Warum die Werbebranche jetzt KI braucht, um ehrlich zu sein 

Im heutigen Green Wednesday steht natürlich Donald Trump im Fokus. Doch auch die Werbebranche sorgte für Schlagzeilen: Sie setzt auf KI, um Greenwashing zu vermeiden. Ironie oder Fortschritt? 
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Greenwashing soll künftig härter geahndet werden. Die Werbebranche reagiert darauf. (© Imago)

In den vergangenen Tagen gab es gleich mehrere Entwicklungen, die Schlagzeilen machten: Die Werbebranche setzt auf KI, um Greenwashing zu vermeiden, deutsche Unternehmen müssen sich auf schwierige Zeiten im globalen Wettbewerb einstellen, und die Elektromobilität in den USA gerät ins Hintertreffen. Doch der eigentliche Paukenschlag kommt aus dem Oval Office: Donald Trump fährt klimapolitisch einen Kurs, der selbst die fossile Vergangenheit alt aussehen lässt. 

Doch der Reihe nach.  

Donald Trump sitzt wieder als POTUS im Weißen Haus und fährt wieder einen klimapolitisch irrsinnigen Kurs: zurück zu den fossilen Brennstoffen. So hat Trump die Vorschriften für Elektroautos abgeschafft, Subventionen gestrichen und Kalifornien das Recht entzogen, strengere Abgasnormen zu erlassen. E-Autos? Zu teuer, zu elitär – schließlich tankt der einfache Amerikaner lieber für 5 Dollar pro Gallone. Denkt Trump. In den USA jedoch boomt der E-Auto-Markt. 

Elon Musk scheint damit kein Problem zu haben – was durchaus überrascht. Der Mann mit einem Faible für befremdliche Grußgesten sitzt nicht nur als „Chef für Effizienz“ in Trumps Kabinett, sondern auch symbolisch auf dem Beifahrersitz einer Regierung, die beim Thema Elektromobilität im Rückwärtsgang unterwegs ist. Der Tesla-Chef hingegen glaubt offenbar, dass der Wegfall der E-Auto-Förderung vor allem der Konkurrenz zusetzen wird – ganz nach dem Motto: Wer stark genug ist, überlebt.  

Für die Umwelt ist das alles natürlich ein Desaster. Während Europa und China in grüne Technologien investieren, tritt die USA das Gaspedal ihrer Ölschleuder voll durch. Schließlich zählen nicht Fakten – höchstens alternative –, sondern die Freiheit der Märkte. So bleibt uns nur die Hoffnung, dass die Realität die Freiheit für Umweltsünden bald einholt.  

Chancen für deutsche Autobauer 

Für deutsche Unternehmen ist diese Entwicklung ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite können sie ihren Vorsprung in Sachen Nachhaltigkeit und grünen Technologien ausbauen. Während die USA unter Trump auf fossile Energie setzen, könnten deutsche Firmen innovative Lösungen wie Wasserstofftechnologie oder erneuerbaren Energien vorantreiben. Die Welt sucht Lösungen für die Klimakrise, und hier haben europäische Unternehmen durchaus Trümpfe in der Hand. 

Auf der anderen Seite macht die politische Rückwärtsrolle der USA den internationalen Wettbewerb schwieriger. Während europäische Unternehmen tief in die Tasche greifen, um Emissionen zu senken und Innovationen voranzutreiben, machen sich amerikanische Firmen den schlanken Fuß. Weniger Regulierung, keine ambitionierten Emissionsziele und dazu noch Zölle – das ist eine Kombination, die die Spielregeln auf den globalen Märkten kräftig durcheinanderwirbelt. Besonders die deutschen Autobauer könnte das nervös machen. Sie investieren Milliarden in Elektromobilität, während ihre amerikanischen Konkurrenten mit deutlich geringeren Kosten agieren. 

Trump mag die Regeln des Spiels geändert haben, aber deutsche Unternehmen haben keine Wahl. Nachhaltigkeit ist keine Option, sondern ein Muss – nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch. Die Weltmärkte bewegen sich in Richtung grüner Technologien, und wer hier nicht mitgeht, riskiert langfristig den Anschluss zu verlieren. 

Nachhaltigkeit: ein Bürokratiemonster 

Während in den USA unter Trump regulatorisch gesehen der Wilde Westen ausgebrochen ist, geht Europa den entgegengesetzten Weg: Hier wird die Nachhaltigkeit zum Pflichtfach – mit Berichtsaufwand, der so detailliert ist, dass man fast den Eindruck bekommt, jede Firma müsste ihr eigenes Klimainstitut eröffnen. Die neuen EU-Regeln verlangen von Unternehmen, haarklein darzulegen, wie umweltfreundlich, sozialverträglich und ethisch sie handeln. Klingt nach Fortschritt, fühlt sich für viele aber eher wie ein Bürokratiemonster an. 

Besonders kleine und mittelständische Unternehmen dürften sich fragen, wie sie zwischen den Anforderungen des Tagesgeschäfts und den Berichtsformularen überhaupt noch Zeit zum Arbeiten finden sollen. Während die EU Transparenz predigt, droht der administrative Overkill mit jährlichen Zusatzkosten von knapp 1,6 Milliarden Euro. Am Ende bleibt die Frage: Ist das der beste Weg, um Nachhaltigkeit voranzutreiben? Oder erstickt Europa seinen Fortschritt in einem Wust aus Tabellen und Dokumentationen, während anderswo einfach gemacht wird, ohne viel zu fragen? 

Zeigt die Werbebranche Rückgrat? 

Die Werbebranche entdeckt derweil ihre grüne Seele. So hat Publicis Sapient eine Anti-Greenwashing-KI entwickelt, die künftig den Blick darauf schärfen soll, welche Nachhaltigkeitsversprechen Substanz haben und welche besser im PR-Mülleimer verschwinden.  

Die Idee dahinter ist einfach: Das Tool überprüft Texte und Bilder auf Nachhaltigkeitsbehauptungen und spuckt aus, wo Fakten fehlen. Unterstützt von den strengen Vorschriften der französischen ARPP und der Green-Claims-Richtlinie der EU, soll die KI also dafür sorgen, dass Greenwashing gar nicht erst passiert. Klingt gut, oder? 

Leider ist es so, dass die Werbebranche jahrelang mit genau solchen Versprechungen Geld gemacht hat. Dass sie nun auf eine Technologie setzt, um sich selbst zu kontrollieren, klingt ein bisschen nach Absolution durch Eigenregie. Böse Zungen könnten nun behaupten: Die Werbebranche hat keinen Algorithmus gebraucht, um glaubwürdig zu sein – sie hätte auch einfach ehrlich sein können. 

Natürlich kann man argumentieren, dass die Green-Claims-Richtlinie solchen Selbstkontrollen bald ohnehin den Riegel vorschiebt. Und ja, es ist gut, wenn Unternehmen nicht nur Greenwashing, sondern auch „Greenhushing“ vermeiden – das Schweigen aus Angst vor Kritik. Aber letztlich bleibt die Frage: Warum braucht es erst eine KI, um zu wissen, dass „nachhaltig“ kein Synonym für „das verkauft sich gut“ ist?  

(amx, Jahrgang 1989) ist seit Juli 2022 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Er ist weder Native noch Immigrant, doch auf jeden Fall Digital. Der Wahlberliner mit einem Faible für Nischenthemen verfügt über ein breites Interessenspektrum, was sich bei ihm auch beruflich niederschlägt: So hat er bereits beim Playboy, in der Agentur C3 sowie beim Branchendienst Meedia gearbeitet.