Wo sich Mobilität von selbst vermarktet 

Während viele Mobilitätsanbieter noch auf Dieselbusse setzen, haben andere ihre Flotten schon auf alternative Antriebe umgestellt. Die Stadt Hürth setzt beispielsweise fast komplett auf Wasserstoffbusse – und nimmt so eine Vorbildrolle ein. Marketing macht sich damit quasi von selbst.
In Hürth sind 16 von 18 Bussen im Regelbetrieb mit Wasserstoff betrieben. (© Stadt Hürth)

„Hürth hat die zweitgrößte Wasserstoffbus-Flotte Europas” – wenn eine kleine Stadt wie Hürth eine solche Überschrift im WDR bekommt, dann hat die Vermarktung dieser Stadt etwas richtig gemacht. In der Tat fahren in Hürth fast nur noch Wasserstoffbusse – 16 von 18 Bussen im Regelbetrieb. Nur in Zeiten von Lastspitzen oder während der Wartung sind noch mehr als zwei Dieselbusse unterwegs. 

Neben der eigentlichen Beschaffung der Wasserstoffbusse muss die Stadt dann auch gar nicht mehr allzu viel Zeit oder Geld in die Kommunikation investieren: „Natürlich ist das auch Werbung für Hürth – und das nutzen wir auch. Insofern kann man sagen, dass sich die Vermarktung fast ein wenig von selbst macht. Großartig Werbung machen wir dafür nicht”, sagt Jürgen Wiethüchter, Centerleiter Mobilität bei den Stadtwerken Hürth. 

Keine zusätzlichen CO2-Emissionen 

Vor über zehn Jahren hat Hürth begonnen, die Flotte der städtischen Buslinien umzustellen. „Um drohende Fahrverbote zu vermeiden, haben wir damals eine Umstellung des Antriebs geprüft”, so Wiethüchter. Wasserstoff bot sich an, weil in Hürth eine Fabrik der chemischen Industrie steht, bei der Wasserstoff als Abfallprodukt anfällt.  

Dieser Wasserstoff ist zwar sogenannter grauer Wasserstoff, die Herstellung ist also nicht CO2-neutral. Allerdings fallen keine zusätzlichen Emissionen an. Denn wenn der Wasserstoff nicht für Fahrzeuge verwendet werden würde, würde er abgefackelt. Insofern schaffen die Busse eine merkliche Reduktion von Treibhausgasen im Vergleich zu Dieselbussen. 

Anfangs 1,6 Millionen Euro für einen Bus 

Das größte Problem für die Stadt war also gar nicht die Beschaffung des Wasserstoffs, sondern der Fahrzeuge: „Es gab gar keinen Hersteller für Wasserstoffbusse”, erklärt Wiethüchter. Und die Busse, die man dann doch bekam, waren teuer. 1,6 Millionen Euro kostete ein Fahrzeug. Dieselbusse hätten im Vergleich etwa 225.000 Euro gekostet. „Wir waren da schon bereit in die Tasche zu greifen.” Inzwischen sind die Preise gesunken, aber immer noch höher als bei Dieselfahrzeugen. Wiethüchter geht aber davon aus, dass sich die teurere Anschaffung der Busse rechnet, weil die Wasserstoffbusse auch länger nutzbar sind. 

Und Hürth nutzt diese Rolle als Innovator zur Imagepflege: „Natürlich möchte die Stadt Hürth da auch eine Vorbildrolle einnehmen – deswegen weiten wir das Projekt auch aus. Auch die Fahrzeuge der Stadt fahren mit Wasserstoff und es ist geplant, auch die Müllfahrzeuge umzustellen”, sagt Wiethüchter. Andere Städte dürften sich daran gerne ein Vorbild nehmen, denn das Modell sei auch ohne chemische Industrie umsetzbar. 

Während es kaum Werbemaßnahmen seitens der Stadt braucht, sind die Busse selbst die prominentesten Werbeträger. Sie sind beklebt mit Hinweisen auf den Wasserstoffantrieb. „Emissionsfrei und klimaneutral unterwegs mit Wasserstoff”, heißt es da. „Exakt muss es lauten: ‘Lokal ohne CO2-Emissionen’”, erklärt Philipp Kosok, Projektleiter öffentlicher Verkehr beim Think Tank Agora Verkehrswende. Hürth braucht insofern mittel- bis langfristig grünen Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien. „Der steht heute noch nicht im großen Umfang zur Verfügung. Wasserstoff wird heute noch überwiegend durch die Reformierung von Erdgas gewonnen, wobei große Mengen CO2 freigesetzt werden”, so Kosok. 

Andere alternative Antriebe: Gasbusse und Elektromobilität 

Über die Hürther Wasserstoffbusse hinaus gibt es auch andere ÖPNV-Anbieter, die großflächig auf alternative Antriebe setzen. Philipp Kosok nennt ein Beispiel: „Die Busflotte der Augsburger Verkehrsgesellschaft wird vollständig mit Gas betrieben. Es handelt sich um die größte Gasbusflotte in Deutschland. Die Augsburger Verkehrsgesellschaft ist damit eine der wenigen Verkehrsunternehmen, die auch in der jüngsten Vergangenheit Gasbusse neu beschafft haben.” Seit 2011 ist die Flotte komplett umgestellt, wie Klaus Röder von der Stadtwerke Augsburg Verkehrs-GmbH erklärt. 

Auch hier ist das Bild ähnlich: Augsburg war Innovator in diesem Bereich, aber Werbung braucht es fast keine. Röder sagt: „Es gibt keine speziellen Kampagnen, aber in Zeitungsartikeln und im Kundenmagazin werden die Vorteile der Antriebsart immer wieder beschrieben und gewürdigt. Auf den Bussen befindet sich entsprechende Eigenwerbung. Zudem berichtet der Bayerische Rundfunk in Bild und Ton immer wieder über den hervorragenden ökologischen Fußabdruck der Augsburger Biogasbusse.” 

Für die Flotten aus Gas und Wasserstoff gilt in beiden Fällen auch, dass der Klimaeffekt erstmal positiv ist. Einen Unterschied gibt es aber doch und der ist durchaus entscheidend: Denn anders als bei den Wasserstoffbussen ist der Einsatz von Gasbussen nicht zukunftsfähig, wie Philipp Kosok von Agora Verkehrswende erklärt: „Zukünftig sind die Emissionen von Treibhausgasen entscheidend. Bis 2045 soll der Verkehr, einschließlich des Busverkehrs, klimaneutral sein. Das schließt den Einsatz von Gasbussen aus. Auch im Augsburger Busverkehr muss mittelfristig der Umstieg auf Elektromobilität stattfinden. Gasbusse sind ein Auslaufmodell.” In Augsburg aber will man dennoch 2025/2026 erneut Gasbusse anschaffen. Bis Anfang des kommenden Jahrzehnts sei man damit gut unterwegs. 

E-Mobilität: Vorbild sein ist schwer 

Die unterschiedlichen Zukunftsperspektiven erklären gut, warum sich Wasserstoff noch besser von selbst vermarktet als der Gasantrieb. Prinzipiell überzeugen könnten auch große Elektroflotten. Die sind aber schon stärker in der Breite angekommen: Auch wenn die Busse nach wie vor teurer sind als Dieselfahrzeuge, haben viele Anbieter E-Busse im Angebot. 

Mit Elektromobilität als kommunikatives Vorbild zu dienen, ist daher schwerer. Vor allem dann, wenn der benötigte Strom nicht aus erneuerbaren Energien stammt. Aber auch sonst macht das Thema nicht nur positive Schlagzeilen. Die Wiesbadener Verkehrsgesellschaft ESWE wirbt auf ihrer Website mit dem Satz „Sei Frischluftvorbild auf ganzer Linie”. Das Unternehmen wollte im Jahr 2022 alle Dieselbusse durch E-Fahrzeuge ersetzen. Das jedoch scheiterte: Es gibt weder genug Ladestationen und Anschlüsse, noch konnten die Hersteller genügend Fahrzeuge liefern. Nicht nur, dass in Wiesbaden nun weiter Dieselbusse fahren. Die Stadtwerke mussten sogar 24 neue Dieselbusse anschaffen. Auch kommunikativ ein Flop. Und das obwohl in der Stadt immerhin mehr als ein Drittel der Flotte mit alternativen Antrieben fährt. Mehr als in den meisten Städten. Die Kommunikation rund um das Thema Elektromobilität bietet also durchaus Fallstricke. 

Doch was man den unterschiedlichen Verkehrsanbietern in jedem Fall nicht absprechen kann, ist ein grundsätzliches Bemühen um die Umstellung. Das wird auch nötig sein, so Philipp Kosok: „Dem Bus kommt in den nächsten Jahren eine besondere Rolle zu, da der Ausbau der Schieneninfrastruktur äußerst langwierig ist. Gerade auf pendelstarken Achsen ohne Schienenstrecken, lassen sich mit hochwertigen Busverkehren schnell gute Alternativen zum Auto schaffen. Im Sinne der Verkehrswende kann und sollte jetzt ein Jahrzehnt des Busses eingeläutet werden.” Damit gibt es auch kommunikativ viel zu gewinnen. Vor allem dann, wenn man wirklich nachhaltige Mobilität schafft. 

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas Pixelpark. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.