Signing“ hingibt, eine Art Blind Date Recruiting. Im Privaten mag Derartiges für manche vielleicht verlockend sein, im Job allerdings sind Arbeitsverträge à la Abenteuer eine durch und durch schlechte Idee. 

Das dritte Buzzword der Woche lautet „Skill Shifting“ und meint einen Trend, der in Japan gerade groß im Kommen ist: die staatlich verordnete Möglichkeit zu einem Nebenjob. Um Fachkräftemangel und demografischen Wandel in den Griff zu bekommen, sind Japanische Unternehmen seit 2021 dazu verpflichtet, allen festangestellten Mitarbeitenden einen Nebenjob zu erlauben. Allein auf der Plattform Skill Shift haben sich mittlerweile 10.000 Festangestellte registriert, davon rund 70 Prozent zwischen 30 und 40 Jahre alt. Etwa zehn Prozent aller Arbeitnehmenden in Japan haben bereits zwei oder mehr Jobs. 

KI vs. Kita, Nahles vs. Gates 

Auch in Deutschland nimmt die Diskussion um Arbeitszeiten gerade mächtig Fahrt auf. Fast zeitgleich meldeten sich dazu vergangene Woche (unter anderem) Bill Gates und Andrea Nahles zu Wort. Die eine ist relativ frisch gebackene Chefin der Bundesagentur für Arbeit, der andere ist Ex-Chef des US-Konzerns Microsoft. Die eine schlägt zur Bekämpfung des Fachkräftemangels tendenziell eher mehr Arbeit vor, der andere eher weniger. Nahles sagt in der FAZ: „Weniger Teilzeit wäre doch schon mal ein Anfang.“ Nahles rät den Unternehmen deshalb für bessere Arbeitsbedingungen für Frauen und Mütter zu sorgen: „Vielleicht genügt es ja schon, dass es morgens eine halbe Stunde später losgeht, dann ist die Kita schon offen.“ KI statt Kita ist derweil eher Bill Gates‘ Thema. Er rechnet im Handelsblatt-Podcast-Interview fest damit, „dass wir alle künftig weniger arbeiten müssen“. Die rasante Entwicklung von KI-Software wie ChatGPT mache es möglich – oder nötig, je nach Sichtweise. 

Rein moralisch hat auf jeden Fall Nahles die Nase vorn. Denn während Tech-Giganten von Alphabet über Microsoft bis Zoom nach Ende des „Pandemie Booms“ gerade zehntausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor die Tür setzen, will Nahles eine gewisse Überbelegung ihrer Behörde bewusst halten. „Wir verlieren durch die Demographie in den kommenden Jahren 35.000 Kolleginnen und Kollegen, ein Drittel unserer Belegschaft. Da ist es doch nur vernünftig, dass wir diejenigen halten, die wir wegen des Kurzarbeitergeldes in der Pandemie zusätzlich eingestellt haben.“ 

Der Elefant im Raum: Lohnausgleich 

Für neue Fakten sorgt derweil die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) ihren aktuellen Arbeitszeitreport vorgestellt. Zwar basiert der Report auf einer repräsentativen Befragung von 20.000 Beschäftigten aus dem Jahr 2021 (!), und man fragt sich schon, warum das Ganze so lange dauert, doch die Ergebnisse sind interessant. Kurz gesagt: Vollzeitarbeitende wollen im Schnitt rund fünf Stunden weniger pro Woche arbeiten, Teilzeitbeschäftigte aber im Schnitt fast drei Stunden mehr. Nur 48 Prozent der Befragten wünschen sich eine Arbeitswoche von mehr als vier bis maximal fünf Tagen, 49 Prozent wollen lieber nur vier Tage oder weniger arbeiten. Interessant ist die Untersuchung auch deshalb, weil sie alle Modelle explizit mit entsprechenden Konsequenzen auf das Gehalt abgefragt hat. Der berühmte Elefant im Raum, also die Frage, wer arbeitszeitverkürzende Modelle künftig bezahlen soll, ist in der BAuA-Umfrage klar beantwortet: die Arbeitnehmenden. Das erklärt sicher auch, warum von den 49 Prozent, die für das Vier-Tage-Modell plädieren, nur 52 Prozent auch die Arbeitszeit reduzieren wollen. 47 Prozent hingegen wollen an vier Tagen bis zu 48 Arbeitsstunden runterschrubben. Weniger arbeiten und weniger verdienen, muss man sich eben leisten können. 

Es gibt aber auch Studien, die das andere Modell beflügeln, wonach ausschließlich Arbeitgeber die Arbeitszeitverkürzung finanzieren sollten. Ein internationales Pilotprojekt der Non-Profit-Organisation „4 Day Week Global“ etwa, aus dem jetzt erste Ergebnisse vorliegen. Danach haben in 33 Unternehmen aus den USA, Australien, Irland, Großbritannien, Neuseeland und Kanada alle Mitarbeitenden sechs Monate lang vier Tage beziehungsweise 32 Stunden pro Woche gearbeitet – und zwar ohne Einkommensverlust. Das Ergebnis: Die Zahl der Krankheitstage der Angestellten sank, Produktivität und Umsätze der teilnehmenden Unternehmen stiegen. Das Projekt soll nun auf weitere Unternehmen ausgeweitet werden. 

Roboter brauchen keine Essensmarken 

Eine andere Frage: Was denken Sie, haben Nadine, Sophia, Desdemona und Grace gemeinsam? Ihnen sind nicht nur Studien über 4- oder 5-Tage-Wochen und zwölf- oder zwanzig-Stunden-Tage völlig schnuppe. Auch mit Kitas oder Lohnausgleich braucht man ihnen nicht zu kommen. Nadine & Co. gehören zu insgesamt acht humanoiden Robotern, die sich und ihre Arbeitsfertigkeiten auf dem nächsten „AI for Good Global Summit“ der Vereinten Nationen vorstellen werden. Newsredakteur Brian Rotter von t3n hat sich die Mühe gemacht, die acht KI-Maschinen in kurzen Texthäppchen vorzustellen – ein absolutes Must Read für alle, die sich über die Zukunft von Work & Culture gerade so ihre Gedanken machen. 

Bis allerdings Nadine und Sophia irgendwann tatsächlich fester Bestandteil unser aller Arbeits- und Lebenswelt sein werden, müssen wir uns – glücklicherweise – auch noch mit deutlich menschlicheren Dingen beschäftigen. Der neue Benefit Report 2023 des Softwareunternehmen Hrmony hilft dabei. Denn er listet auf, womit Unternehmen – neben den üblichen Gehaltsschecks – ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich am besten bei Laune halten. Auf der Beliebtheitsskala der befragten Unternehmen und Beschäftigten ganz oben stehen demnach digitale Essensmarken, Sachbezüge, Jobtickets und Dienstfahrräder, betriebliche Gesundheitsförderung sowie Zuschüsse zur Kinderbetreuung. Dass Roboter keine Essenmarken mögen, auch keine digitalen, kann man nun wahlweise für eine positive oder negative Nachricht halten. 

Kein Mitleid 

Uneingeschränkt positiv hingegen sind die Aussagen von Christian Riekel, Personalleiter Axa. Der Versicherungskonzern gehörte bereits 2007 zu den Unterzeichnern der Charta der Vielfalt. Vor gut zehn Jahren hat Riekel die zusätzliche Aufgabe des Chief Diversity Officer übernommen. In einem Interview mit Global Digital Women sagt er nun: „Über das Thema Diversity habe ich gelernt, was es für einen Wert hat und dass man viel besser unterwegs ist und dass es viel mehr Spaß macht, wenn Vielfalt sowohl im beruflichen Leben als auch im privaten Leben einen wichtigen Platz hat.“ Ein Schwerpunkt bei Axa sei mittlerweile das Thema Disability. Riekel: „Bei der Dimension Disability denken viele nur an Menschen im Rollstuhl und deren persönliches Schicksal und sehen gar nicht mehr die PotenzialträgerInnen, sondern die hilfsbedürftige Person, die man unterstützen muss.“ Entscheidend sei „der Schwenk von Mitleid zu Potenzialförderung“. 

Wer sich noch intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, könnte sich beispielsweise jetzt schon das neue Buch von Inklusions-Aktivist Raoul Krauthausen, Gründer Sozialhelden e.V. vormerken, das Mitte März erscheinen soll, oder eine seiner Lesungen besuchen. 

Einen erfolgreichen Start in die Woche und bleiben Sie gut drauf! 

ist seit mehr als 20 Jahren Journalistin, spezialisiert auf Marketing, Medien, New Work und Diversity. Sie war stellvertretende Chefredakteurin bei “Horizont”, schreibt seit 2014 als freie Autorin für diverse Wirtschafts- und Fachmedien und liebt es, als Dozentin für Fachjournalismus und Kommunikation junge Menschen für die Branche zu begeistern. Privat muss es bei ihr sportlich zugehen – am besten beim Windsurfen oder Snowboarden.