Wer blickt hier noch durch?  

Täglich neue Technologien, Buzzwords, Datenregelungen. Im Marketing verliert man schnell den Überblick. Wir sind gefordert, egal wie lange wir schon im Business sind, meint unsere Kolumnistin.
Carmen Wittmer, Teil der erweiterten Geschäftsleitung von Solit Management. (© Christina Gerlach Fotografie (Montage: Olaf Heß))

Eine Wahrheit bleibt konstant – Marketing will vor allem eines: verkaufen. Wir sind nicht diejenigen, die schöne Bildchen produzieren, sondern mehr denn je diejenigen, die einen wesentlichen und messbaren ­Beitrag zum Unternehmenserfolg liefern. Und hier öffnet uns die Digitalisierung tatsächlich neue Türen zur Messbarkeit unseres Erfolges, zur Entscheidungsfindung und zur Planung. Heute sind wir nicht nur als Kreative gefragt, sondern auch als Controller*innen und Tech-Nerds. Das ist, was unseren Job so besonders macht.

Zwischen Traum … Wir bekommen leuchtende Augen bei all den neuen Möglichkeiten: Die Kosten der Online-Kampagne halbieren dank Dynamic Creative Optimization – DCO. Wow! In Echtzeit werden Banner gestaltet: Headline, Bild, Call-to-Action auf die individuellen Betrachter*innen zugeschnitten für maximalen Erfolg. Data Magic!

Centgenaues Auswerten, was der Cost per Sale – CPS der neuen Kampagne – am Ende des Funnels ist, und ständig weiter optimieren. Chapeau!

Dank Customer Data Platform – CDP –, Marketing-­Automation und Nurturing-Kampagne den Kunden reifen lassen und genau im perfekten Moment als Lead dem Vertrieb auf dem Silbertablett überreichen. Voilà!

… und Realität. Und dann holt uns die Realität ein: Wir bekommen trotz sechsstelligem Invest zu wenig Traffic auf unsere DCO-Strecke, als dass der Algorithmus wirklich präzise lernen könnte, und greifen manuell ein – mit gesundem Menschenverstand. Hands on!

Was an Sale mit Sicherheit der Kampagne zugerechnet werden kann, ist minimal, denn wir haben Brüche zwischen den Systemen zum PoS. Ciao, Cost per Sale – lieber nicht drüber sprechen!

Für die Nurturing-Kampagne entlang der Customer Journey fehlt uns die Automatisierungs-Software, weil die Entscheidung im Konzern wieder Monate dauert, und wir basteln einfach eine Seifenkiste, weil wir halt noch kein Auto haben. Alles, nur nicht automatisiert!

Wir sind die Generation der Marketingpionier*innen. Der Schneider von Ulm, Graf Zeppelin … sie alle hatten den Traum vom Fliegen. Sind gescheitert. Wurden belächelt. Und heute fliegen wir doch.

Lasst uns den Mut nicht verlieren, lasst uns weiter Seifenkisten bauen, wo noch keine Autos sind, um zu lernen. Im Austausch miteinander Erfahrungen teilen. Lasst uns offen aussprechen, was uns noch nicht gelingt. Ehrlich zugeben: Ja, wir müssen dazulernen. Ja, wir haben noch nicht jede Antwort. Nicht die optimale Lösung. Lasst uns im Austausch bleiben auf Marketing-Club-Abenden, Marketing-Tech-Events, dem Deutschen Marketing Tag. Unser Netzwerk als Selbsthilfegruppen verstehen und nutzen.